Am tyrrhenischen Meer

Mittwoch, 10.10.2018
Rom – Anzio, 84 km, insgesamt 3911 km
Wir packen das vom gestrigen Regenguss leicht patschige Zelt ein. Zumindest das ziemlich verdreckte Groundsheet können wir zuvor in der Sonne trocknen. Dann verabschieden wir uns von Rainer und erreichen über die Schnellstraßen Auf- und Abfahrt den Tiber-Radweg. Wir folgen wieder der vertuellen Eurovelo 7 bzw. Ciclopista del Sol, die in der Realität weder ein Radweg ist noch eine Beschilderung hat. Abgesehen vom Stückchen Tiber-Radweg. Auf diesem geht es überraschend zügig in die Innenstadt, die wir Richtung Süden durchqueren müssen. Wir begegnen einigen (Renn-)Radlern, werden mehrfach nach woher und wohin befragt und dienen gerne als Fotomotiv. Durchs Zentrum verläuft der Radweg tief unten am Tiber und man kommt (außer über Treppen) eigentlich weder hin noch wieder davon weg. Außerdem sieht man nichts. Zum Sightseeing also weniger geeignet, für eine zügige Fahrt jedoch ideal.

Nach der Tiberinsel gibt es eine Rampe, dort verlassen wir den Radweg und erreichen vorbei am Circus Maximus die Via Appia Antika. Die ist zunächst von Verkehr umtost, zieht sich dann aber wunderschön durch römische Reste (fast) autofrei kilometerlang Richtung Südosten.

 

 

Das Pflaster ist stellenweise noch original römisch-rumpelig, was das Fortkommen erschwert. Alternativen sind die Trampelpfade zu beiden Seiten, die aber auch eher Singletracks ähneln. Auf den letzten 2 km ist der Weg nur noch für Mountainbikes geeignet, von denen uns auch einige begegnet sind (ohne Gepäck und Kind hintendran!). Die virtuelle Route der Eurovelo 7 ist also noch verbesserungswürdig, auch weil der weitere Trackverlauf über eine durch ein hohes Gittertor gesperrte Privatstraße und später über die SP3 „Via Ardeatina“ führt. Die ist schmal, kaputt und von vielen LKW befahren. Wieder viele Gewerbebiete und gewerbetreibende Damen am Straßenrand.
Unser Ziel ist der Campingplatz Isola Verde ein paar km vor Nettuno. Das ist für uns eine relativ lange Etappe. Immerhin soll der Campingplatz noch geöffnet haben, so ganz eindeutig habe ich (Martin) die Angaben auf der Website nicht verstanden. Um 18:00 Uhr erreichen wir den Platz, der sowas von geschlossen ist. Während ich enttäuscht das Gittertor anstarre, telefoniert uns Catrin ins nächste B&B „Il Vialetto“ in Anzio – nochmal 6 km. Moderne Kommunikations- und Informationsmethoden haben schon was für sich. Wir werden sehr nett aufgenommen und dürfen sogar die Küche nutzen.

Donnerstag, 11.10.2018
Anzio – Sabaudia, 43 km, insgesamt 3954 km
Nach einem plastiklastigen Früstück (plastikumhüllte Hörnchen, Marmeladentöpfchen, Trinkpäckchen) brechen wir in ein trübes Wetter auf. Immerhin ist es trocken. Außerdem warm genug, um nicht zu sehr zu schwitzen. Heute sehen wir endlich wieder mal das Meer. Dieses Mal auf der anderen Seite von Italien. Wir fahren weitgehend am Meer entlang, machen einige Pausen am Strand, die vor allem Peter genießt.

Der Wind bläst eifrig von vorne. Als es bei der letzten Strandpause anfängt zu nieseln, fahren wir weiter und steuern das von Martin schon gestern gebuchte B&B Flora kurz vor Sabaudia an. Wir landen mitten in einer ländlichen Gegend in einem schönen alten Haus und bekommen ein wunderbar eingerichtetes Zimmer, das sich bis in den Dachgiebel hineinzieht. Das Badezimmer ist riesengroß und ebenfalls toll eingerichtet. Es steht sogar ein Sessel drin.
Auch hier dürfen wir die Küche mitbenutzen, bekommen sogar einen eigenen Kühlschrank.

Martin fährt noch mal los, kauft Gemüse für das Abendessen und (Kühl!)Getränke für die weitere Abendgestaltung. Wir kochen in der schönen Küche und sitzen abends noch gemütlich zusammen. Beim leise rauschenden Regen ist es in einer festen Behausung doppelt schön.

 

Freitag, 12.10.2018
Sabaudia – Sperlonga, 66 km, insgesamt 4020 km
Wir erhalten wieder ein reichhaltiges italienisches Frühstück mit süßen Hörnchen aus der Plastiktüte, Zwieback, Marmelade, Plätzchen, Cornflakes und Joghurt. Wir fahren zum Meer, machen die erste Peter-wühlt-gerne-am-Strand-Pause und umrunden bei Mezzomonte einen Berg, der motivationslos an der Küste aufragt.

Später erreichen wir Terracina, wo wir am ziemlich leeren Strand bei Sonnenschein die nächste Sandwühlpause einlegen. Die Stadt wird von einem Hügel überragt, auf dem ein römischer Tempelrest trohnt.

Durch die nächste Bucht fahren wir nach Sperlonga. Weiße Häuser kleben malerisch am Hügel, wir pausieren nochmal am Strand, an dem sich sogar ein Dutzend Urlauber befinden. Wie mag es hier in der Saison aussehen? Am Stadtausgang erreichen wir den Camping Nord Sud, dessen hervorstechende Eigenschaft nach den vielen geschlossenen Campingplätzen zuvor ist, dass er bis Ende Oktober geöffnet hat! Er hat direkten Strandzugang, wo wir gegen 18:30 den leider viel zu frühen Sonnenuntergang bewundern. Wir beschließen, zwei Tage zu bleiben, damit Peter genügend im Sand wühlen kann. Außerdem ist gutes Wetter angesagt.

Samstag, 13.10.2018
Sperlonga
Heute ist Strandtag! Wir laufen am Strand entlang bis zum Städtchen, essen Eis, buddeln im Sand, baden im Meer, lesen, schlafen, holen einige Tage bloggen nach, suchen eine Unterkunft in Neapel, trinken Espresso.
Urlaub halt.

 

 

 

Rom

Samstag, 6.10.2018
Rom
In der Nacht beginnt es zu regnen.
Daher zögern wir morgens aufzustehen und gehen erst spät los. Heute soll es zunächst zum Petersdom gehen.
Wir laufen zur Bahn und finden den Bahnhof „Due Ponti“ versteckt hinter der Hauptverkehrsstraße. Es gibt keinen Fahrkartenschalter. Da stehen wir nun mit unserem dummen Gesicht. Nur mit Hilfe freundlicher Mitcamper, die unser Problem bemerken, schaffen wir es durch die Sperre auf den Bahnsteig. Sie helfen uns mit einer Fahrkarte aus, die sie schlauerweise schon an der Rezeption des Campingplatzes erstanden hatten.
Wir kaufen uns dann auf dem nächsten Bahnhof direkt ein Mehrtagesticket, damit wir nicht noch einmal so ein Problem haben.

Auf dem Petersplatz stehen wir Schlange. Zum Glück kommt inzwischen manchmal die Sonne raus und es regnet nur noch hin und wieder.
Auf Petersplatz nach Spuren aus Dan Brown’s „Illuminati“ geschaut – und gefunden (West Ponente). Wenig spektakulär, aber trotzdem interessant, dass es das Ding wirklich gibt.
Der Petersdom ist immer noch riesig. Wir schauen uns Michelangelos Maria an und natürlich den „Peter“ mit dem blankgerubbelten Fuß.

In die Kuppel sind wir nicht mehr gestiegen, da uns ein akuter Hungeranfall plagte.
Wir fuhren zum Kolosseum und fanden dort tatsächlich Martins Lieblingspizzeria „Luzzi“ vom letzten Rombesuch wieder. Die ist immer noch lecker und immer noch günstig.
Nach dem Essen reihten wir uns in die Kolosseumsschlange ein. Bei der Sicherheitskontrolle entdecken sie Catrins Opinel-Messer und lassen sie nicht durch (am Petersdom haben sie das Messer glücklicherweise nicht entdeckt). Egal, dann kommen wir eben morgen wieder. Da dann erster Sonntag im Monat ist, ist dann der Eintritt auch frei.
Zur Lateranbasilika gelaufen. Dort das Messer auf ein Fenstersims gelegt und problemlos reingekommen. Die zweite Hälfte einer Messe mitbekommen. Der Kreuzgang hatte leider schon zu.

Auf dem Rückweg noch eine halbe Stunde Wartezeit, bis der Zug zum Campingplatz geht. Wir nutzten die Zeit für einen Besuch des Piazza del Popolo mit der Kirche Santa Maria del Popolo. Dort suchten wir die Chigikapelle, die ebenfalls eine Rolle in „Illuminati“ spielt. Nach 10 Minuten gehen die Lichter aus. Der Küster schließt die Kirche. Wir müssen sowieso gehen, um den Zug zu erreichen.

Im Dunkeln sieht unser Bahnhof „due Ponti“ noch gammeliger und ungemütlicher aus als am Tag. Über große Pfützen springend legen wir den Weg zum Campingplatz an der vielbefahrenen Straße (natürlich ohne Gehweg, dafür aber mit viel Müll und umgestürzten Bäumen) zurück. Fußgänger und Radfahrer sind hier einfach nicht vorgesehen.
Das Zelt und der Boden rundherum sind vom vielen Regen ziemlich durchweicht, alles im Vorzelt klamm. Zum Glück ist innen alles trocken geblieben. Wir kriechen mit leicht feuchten und sehr dreckigen Füßen in die Schlafsäcke.

Sonntag, 7.10.2018
Rom
Heute wollem wir gaaanz früh aufstehen, um vor den Menschenmassen am Kolosseum anzukommen. Leider hält uns der aufs Zelt prasselnde Regen etwas davon ab. Leicht verspätet kommen wir los. Doch als wir uns gegen 10 Uhr in die schon recht lange Schlange am Kolosseum einreihen, scheint die Sonne. Wir merken, dass wir gar nicht in der Schlange zum Kolosseum stehen, sondern dass die Schlange nur zu einem Kartenschalter führt. Da aber auch am Tag mit Gratiseintritt Karten vorgezeigt werden müssen, warten wir geduldig ab und lesen in den uns zur Verfügung stehenden Reiseführern (im E-Book Reader) alles über das Kolosseum und das Forum Romanum. Und als wir endlich im Besitz der Karten sind, ist der Eingang zum Forum auch nicht mehr weit, sodass wir uns erst an dieser Schlange anstellen. Just in diesem Moment kommt John, unser Nachbar vom Campingplatz vorbeigeradelt. Wir freuen uns über diesen Zufall.

