Endspurt nach Sizilien

Mittwoch, 24.10.2018
Scalea – Paola, 62 km, 4430 km insgesamt.
Wir folgen der SS18 weiter nach Süden und weichen nach Möglichkeit auf Parallelstraßen aus, weil die SS18 hier viel befahren ist und des öfteren durch Tunnel führt. Bei km 4390 habe ich (Martin) meinen ersten Platten: Verursacher ist ein stabiler Pflanzendorn, der das Vorderrad durchbohrt hat. Das ist schnell geflickt. Die Orte die Küste entlang sind keine reinen Ferienorte mehr und deswegen belebter. Bei Marina de Belvedere kommen wir durch einen Markt, hier wird vor allem Kleidung verkauft. Das Dorf hat eine hübsche Strandpromenade, dekoriert mit bunten Mäuerchen und alten Fahrrädern.


Die Strecke gestaltet sich weitgehend flach. Nur die zwei Male, wo wir zurück auf die SS18 müssen, geht es steil den Berg hoch.

Nach einer letzten Steigung erreichen wir unser bescheidenes Appartement „Villa Rosa“ dicht an der SS18. Wir sitzen draußen und können vom Hügel herab das Meer sehen, bis die Sonne leider viel zu früh untergeht.

Im „Lonly Planet“ ist Paola als Städtchen beschrieben, in dem die Italiener im Trainingsanzug an der Straßenecke stehen. Wir sehen daher von einer Besichtigung ab, planen den weiteren Weg und stellen fest, dass wir eigentlich in 4 Tagen in Messina auf Sizilien sein müssten. Es sind nur noch ein paar Berge zu überwinden. Schauen wir mal.

 

Donnerstag, 25.10.2018
Paola – Lamezia Golfo, 68 km, insgesamt 4498 km
Weiter geht es die SS18, diesmal gibt es kaum Möglichkeiten, auf Parallelstraßen auszuweichen. Immerhin ist die heutige Etappe außer der Anhöhe zu Beginn in Paola ziemlich flach. Auf der Suche nach einem Cafe für die Vormittagspause werden wir im Dörfchen Pezzalonga fündig, ein paar Häuser, eingeklemmt zwischen Bahnlinie und SS18. Nach Campora San Giovanni führt die Straße kilometerweit schnurgrade durchs Land, zusammen mit dem Verkehr eingeklemmt zwischen den Leitplanken fühlen wir uns etwas unwohl. Irgendwann kommt uns tatsächlich ein Reiseradler entgegen und hält für ein Schwätzchen. Frank hat in Nürnberg einen Radladen und ist auf dem Rückweg aus Sizilien.
Unser Appartement „Villagio Lamezia Golfo“ entpuppt sich als gespenstisch leere Appartementanlage neben dem Flughafen Lamezia Terme, auf dem tatsächlich ein paar wenige Verkehrsflugzeuge starten und landen. In der leicht gammeligen Anlage bekommen wir 2 Zimmer mit Bad, Küche und Riesenbalkon für 24€, da haben wir auf einigen Campingplätzen mehr bezahlt.

Nachmittags gehen wir zum nahen, ziemlich leeren Strand und bleiben bis zum wieder einmal schönen Sonnenuntergang am Meer. Neben der untergehenden Sonne im Westen erscheint in der Ferne eine Insel – das müsste Stromboli sein.

 

Freitag, 26.10.2018
Lamezia Golfo – Mileto, 49 km, insgesamt 4547 km
Zum Frühstück finden wir uns in der uns am Vortag genannten „Bar“ auf der Appartementanlage ein, dort ist allerdings alles geschlossen und niemand zu sehen. Wir treiben einen Hausmeister auf, der uns mit Cappuccino, Birnensaft und in Plastik eingeschweißten Hörnchen versorgt.

Dann geht es weiter, immer noch auf der SS18. Auf dem Weg dahin müssen wir eine zugemüllte, abgesperrte Brücke überwinden.

Erstes Zwischenziel ist Pizzo, das Städtchen liegt auf einer Klippe über dem Meer. Hier soll in den 50er Jahren das Tartufo-Eis erfunden worden sein – eine gefüllte Eiskugel in irgendwas gerollt, in diversen Sorten. Am Platz im Stadtzentrum gibt es ein knappes Dutzend Eisdielen, die um Gäste wetteifern. Ok, dann müssen wir wohl Tartufo probieren und unterhalten uns währenddessen mit einem älteren Ehepaar aus Reutlingen, das 30 Tage hier in Süditalien verbringt.


Hinter Pizzo geht es bis Vibo Valenzia hinauf auf über 500 Meter und anschließend wieder ein Stück hinab bis Mileto. Dort haben wir etwas Mühe, unser B&B „Normanno“ zu kontaktieren. Die lt. Booking.com vorhandene Kochgelegenheit gibt es leider nicht, dafür versorgt uns der Vermieter mit gerösteten Pizzabrotresten vom Vortag. Der Ort besteht aus ein paar gitterförmig angeordneten Straßen und bietet quasi nichts Sehenswertes außer einer bemerkenswerten Häufung von älteren, zerkratzten kleinen Fiat-Modellen