Im Forum und auch auf dem Palatin liegen immer noch jede Menge alter Steine herum. Wir finden den Nabel der Welt und schauen von oben herab auf den Circus Maximus, wo heute wohl eine Landwirtschaftsmesse stattfindet.
Raus aus dem Forum Romanum erwartet uns schon die nächste Schlange, die ins Kolosseum hineinführt. Wir stellen uns mal ganz doof und reihen uns „versehentlich“ ziemlich weit vorne ein und kommen daher vergleichsweise schnell rein. Als die Karten kontrolliert werden, sagt die freundliche Frau, dass ich (Catrin) nicht reindarf. Als ich verdutzt schaue, lacht sie mich an, sagt, dass sie mich von gestern wiedererkannt hat (als ich wegen des Opinels weggschickt wurde) und winkt mich durch.

Auch das Kollosseum ist immer noch riesig. Erstaunlich, dass dort mehr Menschen reinpassten als in die Frankfurter Commerbankarena. Und durch unglaublich gutes Wegemanagement konnten die 50000 Menschen innerhalb weniger Minuten an ihre Plätze gelangen. Das klappt heute im Kolosseum nicht mehr. Wir haben an diesem Tag schon gute zwei Stunden Schlange gestanden.
Gruselig, sich vorzustellen, welche Szenen sich hier auf der Arena abspielten. Und gruselig die Vorstellung, welchen Spaß die Römer dabei gehabt hatten und mit welcher Lautstärke sie wohl die „Spiele“ begleiteten.

Nach dem Kolosseum besuchen wir Martins Lieblingspizzeria ein weiteres Mal. Dieses Mal müssen wir auch dort Schlange stehen, aber schon nach 20 Minuten bekommen wir vom aufmerksamen Chef einen Tisch zugewiesen und speisen köstlich.
Am späten Nachmittag kommen wir am Campingplatz an. Peter springt in den Pool.
Tagsüber gab’s noch einige Schauer, ansonsten schien die Sonne und es wird die nächsten zwei Tage auch schön bleiben. Wir räumen das Vorzelt aus, stellen die Taschen zum Trocknen in die Sonne und wischen das nasse Groundsheet ab. Nun lebt es sich doch schon viel angenehmer hier auf dem Campingplatz.
Abends kommt Rainer aus Essen an, der von Kempten aus nach Rom gefahren ist und auch noch Richtung Sizilien weiterfahren will. Aber wie alle anderen Radler, die wir bisher trafen hat er die Reschenpass-Route genommen. Mit der Donau-Ungarn-Slowenien-Strecke haben wir ein Alleinstellungsmerkmal bei allen Fernradlern, die wir treffen.

Montag, 8.10.2018
Rom
Vormittags nehmen wir an einer „Free Walking Tour“ Stadtführung teil. In Rom gibt es mehrere Organisationen, die „free walking tours“ anbieten. Die eine bestand ausdrücklich auf einer ausgedruckten Reservierungsbestätigung, die nächste wollte 2,50€ pro Person als Reservierungsgebühr (wir zahlen nachher sowieso mehr für die Führung, aber irgendwie scheint mir das dem Prinzip der free walking tour zu widersprechen), also nehmen wir den dritten Anbieter. Maria führt uns von der spanischen Treppe über die via del Corso vorbei an der aurelianischen Säule, dem Pantheon und der Piazza Navona bis vor die Engelsbrücke und schwärmt von ihrer Stadt Rom.

Am Nachmittag laufen wir zu Santa Maria della Vittoria, wo Catrin unsere Dan-Brown-Illuminati-Führung vervollständigt. Dort ist die Statue der Verzückung der hl. Theresa zu sehen, von Bernini natürlich. Dann noch den Trevi-Brunnen, vor dem sich wahre Menschenmassen drängeln.

Abends lädt uns John auf ein Bier am Campingplatz ein und wir tauschen Tour- und Routenerlebnisse aus.

Dienstag, 9.10.2018
Rom
Morgens verabschieden wir uns von John, der heute wieder nach Hause fliegt.
Für heute haben wir Karten für die Vatikanischen Museen gekauft, d.h. am Freitag online vorbestellt für den nächsten verfügbaren Zeitslot am Dienstag. Da wir erst den Zeitslot am Mittag gebuch haben, haben wir vormittags noch Zeit, durch Rom zu bummeln und die Fotos zu schießen, für die wir bis jetzt noch keine Zeit hatten. Sprich: Spanische Treppe, Aurelianische Säule, Piazza Navona. Ach, und weil man auf der Piazza Navona so schön Leute gucken kann, kaufen wir uns dort noch ein Eis und verweilen ein wenig.

Über die Engelsbrücke laufen wir zum Petersplatz. Nach einem schnellen Espresso im Stehen (ja wir sind lernfähig und wissen nun, dass auch in den teuersten Ecken der Espresso im Stehen nur 1 Euro kostet), gehen wir zum Eingang der Vatikanischen Museen, laufen an der Schlange vorbei, die keine Eintrittskarten hat und können mit unseren Online-Tickets direkt rein. Peter hopst fröhlich die Treppen hinauf und freut sich, dass wir endlich mal wieder ein Museum besuchen. Wir staunen über all die alten Steinskultpuren, die hier zu bewundern sind, suchen im Mosaik die fantastischsten Fabelwesen und die tollsten Kämpfe, gruseln uns vor den mumifizierten Leichen und sind fasziniert von den italienischen Karten, die 500 Jahre alt sind, auf denen wir aber trotzdem ganz genau unsere Tour durch Italien nachvollziehen können.

 

Als unsere Augen schon anfangen zu tränen und die Füße langsam anfangen zu brennen, kommen die Stanzen Raffaellos. Diese toll ausgemalten Privaträumlichkeiten von Papst Julius II. und Papst Leo X. wären allein schon ein Museum wert.

Und als wir dann nur noch schnell die moderne Abteilung der Museen durcheilen wollen, um flott zur Sixtinischen Kapelle zu kommen (langsam können wir aber wirklich nicht mehr), stolpern wir über Rodins „Der Denker“. Nanu – stehen und hängen hier auch noch modernere Kunstwerke herum, die wir tatsächlich kennen?

Unser Schritt wird langsamer und wir sehen noch Henry Matisse, Paul Klee, Lionel Feininger, Salvador Dali, Max Ernst, Francis Bacon, Max Pechstein und andere namhafte Künstler, vor deren Werken wir dann doch staunend verweilen. Peter ist beeindruckt vom Christophorus-Bild von Otto Dix. Als wir abends in der S-Bahn sitzen, muss ich ihm noch die Geschichte von Christophorus erzählen.

Foto Max Pappert 2010 aus www.stadtbesichtigungen.de

Und dann – endlich – nach weiteren endlos scheinenden Fluren, werden wir in die Sixtische Kapelle geschwemmt. Direkt am Eingang Ordner, die uns sofort weiter schieben. Die Kapelle ist voll! Wir quetschen uns durch die Menschenmassen und schauen staunend nach oben.

Der Raum summt und brummt vom Gemurmel der Menschenmassen. Irgendwann wird es den Ordnern zu laut und es wird lauthals über Lautsprecher ein Gebet angestimmt, um es wieder leiser werden zu lassen. Toller Trick! Den sollte ich auch mal in der Schule anwenden… Wir ergattern einen Sitzplatz an der Rückwand und können fußentlastend die Fresken bestaunen.
Nach der Sixtinischen Kapelle laufen wir noch durch endlos lange Gänge mit tausenderlei bunt gemischter Kunst zum Ausgangsbereich. Dort finden wir die Vatikanische Post und schicken von dort ein paar Postkarten an Familie und Kindergarten. Immerhin haben wir mit dem Vatikanstaat nach Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Slowenien und Italien nun unser siebtes Land auf unserer Tour erreicht!

Von den Vatikanischen Museen (leider hat es schon wieder leicht zu regnen angefangen, und wir haben keine Regenjacken dabei) fahren wir mit dem Bus nach Trastevere. Fein – es ist voll auf der Straße, der Bus schiebt sich quälend langsam vorwärts, wir haben Sitzplätze und die Füße und Beine danken es uns.
In Trastevere geht es beschaulicher zu als im Vatikan-Bezirk. Niedrigere und bunt angemalte Häuser, kleinere Gassen, einladende Bars, Trattorien und Restaurants. Wir steuern eines an und freuen uns auf ein schnelles Essen. Das Essen zieht sich ein wenig in die Länge, da just zu diesem Zeitpunkt ein Regenguss mit Gewitter über Rom niedergeht. Wir denken mit Bedauern wir an unsere Handtücher und frisch gewaschenen T-Shirts, die vor unserem Zelt hängen, freuen uns aber, dass wir selbst gerade im Trockenen sitzen.

Als der Regen vorbei ist, schauen wir uns noch St. Maria in Trastevere und St. Caecilia an. Auch der Besuch in St. Maria dauert wegen Regens länger als geplant. Als wir aus St. Caecilia rauskommen, ist es schon dunkel und wir machen uns auf den Weg zurück zum Campingplatz. Im Bus eine aufgeregt schnatternde 10. Klasse aus Deutschland, die gefühlt hundert Mal fragt, wo sie denn raus muss und wann denn nun endlich die Station „Termini“ kommt. Die zuständigen Lehrer scheinen lieber im Hotel geblieben zu sein.
Am Campingplatz noch kleines Abendessen, Bier und gute Gespräche mit Zeltnachbar Rainer.

 

Von Umbrien nach Latium

Sonntag, 30.9.2018
Perugia – Assisi, 34 km, insgesamt 3616 km
Morgens werden wir vom Schreien des Esels geweckt und frühstücken mit perfekter Ausicht. Perugia liegt ein paar Kilometer entfernt – auf einem Hügel natürlich. Da die größte Sehenswürdigkeit von Perugia eine Schokoladenfabrik zu sein scheint, die Sonntags geschlossen und eh nur nach wochenlanger Voranmeldung zu besichtigen ist, nehmen wir den direkten Weg nach Assisi. Google führt uns landschaftlich reizlos, aber weitgehend flach direkt an der Autostrada entlang durch Gewerbegebiete. „Weitgehend flach“ bedeutet die eine oder andere giftige Steigung gradewegs über den nächsten Hügel. Assisi ist schon von weitem zu sehen, klar, liegt ja auch auf einem Hügel.

Vorher kommen wir durch Santa Maria degli Angeli mit einer pompösen, neo-barocken Kirche. Hier soll einer der Lieblingsplätze des hl. Franziskus gewesen sein. Vor dem Bau der Kirche, natürlich.

Dann geht es hinauf auf den Hügel, an Assisi vorbei und hinauf auf den Campingplatz Fontemaggio. Viel Platz unter duftenden Pinien, wenig los, es gibt ein Restaurant und einen Mini-Markt. Wir verbringen den Rest des Tages in Ruhe und verschieben die Besichtigung von Assisi auf den nächsten Tag.

Montag, 1.10.2018
Assisi
Morgens ist der Himmel grau und es ist kühl, ein gradezu ungewohntes Wetter. Wir laufen einen Pfad bis Assisi und gehen durch Gässchen und über Treppen vorbei an St. Rufino, über den Stadtplatz mit Santa Maria sopra Minerva (dem ehemaligen römischen Minervatempel) und dem Torre del Popolo

bis zur Franzikus-Basilika. Die zwei Kirchen übereinander sind mit Fresken aus dem Leben von Franziskus und Jesus ausgemalt. Regelmäßig werden die Besucher lautsprecherverstärkt ermahnt, Stille zu halten und nicht zu fotografieren. In einer Krypta unter der Unterkirche ist das Grab von Franziskus, in einer Seitenkapelle seine vielfach geflickte Kutte und andere Devotionalen.

 

Anschließend gehen wir zur Burg hinauf. Mittlerweile regnet es, die Burg liegt in einer Wolke.

Eigentlich soll man von hier einen tollen Blick über die Ebene haben. Wir haben einen tollen Blick auf das heranziehende Gewitter.

Auf dem Rückweg legen wir angesichts des Donnergrollens und des immer stärker prasselnden Regens eine intensive Besichtung von St. Rufino ein. Im Boden sind durch Glasscheiben die Fundamente der ersten Kirche an dieser Stelle zu sehen und auch ein paar römische Reste. Außerdem kann man in der Kirchenbank auch toll Reiseführer lesen. Als der Regen nachlässt, gehen wir zurück und vergraben uns im Zelt. Abends besuchen wir das Restaurant am Campingplatz (Fontemaggio ist auch Hotel und Jugendherberge). Mitten im Raum arbeitet der Koch an einem riesigen Holzkohlegrill.

Wir essen rustikal, Fleisch mit viel Knochen, Kartoffeln aus der Glut und Gemüse. Am Tisch mit uns sitzt eine ältere Dame, die den „Camino“ geht, den Franziskus-Pilgerweg von Montepaola Dovadola nach Assisi. Mit maximalen Höhenmetern schön durch die Berge.
Abends hört der Regen auf und nachts bleibt es trocken.

Dienstag, 2.10.2018
Assisi – Spoleto, 53 km, insgesamt 3669 km
Es ist trocken und zwischen den Wolken blitzt die Sonne durch, hurra. Wir fahren erst steil, dann sanfter den Hang hinunter zwischen Olivenhainen nach Spello. Ebenfalls ein malerisch auf den Hügel geklebtes umbrisches Städtchen.

Wir sehen die Reste eines römischen Aquäduktes, den man kilometerlang entlangwandern kann. Was wir uns verkneifen. Stattdessen halten wir in einem winzigen Cafe, bei dem die zwei Stühlchen vor der Tür zurückgeschoben werden müssen, wenn ein zu breites Auto die schmale Gasse entlang fährt. Und es fahren nicht nur kleine PKW, sonden durchaus auch Lieferwagen und die örtlichen Busse durch die Gasse.

Jedes dieser malerischen Innenstädtchen wäre in Deutschland autofreie Zone, aber in Italien darf immer und überall Auto gefahren werden und die Italiener fahren immer und überall. Kein Schotterweg am Berg und kein noch so kleines Innenstadtgässchen, auf dem uns nicht Autos entgegengekommen wären. Nur Treppen oder Poller können die Italiener bremsen. Wir schieben unsere Räder durch Spello, bis es hinabgeht in die Ebene. Weitgehend flach geht es weiter. Wir stoßen nach einiger Zeit sogar auf eine Radwegbeschilderung Assisi – Spoleto, der wir folgen.
Die Sicht ist wieder besser und noch bis kurz vor Spoleto können wir nach Assisi zurückschauen.
In Spoleto haben wir uns in einem B&B eingemietet, weil es weit und breit keinen Campingpatz zu geben scheint. Ich (Martin) fahre mit Peter noch in die Innenstadt, wir wandern durch die Gassen bis zum Duomo.

Dann kaufen wir ein, das B&B ist eigentlich eine Dreizimmerwohnung mit Küche, in der wir kochen können. Eine weitere Mitbewohnerin ist Grundschullehrerin, arbeitet in der Woche in Spoleto und fährt am Wochenende nach Hause in Messina – ein weiter Weg.

Mittwoch, 3.10.2018
Spoleto – Narni, 46 km, insgesamt 3715 km
Das Frühstück im B&B ist nur ein Cappuccino und ein Puddinghörnchen in der Bar nebenan. Nach ein paar Kilometern führt mein Track wieder in die Berge. Das Sträßchen wird immer schmaler und entsprechend steil, aber das Tal mit Pinien und sonnenbeschienenen Bergen drumherum ist wunderschön.

Auf dem Weg abwärts ist der Track leider nur noch eine Piste aus groben Schotter, der mit unserem Tross entsprechend langsam gefahren werden muss. Beim Sackgassenschild in der Einöde müssen wir lachen und wähnen uns am Ende der Welt. Zum Glück stand das Schild wohl nur zum Spaß da.

Irgendwann landen wir auf der SP67, die sich gut asphaltiert und fast ohne Verkehr durch ein wunderschönes Tal mit schroffen Hängen nach Terni schraubt.

Terni ist eine unansehnliche, mittelgroße Stadt, die wir ohne größere Besichtigungen durchqueren. Vor Narni bleiben wir im Hotel „la Rocca“, weil der Campingplatz bereits geschlossen hat. Narni soll der geografische Mittelpunkt von Italien sein. Außerdem ist es der Namensgeber des phantastischen Landes Narnia, entsprechend beeindruckt muss C.S. Lewis von der Stadt gewesen sein. Wir sehen von einer Besichtigung ab und ich (Martin) nutze die Zeit, den gestern erworbenen Mantel an Catrins Vorderrad und meine Bremsbeläge zu wechseln.

Donnerstag, 4.10.2018
Narni – Stimigliano, 47 km, insgesamt 3762 km
Nach einem für italienische Verhältnisse reichhaltigem Frühstück (neben diversen Sorten Kuchen und Gebäck gibt es sogar ein paar Scheibchen Salami und Käse) fahren wir weiter mit etwas schlechtem Gewissen, weil wir der Stadt Narni keinen Blick gegönnt haben. Über kleine Sträßchen fahren wir bis zur SR313, der wir folgen – mit wenig Verkehr schraubt sich die Straße in die Höhe, wunderschön und etwas anstrengend an Berghängen entlang. Unseren nächsten Stopp haben wir in einem B&B in Stimigliano gebucht, weil wieder kein Campingplatz weit und breit vorhanden, die Unterkunft aber günstig ist. Mit einigen Höhenmetern fahren wir durch den Landstrich Sabina. Die Sabiner waren Nachbarn der Römer und bekannt durch den Raub der Sabinerinnen. Heutzutage fallen sie uns durch interessante Städtepartnerschaften auf.

Durch Torri di Sabina wechseln wir auf die SP52 nach Stimigliamo. Unser B&B entpuppt sich als Maisonette-Appartement mit Herd, Kühlschrank, Wohnraum im Erdgeschoss und Schlafzimmer im Obergeschoss. Der Felsen am Hang ist schön in den Bau integriert. Eigentlich viel zu schön, um nur eine Nacht darin zu verbringen.

Allerdings funktioniert das Wifi nicht, was hier etwas schade ist: Bislang hatten wir in Italien immer hervorragende LTE-Verbindung, sitzen in Stimigliamo aber in einem Funkloch. Wir bummeln durch die winzige Altstadt mit engen Gässchen und einem tollen Blick ins Tiber-Tal, auch hier ist die Stadt wieder malerisch an den Hang geklebt.

 

 

Freitag, 5.10.2018
Stimigliano – Rom, 65 km, insgesamt 3827 km
Alle Track-Vorschläge aus dem Internet führen in epischen Schleifen schön auf und ab über die Hügel Richtung Rom. Wir wollen ankommen, deswegen fahren wir über die Hauptverkehrsstraßen SR657, SS313, SS4 und SS15a „Tiburtina“ nach Rom, grob dem Tiber folgend. Leider gibt es keinen Tiber-Fernradeg, den hätten wir schon ab Perugia nehmen können (allerdings unter Umgehung von Assisi). Der Verkehr wird immer dichter, je mehr wir uns Rom nähern. Zweimal müssen wir Verkehrsknoten queren, die definitiv ausschließlich für Autos und nicht für Fahrräder entworfen wurden. Dank unserer vorbereiteten Route mit Google Maps und Velomap/OSM klappt das ganz gut und nur mit gaaanz wenig gegen die Einbahnstraße fahren.
Die Landschaft ist heute weniger reizvoll als in den letzten Tagen, stattdessen viele Gewerbegebiete. A propos Gewerbe: An der Tiburtina stehen alle paar hundert Meter Damen, die ihre Dienste anbieten. Wir kommen als Kundschaft allerdings kaum in Frage. Catrin ist geschockt. Auf den letzten Kilometern von Norden kommend erreichen wir tatsächlich den Tiber-Radweg, dem wir folgen, bis wir zum Campingplatz Flaminio abbiegen.

Wir müssen eine Bahnlinie und eine Autobahn queren, dann führt uns unser vorbereiteter Track bis zu einer Leitplanke an der Autobahnabfahrt. Der Campingplatz ist zwar nur noch 500m entfernt, aber auf diesem Weg unerreichbar. Also zurück, die Auffahrt auf die autobahngleich ausgebaute Straße nehmen und im brausenden Verkehr das Kunststück vollbringen, auf die linke Spur zu wechseln – die rechte verschwindet in der falschen Richtung im Tunnel. Dabei wird Catrin wüst von einem Autofahrer beschimpft, der zum Bremsen genötigt wurde. Catrin schimpft zurück. Gerne hätte ich das fotografisch festgehalten, aber für ein Foto auf der Autobahn anzuhalten, habe ich mich nun doch nicht getraut.
Wir sind in Rom!

Neben uns auf dem Zeltplatz treffen wir John, einen holländischen Einzelradler, den wir schon in Assisi gesehen haben und der uns schon in Florenz bemerkt hat. Erst jetzt wechseln wir ein paar Worte. Er beendet seine Tour hier.

 

Von der Toskana nach Umbrien

Donnerstag, 27.9.2018
Figline Valdarno – Arezzo, 63 km, insgesamt 3477 km
Die Temperatur beim Aufwachen dürfte fast im einstelligen Bereich liegen. Es ist recht frisch und das Zelt steht auf dem gefühlt schattigsten Fleck des Campingplatzes. Zum Glück hat wenigstens der Wind aufgehört. Wir halten Ausschau nach einem sonnigen Plätzchen und landen auf einem Auto-Abstellplatz, wo wir unsere Decke ausbreiten, frühstücken und unsere Hände und Finger auftauen lassen.

Relativ spät fahren wir erst los. Unten im Ort zweigt ein Weg direkt am Arno entlang ab zum nächsten 6 km entfernt liegenden Ort. Toll – fast wie „Arno-Radweg“! Leider ist die Arno-Brücke gesperrt wegen einer Baustelle. Mit Duldung der freundlichen Bauarbeiter schieben wir unsere Räder durch die Baustelle, um einen mittellästigen Umweg zu vermeiden.

Danach schrauben wir uns die Berge hoch und runter. Teilweise auf abenteuerlichen steilen Schotterwegen, die als Mountainbike-Trails ausgeschildert sind. Da geht es bergab genauso langsam wie bergauf. Am späten Nachmittag erreichen wir Arezzo, besuchen den Supermarkt (da uns Google netterweise verraten hat, dass der nächste Campingplatz keinen Supermarkt hat) und kaufen außer Wein auch noch Sushi als Vorspeise und Schokolade als Nachspeise fürs Abendessen. Der Campingplatz liegt gnädigerweise fast flach an der Strecke, ist ruhig und einigermaßen leer.

Zum Glück ist es tagsüber sehr schön warm geworden, aber nicht zu heiß. Bei gut 20 Grad radelt es sich gut und im Schatten wird es schon fast frisch. Perfektes Radelwetter.
Auch der Abend ist vor dem Zelt temperaturmäßig besser auszuhalten.

Freitag, 28.9.2018
Arezzo – Lago Trasimeno, 60 km, insgesamt 3537 km
Wir fahren die ersten 30 km am Canale Maestro della Chiana entlang. Dabei darf man sich nicht einen Kanal vorstellen wie beispielsweise den Dortmund-Ems-Kanal. Sondern es ist ein dünnes Rinnsal, bei dem sich uns nicht erschloss, warum er geschaffen wurde. Aber toll ist, dass es hier ein erschlossenes Radwegenetz gibt und der Radweg (zwar Schotter, aber immerhin) komplett am Kanal entlang führt. Der Weg ist identisch mit der Eurovelo 7 bzw. Ciclopista del Sol.

Um uns herum Apfelplantagen so weit das Auge reicht. Wir genehmigen uns ein paar Kostproben. Beim nächsten Obstkauf müssen wir ja wissen, was uns schmeckt und was nicht.

Um zum Lago Trasimeno zu kommen, biegen wir irgendwann an einen anderen Kanal ab, wo es ebenfalls eine Radwegebeschilderung gibt. Catrins Vorderrad ist auf einmal ziemlich platt. Aber nach Aufpumpen funktioniert’s noch ganz gut. Wir haben nicht mehr viel Weg vor uns, daher sparen wir uns die Flickerei und fahren weiter. Und dann führt Martins Track durch den denkwürdigen Ort Cortona. Dieser Ort liegt dramatisch schön oben an einem unglaublich steilen Berghang. Die Stadtmauer stammt aus Etruskerzeiten noch Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung. Alles wunderschön und wirklich toll anzuschauen. Aber leider eben auf dem Berg – und das steil! Wir schieben keuchend 2 km unsere Räder den Steilhang hoch, um im Ort weiter steile Gässchen heraufzuschieben. Plötzlich ist alles voller Touristen, die uns mit offenen Mündern anstarren, wie wir mit unseren vollbepackten Rädern wohl hier raufgekommen sind. Das fragt sich Catrin allerdings in den Moment auch.

 


Vor der Abfahrt noch mal Fahrrad aufpumpen. Genauso steil wie es hochging, geht es nun auch wieder runter. Wie schon gestern bemerkt, geht das nicht nicht wesentlich schneller als das Hochfahren. Danach noch seicht durch das Tal Richtung Lago Trasimeno. Leider werden die Aufpump-Etappen immer kürzer. Wir erreichen den Campingplatz am See mit Mühe und Not, der Fahrer lebt, der Schlauch war tot. Zum Stellplatz (wunderschön direkt am See gelegen) schiebt Catrin das Rad. Da wir einigermaßen früh angekommen sind und das Wetter herrlich ist, nutzen wir die Zeit für allerlei nützliche Dinge: Einkaufen, Wäsche waschen (bei leichtem Wind trocknet sie rasend schnell), Reifen flicken (!), Tagebuch schreiben, bloggen, kochen, Peter etwas vorlesen, am See sitzen und den Wasservögeln zuschauen.

Samstag, 29.9.2018
Lago Trasimeno – Perugia, 45 km, insgesamt 3582 km
Wir folgen weiter dem Radweg (!) um den Lago Trasimeno, leider nur Schotterpiste. Irgendwann geht es notwendigerweise weg vom See über die Hügel. Wir stoßen einige Zeit später tatsächlich auf eine Radwegbeschilderung bis Perugia, der wir über Nebenstraßen mit toller Aussicht so lange folgen, bis wir zum Camping „Farmhouse“ einige Kilometer südlich von Perugia abbiegen.

Das ist ein B&B mit Zeltwiese, auf der wir die einzigen sind. Wir stellen unser Zelt in der windigsten Ecke auf und haben einen tollen Blick vom Hügel ins Umland. Martin fährt einkaufen. Der Conad (Lebensmittelladen) in der Nähe hat noch geschlossen: Siesta von 13 bis 17 Uhr. Da wundert es kaum, dass Italiens Wirtschaftswachstum etwas bescheiden ausfällt.

 

Florenz

Sonntag, 23.9.2018
San Piero a Sieve – Florenz, 42 km, insgesamt 3342 km
Nächste Etappe durch den Apennin. Heute muss noch einmal ein 518m hoher Pass überwunden werden. Da wir uns aber noch auf gut 200 m befinden, dürfte das Ganze nicht ganz so happig werden. Außerdem hat Martin eine Strecke ausgesucht, die sanfter ansteigen soll als die Hauptstraße (SR302). Als wir 1,5 km saftig bergauf schieben müssen (bei ca. 18% Steigung) überdenken wir diese Alternative noch einmal. Doch nun ist es zu spät und schon eine knappe Dreiviertelstunde später haben wir auch diesen Knackpunkt geschafft. Der Rest der Strecke ist (als wir die SR302 erreicht haben) tatsächlich einigermaßen flach und vor allem sind wir im Gegensatz zu gestern bereits nach 10 km oben. Nun geht es sanft geschwungen runter. Wir folgen nicht weiter der SR302, sondern der SP54. Diese schmiegt sich sanft an den Hang und braust nicht allzu schnell ins Tal.

 

Die Toskana zeigt sich von ihrer besten Seite und hat sich wunderschön herausgeputzt. Wir gurken relativ langsam die Straße herunter, da jede Kurve neue und bezaubernde Ausblicke liefert. So radeln wir in das Dorf Fiesole hinein. Dort entdeckt Martin in einem Hinterhof eine Bar „Casa del Popolo“ mit einem riesigen Balkon, der einen wunderbaren Ausblick auf die Landschaft bietet. Wir kehren dort ein und verbringen die nächsten zwei Stunden dort und können gar nicht genug von dem Ausblick bekommen.

Weiter durchs Dorf findet auf dem Hauptplatz ein Bio-ökologischer Markt statt. Dort probieren wir uns durch einen Milch und Joghurtstand, erstehen Vollkornbrot und leckere Tomaten.

 

Um die nächste Kurve bietet sich der Blick auf Florenz. Ein großes Häusermeer, das von der Kuppel des Doms dominiert wird.

Martin navigiert uns durch die Straßen durch Florenz zum Campingplatz direkt am Ufer des Arno. Auf dem Weg kommen wir an einem brennenden Auto vorbei. Die Feuerwehr kommt und löscht den Brand. Peter ist tief beeindruckt und erzählt noch abends von dem Erlebnis.
Der Campingplatz „Camping in Town“ ist sehr edel, hat einen tollen Pool, Supermarkt und exzellente sanitäre Anlagen. Dafür nimmt er aber auch einen entsprechenden Preis und dies mit Florenz-Aufschlag. Für das Hostel in Ljublana haben wir nicht wesentlich mehr bezahlt. 40,50€ pro Nacht ist bisheriger Campingplatz-Rekord auf unserer Tour.

Montag, 24.9.2018
Florenz, 16 km, insgesamt 3358 km
Neben uns zelten zwei Neuseeländer. Sie sind auch auf Rädern unterwegs, haben ihre Tour in Rom begonnen und wollen weiter Richtung Norden.
Wir fahren den Arno entlang hinein nach Florenz. Die Gässchen, die Einbahnstraßen und der Verkehr in der Innenstadt sind eine Herausforderung. Schließlich erreichen wir den Treffpunkt der „free walking tour“, die es auch hier gibt, und machen die Stadtführung mit. Wir laufen von Santa Maria Novella zum Dom Santa Maria del Fiore und weiter über die Piazza della di Signoria bis zur Basilica di Santa Croce. Zwischendrin streifen wir den Wohnsitz der Familie Antinori: Dort gibt es tatsächlich eine (kostspielige) Weinbar.

 

Nach der Führung bestellen wir in einem netten Mini-Restaurant mit netter Bedienung die Spezialität von Florenz: Lampredotto (Labmagen) und Trippa (die anderen Mägen der Kuh). Trippa muss allerdings stundenlang kochen, bis es genießbar ist, und war noch nicht fertig. Stattdessen bekam Catrin eine Art Gulasch, was lecker war. Mein Lampredotto war, nun ja, interessant. Peter genießt Lasagne. Wir empfehlen das Restaurant gerne weiter: „Budellino“, Via del Neri 50/r.

Anschließend bummeln wir weiter durch die Innenstadt. Vor dem Dom ist eine viel zu lange Schlange, auch die anderen Kirchen kosten Eintritt (das wäre nicht so schlimm) und man muss ewig warten (das ist super lästig). Wir schauen abends im Internet nach, die Domkuppel ist frühestens in drei Tagen zu besichtigen und auch für die Uffizien kann man nicht „spontan“ am Folgetag eine Karte kaufen. Mit Peter ist die Besichtigung der Renaissance-Schätze sowieso eher unerquicklich.

Das Wetter war für heute eher regnerisch angesagt. Wir schleppen den ganzen Tag unsere Regenjacken durch Florenz, die wir glücklicherweise nicht brauchen. Jedoch wird es nachmittags extrem windig. Wir fühlen uns wie an der Nordsee, nur bei 25 Grad. Sehr angenehm. Lustiger Nebeneffekt: Es fliegen diverse Dinge durch die Straßen: Papierchen, Sonnenhüte und Schaufensterpuppen.
Auf dem Campingplatz ist ein Radlerpärchen aus Tübingen eingetroffen. Sie sind erst knapp drei Wochen unterwegs und haben den direkten Weg über den Reschenpass genommen. Die haben auch kein Kind dabei.
Tagsüber haben wir einen Platten an Peters Vorderrad entdeckt. Wo der herkommt, ist uns ein Rätsel, weil Peters Vorderrad meistens hochgebockt und gar nicht belastet ist. Tatsächlich finde ich ein Loch im Schlauch und flicke es.

Dienstag, 25.9.2018
Florenz, 11 km, insgesamt 3369 km
Diesmal lassen wir unsere Räder ein gutes Stück vor der Innenstadt stehen und laufen weiter. An der Kirche Santa Croce ist keine Schlange, wir nutzen die Gelegenheit.

 

In der Kirche sind die Gräber oder mindestens Gedenktafeln von vielen berühmten Italienern: Rossini, Michelangelo, Macchiavelli, Galileo, aber auch Marconi, dem Entdecker der drahtlosen Nachrichtenübermittlung per Funk. Am Grabmal von Michelangelos Familie wird ein Gemälde restauriert.

 

Wir sehen den Kreuzgang des ehemaligen Klosters, die Sakristei und weitere Kunstwerke im Museum. Innerhalb eines Ganges mit einer Aneinanderreihung von Grabtafeln entdecken wir die Tafel von Bartolomeo Cristofori, dem Erfinder des „Pianofortes“, des modernen Klavieres. Die Tafel ist unscheinbar und kaum zu entziffern, erst Wikipedia bestätigt uns: Ja, der Erfinder des Klaviers wurde tatsächlich hier begraben.

 

Interessant ist auch die Dokumentation des verheerenden Arno-Hochwassers von 1966, das viele Kunstschätze beschädigt hat und deren Restauration bis heute andauert.
Wir trinken einen Cappuccino, der selbst mir als Teetrinker ungewöhnlich gut schmeckt – Tipp: La Sostra dei Ciompi, Piazza dei Ciompi 28, neben der Loggia del Pesce. Später nochmals ins Budellino, wir essen hervorragende Schiacciate, eine Art belegte Brötchen, ziemlich lecker. Die Schlange am Dom ist immer noch zu lang, wir sehen uns stattdessen die Räume der ältesten Apotheke von Florenz an – in der immer noch viel an Touristen verkauft wird

– und den völlig untypischen Bahnhof S.M. Novella im Bauhaus-Stil. Quadratisch, nüchtern. Eher zufällig stolpern wir in die Kirche dei Santi Michele Gaetano, die zur Abwechselung eher barock ist. Der Innenraum ist aus dunklem Marmor, mit Wandteppichen geschmückt.

Schließlich noch die Medici-Führung von Free Walking Tours, die uns von der Grabkapelle der Medici über den Piazza della di Signoria, die Uffizien über die Ponte Veccio bis zum Piazza Pitti führt und in der wir weitere interessante Geschichten über Florenz und die Medici hören.

 

Mittwoch, 26.9.2018
Florenz – Figline Valdarno, 45 km, insgesamt 3414 km
Wir brechen auf zu unserem nächsten großen Etappenziel: Rom. Dazwischen liegen gut 300 Kilometer Straßen, Wege, Flüsschen, Berge und Hügel.
Heute radeln wir zunächst das Arnotal entlang. Leider gibt es keinen „Arno-Radweg“. So müssen wir immer wieder fernab vom Arno über Hügelchen und Berge kraxeln. Doch manchmal geht es auch direkt am Arno entlang, gern auch Schotterweg, aber immerhin flach.

Zum Campingplatz in Figline Valdarno geht es die letzten 2 Kilometer rauf in die Berge. Dafür geht es von der Rezeption zu den Stellplätzen steil bergab. Wir freuen uns schon auf das Hochwuchten der Räder morgen.
Der Campingplatz ist edel, mit Swimmingpoollandschaft, Disco, Klettergarten und allem möglichen ausgestattet. Die Rezeption hat ein Kinder-Computer-Spiel-Terminal. Die Bedienung des Touch-Screen gestaltet sich etwas hakelig, aber Peter ist für die nächsten 1,5 Stunden glücklich. Ansonsten nutzen wir außer dem Supermarkt herzlich wenig von der Infrastruktur des Platzes, da das meiste schon geschlossen ist und der Pool zu kalt.
Den ganzen Tag über war es extrem windig. Das hat das Radeln nicht gerade erleichtert. Auch auf die Stimmung drückt der ewige Wind. Abends weht es immer noch. Wir krabbeln gern früh ins Zelt und kuscheln uns in die Schlafsäcke.

 

 

Der Apennin

Donnerstag, 20.9.2018
Ravenna
Weil es hier so nett ist, bleiben wir einfach noch einen Tag und machen nichts. Quasi Urlaub. Nun ja, Ketten und Schaltung reinigen, Catrins Mantel wechseln, Bremsbeläge überprüfen, mit Peter spielen, Einkaufen fahren, Tagebuch schreiben und bloggen. Aber auch am Pool liegen, plantschen, Tischkicker, Cappuccino trinken und lesen.

 

 

Am Vorabend ist ein belgisches Radlerpärchen im fortgeschrittenen Alter auf E-Bikes angekommen, die einem Radreiseführer Amsterdam – Rom folgen. Die Route ist interessant, führt aber weder über Florenz noch die Eurovelo 7 (Ciclopista del Sol) entlang. Ordentlich Höhenmeter sind dennoch dabei, da können wir auch über Florenz fahren.
Am Abend kommt Lena auf dem Rad an. Sie ist erst von München bis Trient gewandert, hatte dann eher Lust auf Radfahren, hat sich ein billiges Rad und Satteltaschen gekauft und ist zur Adria gefahren. Die Nacht zuvor war sie auf dem gleichen Campingplatz in Bosco Mesola wie wir. Im Gegensatz zu uns ist sie komplett der beschilderten Radroute nach Ravenna gefolgt, hat die SS309 damit vermieden und nochmals 10 km mehr als wir zurückgelegt. In Sachen Leichtgepäck kann man von ihr noch lernen – Leicht-Zelt, Mini-Kocher mit Mini-Kartusche und superleichtem Trink-Ess-Kochtopf. Wir essen zusammen zu Abend und schwatzen. Dazu eine Flasche Pagadebito vom Haus – eine weiße Rebe, die ich nie zuvor getrunken habe. Ausgeprägtes Rosinenaroma, eher halbtrocken. Gestern war es übrigens ein Trebbiano, der völlig anders schmeckte – trocken, mineralisch, mäßige Säure. Lt. Wikipedia soll Pagadebito und Trebbiano die gleiche Rebe sein, das mag ich nach der Verkostung kaum glauben.

 

 

Freitag, 21.9.2018
Ravenna – Brisighella, 58 km, insgesamt 3231 km
Wir fahren auf kleinen Sträßchen ohne Verkehr Richtung Westen. Hier wird Obst angebaut – Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Kirschen (natürlich längst geerntet), Kiwis (noch zu hart) und Wein, Wein, Wein, der häufig grade gelesen wird. Irgendwann zeigen sich weit entfernt im Dunst die Umrisse von Hügeln, bald ist Schluss mit Flachland. Wir fahren durch Faenza mit einem sehenswerten, arkadengesäumen, großen zentralen Platz. Die Kirche hat leider zu, wahrscheinlich Siesta. Mittlerweile hat zwischen 13 und 16 Uhr immer alles geschlossen, jedenfalls die kleinen Lädchen – und eben die Kirchen.


Nach Brisighella herein fahren wir schon leicht bergauf zwischen zwei Hügelketten entlang. Hier gibt es keinen Campingplatz, aber einen Wohnmobilstellplatz mit Wasserversorgung und Grüngelände drumherum. Wir schauen uns erst das Städtchen an und werden in der Touristeninfo sehr engagiert mit der Geschichte der Gegend bekannt gemacht. Das Gestein hier ist viel kristalliner Gips, der früher abgebaut und auf Eseln transportiert wurde. Sehenswert ist die mittelalterliche Häuserzeile, in der früher die Eselställe in den Untergeschossen waren.

Wir wandern zum Uhrenturm und zur Burg.

Als Beilage zum Abendessen kaufen wir uns Giuggiole, ein ortstypisches Obst. Von der Form her wie Pflaumen (incl. Kern), von der Farbe wie Kastanien, von der Konsistenz komplett mehlig. Geschmack – naja, aber im Abgang schmeckt’s nach Honig.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit schlagen wir unser Zelt am Rande des Stellplatzes auf, wir bleiben ungestört.
Neben uns ein witziger Mensch im Wohnmobil, dessen hüftkranke Frau wir nur von seinen Erzählungen kennenlernten, da sie den ganzen Abend da Wohnmobil nicht verließ. Er kommt wohl gebürtig aus Sachsen, wohnt aber nun irgendwo im Schwarzwald. Das Resultat: Ein sächsisch-badisches Sprachgemisch, das kaum zu verstehen ist. Sein bester Spruch: „Alt werden ist keine Kunst. Man wird es von selbst, wenn man so lange am Leben bleibt.“ Genauso wollen wir es fortan halten.

Samstag, 22.9.2018
Brisighella – San Piero a Sieve, 69 km, insgesamt 3300 km
Da wir „eigentlich“ (und auch uneigentlich) nicht wirklich an diesem Platz zelten dürfen, stehen wir früh auf, haben das Zelt schon um kurz nach sieben zusammengepackt und brechen nach dem Frühstück für unsere Verhältnisse sehr früh auf. Im Rückblick gesehen eine sehr weise Entscheidung. Vor uns liegen 44 km Steigung bis zum Passo della Colla di Casaglia auf 913 m Höhe. Da Brisighella auf knapp 100 m Höhe liegt, müssen also 800 Höhenmeter überwunden werden. Da die Straße auf dem Anstieg manchmal auch bergab geht, haben wir bis auf Passhöhe ca. 900 Höhenmeter überwunden. Wir folgen dafür der SR302. Ein wunderschönes Sträßchen quer durch den Appeninn. Dass der Verkehr sich in engen Grenzen hält, halten wir dem Wochenende zu Gute. Kaum LKW oder Lieferverkehr.

Stattdessen teilen wir uns die Straße mit Motorradfahrern und Rennradlern. Ein tolles Gefühl: Fast alle Rennradler feuern uns an, sprechen uns an, wo wir hinfahren, wo wir herkommen und das Highlight: Auf ca. 20 m relativ steiler Strecke schiebt mich ein Rennradler sogar an. Wir versuchen mit unseren paar Brocken Italienisch-Kenntnissen möglichst intelligent zu wirken. Auch viele Autofahrer hupen uns ermutigend zu und winken. Endlich auf Passhöhe angekommen, schaffen wir es kaum unsere Räder zwischen all den Motorrädern abzustellen. Wir trinken Kaffee und essen Panino. Peter bekommt in der Bar das dickste Marmeladenbrot seines Lebens. Er hat sich’s auch verdient. Klaglos sitzt er Kilometer um Kilometer auf seinem Sättelchen und hilft Papa mal mehr und mal weniger.
Nach dem langen Anstieg eine berauschende Abfahrt. Währenddessen merke ich, dass die Entscheidung, diese Straße von Ost nach West zu fahren die richtige Entscheidung war (nicht dass wir wirklich eine Wahl gehabt hätten…). Aber die nun folgenden 400 Höhenmeter Abstieg sind nach nur 10 km erledigt. Wir rauschen einige Serpentinen hinab und es ist streckenweise echt steil. Dann lieber auf 44 km weitgehend sacht bergauf.
In Borgo San Lorenzo, der ersten größeren Stadt, kauft Martin im Supermarkt für den Abend ein. Ich sitze nur relativ erschossen auf dem Parkplatz und zittere vor den letzten 6 Kilometern. Die Entscheidung, dass heute abend nicht mehr gekocht wird, ist schnell gefällt. Bier, Wein, Salat, Brot, Wurst und Käse sind absolut ausreichend. 6 km später sind wir am Campingplatz. Leider liegt es unglaublich idyllisch am Hang. Wir fluchen leise in uns rein und schieben keuchend die Räder bis zum Zeltplatz. Dafür entlohnt ein wunderschöner Sonnenuntergang mit tollem Abendrot.

Sonntag, 23.9.2018
San Piero a Sieve – Florenz, 42 km, insgesamt 3342 km
Nächste Etappe durch den Apennin. Heute muss noch einmal ein 518m hoher Pass überwunden werden.. Da wir uns aber noch auf gut 200 m befinden, dürfte das Ganze nicht ganz so happig werden. Außerdem hat Martin eine Strecke ausgesucht, die sanfter ansteigen soll als die Hauptstraße (SR302). Als wir 1,5 km saftig bergauf schieben müssen (bei ca. 18% Steigung) überdenken wir diese Alternative noch einmal. Doch nun ist es zu spät und schon eine knappe Dreiviertelstunde später haben wir auch diesen Knackpunkt geschafft. Der Rest der Strecke ist (als wir die SR302 erreicht haben) tatsächlich einigermaßen flach und vor allem sind wir im Gegensatz zu gestern bereits nach 10 km oben. Nun geht es sanft geschwungen runter. Wir folgen nicht weiter der SR302, sondern der SP54. Diese schmiegt sich sanft an den Hang und braust nicht allzu schnell ins Tal. Die Toskana zeigt sich von ihrer besten Seite und hat sich wunderschön herausgeputzt. Wir gurken relativ langsam die Straße herunter, da jede Kurve neue und bezaubernde Ausblicke liefert.

So radeln wir in das Dorf Fiesole hinein. Dort entdeckt Martin in einem Hinterhof eine Bar mit einem riesigen Balkon, der einen wunderbaren Ausblick auf die Landschaft bietet. Wir kehren dort ein und verbringen die nächsten zwei Stunden dort und können gar nicht genug von dem Ausblick bekommen.


Weiter durchs Dorf findet auf dem Hauptplatz ein Bio-ökologischer Markt statt. Dort probieren wir uns durch einen Milch und Joghurtstand, erstehen Vollkornbrot und leckere Tomaten.
Um die nächste Kurve bietet sich der Blick auf Florenz. Ein großes Häusermeer, das von der Kuppel des Doms dominiert wird.
Martin navigiert uns durch die Straßen durch Florenz zum Campingplatz direkt am Ufer des Arno. Auf dem Weg kommen wir an einem brennenden Auto vorbei. Die Feuerwehr kommt und löscht den Brand. Peter ist tief beeindruckt und erzählt noch abends von dem Erlebnis.
Der Campingplatz „Camping in Town“ ist sehr edel, hat einen tollen Pool, Supermarkt und exzellente sanitäre Anlagen. Dafür nimmt er aber auch einen entsprechenden Preis und dies mit Florenz-Aufschlag. Für das Hostel in Ljublana haben wir nicht wesentlich mehr bezahlt. 40,50€ pro Nacht ist bisheriger Campingplatz-Rekord auf unserer Tour.

Ravenna

Freitag, 14.9.2018
Punta Sabbioni – Sottomarina, 25 km, insgesamt 2963 km
Um die hässlichen Industrie- und Gewerbegebiete um Mestre herum zu umgehen, nehmen wir heute Richtung Chioggia lieber die Luftlinie, die aus den Inseln Lido de Venedig und Pellestrina besteht. Beides Inseln, die 10 km lang sind, dafür aber nur wenige hundert Meter breit.
Zum größten Teil gibt es dort einen ausgebauten Radweg. Die Eurovelo 8 führt hier auch entlang. Zwischen den Inseln verkehren Fähren. Spannend, dass zwischen Alberoni und Santa Maria del Mare eine Autofähre fährt, auf die auch der Linienbus incl. Passagiere fährt.

Es ist sehr dunstig, so dass wir die anderen Inseln nicht erkennen können. Von Pellestrina nach Chioggia wieder nur eine Personenfähre, die weitgehend leer ist. Mittags in Chioggia ist die Siesta voll im Gange und die Hauptstraße präsentiert sich in gähnender Leere. Ansonsten wirkt die Innenstadt wie Venedig, nur mit Autos. An der Drehbrücke nach Sottomarina ist ziemlich was los. Sie wird weggeschwenkt, dass zwei Schiffe durchfahren könen. Auf der Brücke der „Brücken-Steuermann“ und an den jeweiligen Straßenenden zwei Carabinieri, damit auch ja keiner während dieser Aktion auf die Brücke springt.

Am frühen Nachmittag kommen wir in Sottomarina an, wählen den letzten Campingplatz vor der großen Lagunenausfahrt und wundern uns über den leeren Strand und die zusammengeklappten Schirme. Blecherne Musik aus Lautsprechermasten und der große Spielplatz ohne ein einziges Kind verstärken den gespenstischen Eindruck. Die Nachsaison ist voll im Gange, der Campingplatz liegt auch in den letzten Zügen, hat nur noch eine Woche geöffnet, die Betreiber entsprechend lustlos. Ein paar Sainsoncamper graben ihre Wohnwagen aus und bauen die Vorzelte ab. Die Vorstellung, dass die gigantischen Sonnenschirmbatterien alle voll besetzt sein könnten, finden wir allerdings auch zum Fürchten.
Aber das Meer ist immer noch toll. Peter wühlt wieder im Sand und baut „Venedig“. Viele Sandhäufchen mit Wasser dazwischen.

 

Samstag, 15.9.2018
Sottomarina – Isola Albarella, 48 km, insgesamt 3011 km
In der Nacht stürmt es, ein Gewitter zieht auf und es plästert auf den sandigen Campingplatz. Wir haben unser Zelt glücklicherweise an einem windgeschützten Platz aufgestellt, nur an Peters Seite platschten die Tropfen so auf den Sand, dass alles bis ins Innenzelt hochspritzt und seine Seite ein wenig einfeuchtet. Morgens lässt der Regen nach. Peter kann nochmal am Strand spielen, dann machen wir uns auf den Weg. Auch hier gibt es einen Decathlon, in dem wir Peters zerfallende Sandalen ersetzen. Wir folgen weitgehend der Eurovelo 8. Ein Sträßchen führt etliche Kilometer durch das Podelta. Links Wasser, rechts Wasser mit Inselchen. Ein Paradies für Wasservögel. Gegenüber von Porto Levante soll lt. Google Maps ein Campingplatz sein, den es allerdings auf der Velomap (OSM) nicht gibt. Genaugenommen gibt es da nicht einmal Land, nur Wasser. Als wir dort ankommen, ist von Campingplatz weit und breit nichts zu sehen. Der nächste Platz wäre 33 km über die SS 309, auf der landschaftlich schönen Strecke eher 50 km weiter. Mit Hilfe von Google und nach einigen Telefonaten finden wir eine Frühstückspension auf der Isola Albarella wenige km weiter. Albarella enpuppt sich als ein abgesperrtes Edeldomizil. Man darf die Insel erst nach Anmeldung und Nachweis eines Übernachtungsplatzes betreten. Die Vermieterin hat uns entsprechend telefonisch angekündigt. Für Verwirrung sorgt, dass wir kein KFZ-Kennzeichen angeben können. Dafür wurden wir als „das sind die mit den Fahrrädern“ sofort bei der Anmeldung identifiziert.

Das Inselchen ist sauber wie geleckt, man bewegt sich auf Golfwägelchen voran und der breite Sandstrand ist vom feinsten. Wir haben den Eindruck, in den Kulissen der Truman-Show gelandet zu sein. Auch hier ist nicht mehr viel los nur der Mückengiftversprühwagen arbeitet noch fleißig. Die Vermieterin ist nett und wir wollen einen Strandtag einlegen, deswegen werden wir zwei Nächte bleiben.

 

Sonntag, 16.9.2018
Albarella, 13 km, insgesamt 3024 km
Frühstück gibt es erst ab 9 Uhr, daher lümmeln wir uns endlos lang in den Betten, lesen und hören IPod. Nach dem Frühstück ganz gemächlich an den riesigen Strand. Sand wühlen, Wasser planschen, Schatten suchen, picknicken.

Mittags schwingen wir uns auf die Fahrräder uns machen uns auf zu einer Inselumrundung. Am nördlichsten Zipfel der Insel können wir quasi auf das nächste Eiland (Halbinsel Rosolina Mare) rüberspucken, doch eine Fährverbindung gibt es nicht. Albarella könnte ja von unlegitimierten Menschen überrollt werden.

Nach 10 km kommen wir am Spielplatz mit Vogelvoliere im Zentrum der Insel an. Peter schaut und spielt vergnügt. Danach ins Eiscafe. Wir treffen unsere Zimmernachbarn dort und plaudern angeregt. So geht der Nachmittag vorbei.
Abends noch Pizzeria. Auch dort treffen wir unsere Zimmernachbarn wieder. Die Insel ist also überschaubar.

Montag, 17.9.2018
Albarella – Bosco Mesola, 55 km, insgesamt 3079 km
Wir brechen aus dem „Urlaubsparadies“ auf und setzen mit der Fähre über den Po di Levante nach Porto Levante über. Was sich jetzt so leicht anhört, gestaltet sich etwas kompliziert. Schon vor dem Frühstück kontaktiert unsere freundliche Vermieterin den Fährmann und informiert ihn, dass wir um 10 Uhr kommen werden und er uns übersetzen kann. Als wir um 10 Uhr am Anleger stehen, kommt zunächst ein Schlauchboot an. Wir sind leicht entsetzt. Aber das holt nur jemand anderen ab, der da auch steht. Ansonsten ist da – nichts. Wir rufen wieder den Fährmann an und er sagt: „Uno Momento!“ Kurz später sehen wir, wie eine kleine Fähre sich vom gegenüberliegenden Ufer entfernt und auf uns zufährt. Genaugenommen wirkt sie wie zwei Ruderboote, auf die ein großes Brett mit Reling geschraubt ist, auf dem wir nun stehen und uns rüberfahren lassen. Ein tolles Abenteuer. Vermutlich kam der letzte Fahrgast vor Wochen vorbei.

Wir fahren durch das Podelta. Überall um uns schwimmen, waten, fliegen Vögel. Wahrscheinlich ein großer Artenreichtum. Leider können wir nur Reiher und Kormorane bestimmen. Alles andere sind in unseren Augen nur „Möwen“. Einmal fliegen (glaub ich) 6 Flamingos flach über uns hinweg. Nach 30 km überqueren wir einen wirklich breiten Fluss. Dies ist wohl der Haupt-Po, der „Po di Venezia“. Später überqueren wir noch weitere Po’s.

In Ca‘ Tiepolo Pause in einer Bar. Alles herrlich verschlafen hier. Wir teilen uns die Tischchen mit 3 bis 5 Einheimischen.
In Bosco Mesola ist im Navi ein Campingplatzsymbol verzeichnet. Es entpuppt sich als Stellplatz, der zur Zeit nicht wirklich bewirtschaftet scheint. Aber das Tor steht offen, die sanitären Anlagen und die Steckdosen dort funktionieren. Wir stellen unser Zelt auf und sind zufrieden mit der vorhandenen Infrastruktur. Spät am Nachmittag erscheint tatsächlich jemand und kassiert 10€ für die Nacht. Mücken sind gratis. Wir haben den Platz für uns alleine.

 

Dienstag, 18.9.2018
Bosco Mesola – Ravenna, 76 km, insgesamt 3155 km
Wir finden eine Radwegbeschilderung FE30 nach Ravenna, der wir folgen. Es geht durch Pinienwäldchen an der Küste entlang, teilweise schmale Sandwege.

Dann kommen wir durch diverse Lido-de-irgendwas. Vor vielen Geschäften sind die Rolläden geschlossen, Ferienwohnungen wirken verwaist. Wir haben ein wenig das Gefühl, durch Geisterstädte zu fahren. Bei bestem Sommerwetter ohne Regen scheint kein Mensch mehr an der Adria Urlaub machen zu wollen. Schließlich müssen wir mangels Alternativen ein paar Kilometer auf der SS309 fahren. Das ist recht unangenehm, weil laufend schwere LKW an uns vorüberrauschen. Es scheint sich um eine Hauptverkehrsachse zu handeln.

 

Immerhin gibt es einen schmalen Seitenstreifen. Später können wir wieder an der Küste entlangfahren, vorbei an einigen geschlossenen Campingplätzen und Feriensiedlungen. Nach Ravenna herein kommen wir erst durch ein Industriehafengebiet und weiter durch fette Gewerbegebiete mit entsprechendem Verkehr. Schließlich landen wir auf dem Bio Agritourismo in Classe nahe bei Ravenna (bio-camping.it). Freundliche Begrüßung, schöner kleiner Platz, sogar ein Pool ist da, das frische Gemüse aus dem eigenen Garten wird für kleines Geld verkauft.

Mittwoch, 19.9.2018
Ravenna, 18 km
Ravenna ist berühmt für seine frühchristlichen Kirchen, die mit Mosaiken geschmückt sind. Davon schauen wir uns einige an. Außerdem hat Dante hier seine göttliche Kommödie geschrieben und sein Grab ist hier zu sehen. Lord Byron war übrigens auch hier, aber danach. Wir bestaunen die Mosaiken aus einer Zeit, in der die Germanen noch auf den Bäumen gehaust haben.

 

Zum Abschluss noch zur Basilika Sant Apollinare in Classe in der Nähe von unserem Campingplatz. Der werden im Baedeker immerhin 4 Seiten gewidmet, muss also toll sein. Die Kirche ist aus dem 6. Jhd., der Turm aus dem 11. Ich würde nur gerne wissen, was tatsächlich original aus der Zeit ist und was in späteren Jahrhunderten ersetzt, verändert oder umgebaut wurde.

 

Venedig

Dienstag, 11.9.2018
Venedig
Wir fahren morgens mit der Fähre nach Venedig. Dafür kaufen wir das 72 Stunden Vaporetto-Ticket und können die folgenden drei Tage nach Lust und Laune Bötchen fahren.
Wir nehmen zunächst an einer „Free Walking Tour“ durch das südliche Venedig (Dorsoduro) teil. Wir hören erquickliche Geschichten über einige Palazzi und bekommen Tipps für Eis und Bars. Bis zum Nachmittag lassen wir uns durch Venedig treiben (ja, auch mit Vaporetto). Dann holen wir Caro und Jojo an der Piazza Roma ab. Wir steuern mit ihnen die nächste Bar an und genießen erst mal einen Spritz. Danach essen gehen in einem eher zweifelhaften Ristorante. Zum Nachtisch noch eine Bar gegenüber der Gondelmanufaktur in Dorsoduro, die wir am Morgen kennengelernt haben.
Bis wir wieder am Campingplatz in Punta Sabbioni ankommen, ist es dunkel. Aber das Tarp für die Mädels ist schnell zwischen den Bäumen aufgespannt.

Mittwoch, 12.9.2018
Venedig
Wir erfüllen Johannas Traum und fahren nach Murano zu den Glasbläsern. Die hübschen bunten Häuser von Burano betrachten und fotografieren wir vom Schiff aus. In Murano trinken wir einen Kaffee und sind von den Preisen für eine Glasbläser-Präsentation abgeschreckt. Daher schauen wir nur so weit es geht in die Werkstätten, betrachten ein Kirchlein von innen und setzen dann nach Venedig über.
Mit dem Vaporetto durchqueren wir mit 200 weiteren Menschen den Canal Grande und bestaunen die Fronten der Palazzi. Mittags kaufen wir uns Brot, Käse, Wurst und Oliven und sitzen an einem Kanal und staunen, wie geschickt die Gondoliere die Gondeln um die engen Kurven manövrieren.
Einige hübsche Campi und Bars später fahren wir (schon wieder im Dunkeln) zurück zum Campingplatz und lassen bei Bier und Wein den Tag ausklingen.

Donnerstag, 13.9.2018
Morgens erfüllen wir Caros Wunsch und laufen ans Meer. Der Strand ist erstaunlich groß, weit und leer. Das Wasser schön klar und hat hübsche Wellen. Caro quietscht, als sie die vielen Krabben entdeckt, die sich durchs Wasser bewegen. Johanna zieht es vor, es sich am Strand auf der Decke bequem zu machen und Peter wühlt glücklich im Sand.
Am späten Vormittag geht es wieder nach Venedig. Diesmal nehmen die Mädels ihr Gepäck mit, da sie am frühen Abend wieder nach Frankfurt fliegen. Zunächst kreuz und quer durch Castello und San Marco. Richtung Markusdom werden die Gassen immer enger, dafür aber immer voller. So extrem haben wir es vom Venedigbesuch letztes Jahr nicht in Erinnerung. Auf dem Markusplatz knubbeln sich die Menschenmassen. Vor dem Dom hat sich natürlich schon eine lange Schlange gebildet. Wir entdecken die Schilder, dass man nicht mit Gepäck rein darf und sehen, wie die Aufpasser alle Leute mit Rucksäcken (auch kleine oder Fototaschen) aus der Schlange herauspicken und zur Gepäckaufbewahrung schicken. Umso ärgerlicher, wenn sie schon eine Stunde in der Schlange standen und sich nun neu anstellen dürfen. Wir beschließen, dass es den Dom gewiss noch länger geben wird und dies nicht unser letzter Venedigbesuch sein wird und verschieben die Dombesichtigung auf ein anderes Mal. Lieber noch mal zur Gondelmanufaktur und Spritz trinken. Auf dem Weg noch in Kirchen, die keinen Eintritt kosten. Erstaunlich: In irgendwelchen engen Gässchen steht eine enge Tür offen, man geht hinein und befindet sich in einem überraschend großen Kirchenraum. Alles natürlich vollgestopft mit Kunstschätzen, von denen eine normale Feld-Wald-und-Wiesen-Kirche in Deutschland nur träumen kann. In Venedig gibt es über 200 Kirchen und wir fragen uns, wie die wohl organisiert sind. Wer kümmert sich um die Pflege all dieser Kunstschätze? Wie groß sind die pastoralen Räume oder Großgemeinden? Wie viele Menschen besuchen überhaupt die Gottesdienste und Messen in dieser Masse von Kirchen? Wie viele Pfarrer mag es wohl in Venedig geben?
Über den Campo Santa Margherita incl. Cafe schlendern wir zur Piazza Roma und verabschieden uns von Caro und Jojo. Schade, die Zeit ging viel zu schnell um.
Dafür steigen wir zu dritt in das Vaporetto ein, das über den Canal Grande zum Markusplatz fährt. Da das Vaporetto hier eingesetzt wird, ist es leer, als es ankommt und wir bekommen die Premiumplätze direkt vorne am Bug. Bei untergehender Sonne „gondeln“ wir zum Markusplatz und kommen – natürlich – erst im Dunkeln am Campingplatz an, wo wir im Schein unserer Taschenlampen Obst und Gemüse vom Campingplatzbetreiber zu Abend essen.

Aaaadria

Freitag, 7.9.2018
Triest – Grado, 47 km, insgesamt 2781 km
Erster Halt bereits 2 km nach dem Campingplatz bei einer kleinen Ansammlung von Geschäften – ein Laden für Sportbekleidung, ein Fahrradgeschäft, ein Lebensmittelladen und ein Cafe. Super Kombination. Da ich heute morgen festgestellt habe, dass sich die Sohle von meinen Sandalen löst und diese generell ziemlich aufgelöst aussehen (trotz Notklebung mit Uhu vom Herrn mit dem Wohnmobil neben uns in Maribor), kaufen wir spontan ein neues Paar Sandalen und lassen die alten gleich im Laden. Im Radladen bekommen wir zwei Paar Bremsklötze für Catrins Magura, weil die schon ziemlich runtergebremst sind. Und im Lebensmittelladen versorgen wir uns für den Tag. Die nächsten 18 Kilometer geht es mehr oder weniger stetig bergab – von 377 hm wieder bis zur Küste. Zwischenzeitlich nieselt es leicht bis mäßig. Wir kommen durch das Dorf Prosecco, dem Namensgeber des Weines, das bis 2009 die Bezeichung einer Rebsorte und seit 2010 eine Herkunftsbezeichnung ist.

 

Wir trinken hier allerdings keinen. Nach einer Pause an einem Straßencafe ist Catrins Hinterrad wieder platt. Diesmal ist der Verursacher ein Glassplitter, den wir wahrscheinlich schon vor einigen Tagen aufgesammelt haben. Ich wechsle den Schlauch. Der Mantel sieht mittlerweile ziemlich mitgenommen aus und muss bald erneuert werden. Passenderweise macht der Regen eine Pause. Wir fahren weiter die Landstraße bis kurz vor Grado zum Campingplatz „Al Bosco“. Unterwegs kommen wir an zwei anderen Camps vorbei, die mit imposanter Einfahrt und Beflaggung teuer aussehen. Passenderweise hört der Regen auf und die Sonne erscheint. Peter findet Spielkameraden bei einer Familie aus Bayern, die mit 4 Söhnen hier sind. Das Meer ist hier eine eher schlammige Angelegenheit, aber im Strand davor kann man Burgen bauen! Abends bei Vino und Mücken an der Freiluftbar. Man spricht deutsch, mit deutlich österreichischem Einschlag.

 

Samstag, 8.9.2018
Grado – Lignano, 50 km, insgesamt 2831 km
Grado soll lt. Reiseführer ein malerisches Ficherdörfchen sein – habe ich wahrscheinlich falsch verstanden, der Tourismus boomt und ich glaube nicht, dass hier jemand mit Fischen sein Geld verdienen will. Nett aussehen tut es jedenfalls.

 

Interessant ist die Kirche, nix mehr mit Barock, sondern schlichte Basilika mit Mosaikfußboden und Freskenresten.

 

Über einen langen Damm geht es aufs Festland. In Aquileia schauen wir uns die ziemlich alte Basilika an: Erhalten sind große Teile des Mosaikfußbodens aus dem 4. Jhd. Zu sehen ist auch der Boden eines römischen Hauses aus dem 1. Jhd. Und auf den Turm kann man auch. Der ist vergleichsweise neu – 11. Jhd.

 

Dann fahren wir durch eine ziemlich flache Landschaft zügig nach Marano Lagunare, wo wir ein Schiff nach Lignano nehmen wollen. Lt. Internet fährt das Boot zu jeder graden Stunde. Wir erreichen die Anlegestelle passend um 15:45. Allerdings informiert ein Schild, dass die nächste Abfahrt erst um 18:00 Uhr ist. Also genügend Zeit für ein, zwei Friulano (ist das gleiche wie Tokajer, ein fruchtiger Weißwein, trocken ausgebaut gar nicht schlecht).

Auf dem Boot nähern wir uns Lignano, dicht bebaut mit Hotels, Appartements, Restaurants und Läden. Wir landen in einem touristischem Hot Spot. Noch 3 km, dann sind wir auf dem Camping Sabbiadoro, ein großes Teil mit Kinderanimation und sauberen Sanitäranlagen. Egal, es ist 19:00 Uhr und wir wollen nicht mehr weiter.

Sonntag, 9.9.2018
Lignano – Caorle, 59 km, insgesamt 2890 km
Wir machen uns auf den Weg ins Luftlinie 15 km entfernte Caorle. Leider liegt die Lagunenlandschaft dazwischen, sodass es kilometermäßig doch länger wird. Wir folgen grob der Eurovelo 8 zunächst durch das Mündungsgebiet des Tagliamento bis Latisana. Zwischendurch kommen wir an einer Schwenkbrücke vorbei, die gerade für Schiffe geöffnet ist. Am aushängenden Plan sehen wir dass sie aber in 15 Minuten für Radfahrer und Fußgänger aufschwenkt. Diese paar Minuten warten wir gern ab, um über den Kanal zu kommen.

 

In San Michele kurze Eis- und Kaffeepause. Dann geht es weiter durch das Lagunengebiet. Die Landschaft präsentiert sich platt wie ein Pfannkuchen. Nach den Bergen in Slowenien sind wir anderes gewöhnt. Der Anblick gestaltet sich relativ eintönig. So machen wir nur ein paar Trinkpausen und kommen am frühen Nachmittag in Caorle am Campingplatz an. Prima: er liegt direkt am Meer und hat Strandzugang. Und die Liegen brauchen wir auch nicht bezahlen. Wir genießen den Restnachmittag mit faulem Strandleben. Peter pladdert im Wasser und wühlt im Sand. Die Eltern liegen entspannt auf der Liege und lesen.
Abends Pizza in einem für einen Touristenort guten Ristorante mit aufmerksamem Personal.

 

 

Montag, 10.9.2018
Caorle – Punta Sabbioni, 48 km, insgesamt 2938 km
Wir fahren die Landzunge entlang. Nach zwei km stoppt uns ein Wasserlauf, glücklicherweise geht eine Fähre hinüber.

 

Vor Lido di Jesolo trinken wir einen Cappuccino an einem malerischen Fleckchen, Fischerboote, Pinien.

 

Anschließend wird es etwas gruselig – kilometerweit ziehen sich Hotels, Restaurants, Appartments, Bars und Touristenläden mit Aufblastieren dahin. Jetzt in der Nachsaison nur dünn belebt, verstärkt es den seltsamen Eindruck. Kennt jemand Loriots „Schau mal, Mutti, ein Esel“? Irgendwann lassen wir auch diesen Urlaubsort hinter uns und wir fahren auf der Lagunenseite eine wenig befahrene Straße direkt am Wasser entlang bis Punta Sabbioni – hier ist die Halbinsel zu Ende und es geht nur noch mit dem Boot weiter, vorzugsweise nebenan nach Venedig.

 

Wir quartieren uns auf dem kleinen Campingplatz Al Batéo in der Nähe des Fähranlegers ein und verbringen den Nachmittag mit Wäschewaschen, Radpflege und anderen unwichtigen Dingen mehr. Ich fahre in den 5 km entfernten Supermarkt und kaufe ein. Morgen haben sich unsere Töchter Carolin und Johanna für einen Kurzbesuch angekündigt. Wir werden die nächsten Tage hier bleiben und uns Venedig ansehen.

Triest

Montag, 3.9.2018
Ljubljana – Postojna, 58 km , gesamt 2644 km
Es nieselt morgens, das haben wir eigentlich anders geplant. Die ersten 20 km geht es noch entlang von straßenbegleitenden Radwegen – nun ja, was hier so Radweg genannt wird, streckenweise war es ein geschotteter Seitenstreifen auf der linken Straßenseite. In Vrhnika (Oberleibach ist einfacher auszusprechen) platzt eine Grundschule und ein Strom von Erstklässlern gemeinsam mit den stolzen Eltern ergießt sich vor uns auf dem Bürgersteig. Schultüten gibt’s hier nicht und auch der Ranzen scheint am ersten Schultag zu Hause zu bleiben. Stattdessen sind alle Kinder vorbildlich mit Warnwesten ausgestattet und die Eltern schleppen Kartons mit Schulbüchern (so sieht es zumindest aus) aus der Schule raus. Wir setzen uns in ein Cafe neben weitere „Einschulungsfamilien“, anschließend hat der Regen Pause, hurra! Wir fahren in die Berge mit entsprechenden Steigungen und betrachten die dunklen Wolken mit gemischten Gefühlen.

 

 

In Planina folgen wir einem Schild zu einer Tropfsteinhöhle. Keine Parkplätze für Touristen, keine breite Zufahrt – schließlich finden wir einen gähnenden Höhleneingang, aus dem ein Flüsslein rauscht.

 

 

Mit Taschenlampen bewaffnet ziehen wir durch eine beeindruckend große Höhle los. Leider wird unser Forscherdrang nach ein paar Dutzend Metern von einem verschlossenen Gitter gebremst. Die Höhle kann nur mit einem Führer besichtigt werden. Wie wir später lesen, handelt es sich um einen großen See unter Wasser, hier braucht man nicht nur einen Führer, sondern auch ein Boot. Wir picknicken im Höhleneingang und entgehen dem wieder einsetzenden Regen. Peter ist die Höhle unheimlich, er sieht Höhlenbären in der Dunkelheit. Irgendwann müssen wir doch weiter, über die nächste Anhöhe. Als wir in Postojna ankommen, sind wir so durchnässt, das wir uns von der Touristeninfo das nächstbeste Hotelzimmer vermitteln lassen. Schade eigentlich, wir verpassen den Campingplatz, auf dessen Gelände eine kleine Tropfsteinhöhle sein soll.

 

Dienstag, 4.9.2018
Postojna
Morgens Nebel, mal ein ganz ungewohntes Wetter. Wir laufen zur Tropfsteinhöhle und sind wie letztes Jahr beeindruckt: Auf Schienen fährt ein Bähnchen 2 km in den Berg hinein, wir queren mehrere Höhlen, von denen jede einzelne in Deutschland eine Touristenattraktion wäre.

 

Dann geht es auf einen 1,5 km langen Rundgang durch prächtige Höhlen mit wunderbaren Tropfsteinformationen. Wir kennen die Höhle schon vom letztjährigen Sommerurlaub, sie ist aber auch beim zweiten Besuch beeindruckend.

 

Am Nachmittag gehen wir ins „Karst-Museum“. Eine gut gemachte Ausstellung über die Entstehung des Kalksteingebirges, den Höhlen und dem Leben darin und darüber.
Seit Mittag hat sich die Sonne durchgesetzt. Wir sitzen abends auf dem zentralen Platz in Postojna und genießen die Abwesenheit von Regen.

Mittwoch, 5.9.2018
Postojna – Osp, 61 km, insgesamt 2705 km
Nachdem der Morgennebel sich gehoben hat, kommt ein wunderschöner Tag mit Sonne. Wir folgen heute dem Track, der in der Karte (OSM) als Eurovelo 9 markiert ist. Meist kleine Nebenstraßen, aber auch Schotterwege und ein schmaler Waldweg. Dementsprechend mehr auf und ab.

 

Wir kommen durch Betanja nach Skocjan mit der Doline, durch die die Reka fließt. Die Höhle haben wir uns letztes Jahr im Urlaub angesehen. Jetzt stehen wir oben am Rand der Doline bei Sonnenschein, zwischen Schmetterlingen und wildem Thymian.

 

 

 

 

In einem Gebäude sind Fotos von der Höhle ausgestellt, in einer restaurierten Scheune ist eine Austellung über die Getreideernte in früheren Jahren. Kaum Touristen, alles sehr beschaulich. Auf dem weiteren Weg kommen wir über ein Hochplateau und haben schließlich einen weiten Blick aus hundert Metern Höhe bis zur Küste und dem Meer. Adria in Sicht! Über das Tal schwingt sich im kühnen Bogen die Autobahn.

 

Mit halsbrecherischem Gefälle geht es ins Tal hinab, die letzten 6 km bis zum Campingplatz müssen wir kaum noch in die Pedale treten. Stattdessen sorgen wir uns um unsere Bremsen. Der Campingplatz in Osp ist eine Wiese neben einer Bar, deren Betreiber ein Deutschsprachiger ist. Wir zelten mit Panoramablick auf den Steilhang. Das Zelt vermittelt nach 5 Nächten in geschlossenen Zimmern ein Gefühl wie zu Hause. Endlich wieder im Zelt schlafen!

 

 

 

 

Donnerstag, 6.9.2018

Osp – Camping Pian del Grisa bei Triest, 29 km, insgesamt 2734 km
Erstes Ziel ist Noghere, wo ein Decathlon ist – meine Regenjacke hat sich als wenig tauglich erwiesen und ich hätte gerne Ersatz. Nach 2 km überqueren wir die Grenze nach Italien – auch hier keine Pauken und Trompeten, sondern nur ein verschmiertes Grenzschild. Das erste Auto, das uns entgegenkommt, hat ein Hamburger Kennzeichen.

 

Den Decathlon finden wir in einem riesigen Einkaufszentrum, dessen Zugang anscheinend ausschließlich durch eine große Tiefgarage führt.

 

Ob die neue Jacke ihren Zweck erfüllt, werden wir erst beim nächsten Regen erfahren. Heute ist das Wetter sonnig und ein paar Grad wärmer als die letzten Tage in Slowenien. Weiter durch rauschenden Verkehr bis Triest hinein. Im Zentrum sind die Straßen rechtwinklig angelegt, gesäumt von mehrstöckigen Palazzi, mal mehr, mal weniger hübsch.

 

 

Wo laut Plan eine Touristeninfo sein soll, ist nur ein leeres, im Umbau befindliches Gebäude. Dann suchen wir das Eisenbahnmuseum im ehemaligen Bahnhof. Das ist leider seit Sommer 2017 geschlossen wegen Renovierung. Renovierungsbedürftig sieht das Gebäude auch aus, aktiv daran gearbeitet wird aber wohl eher nicht. Ok, dann gehen wir halt ins Meeresmuseum. Dort finden wir heraus, das es leider nur von 9 bis 13 Uhr geöffnet hat, und da sind wir zu spät dran. Letzter Versuch: Aquarium. Das hat tatsächlich geöffnet und präsentiert die Meeresfauna aus dem Golf von Triest. Am Nachmittag machen wir uns auf den Weg zum Campingplatz. Es sollen nur wenige Kilometer sein, allerdings liegt der Campingplatz oben auf den Triest umschließenden Hängen. Das Sträßchen steigt steil an, wir können auch schiebend die Räder mit Gepäck kaum hinaufwuchten. Eine Dame spricht uns an und sagt, dass es die nächsten 2 km steil bergauf geht. Anscheinend wirken wir entsprechend hilfsbedürftig, sie bietet uns an, unser Gepäck hinaufzufahren. Das Angebot nehmen wir dankend an. Dann schiebe ich mein Rad mit Peters Rad angekoppelt ohne Gepäck den Berg hinauf, was anstrengend genug ist. Catrin, Peter und Gepäck werden zum Campingplatz hochgefahren. Auf dem Rückweg sammelt die Dame mich wieder ein, Catrin schiebt den Rest hinauf und ich beginne erneut den Anstieg mit Catrins Rad.

 

Peter bleibt unterdessen beim Gepäck am Campingplatz. Schließlich sind wir oben mit Rädern und Gepäck. Ich verifiziere: Nach einer Strecke von ca. 1,8 km zeigt das Navi 344 Höhenmeter – das sind im Durchschnitt 19% Steigung. Oben steht ein Schild und warnt vor 23% Gefälle. Großen Dank an die spontane Hilfsbereitschaft!

 

Als Andenken habe ich mir eine dicke Blase am Fuß gelaufen. Sandalen sind halt keine Bergschuhe.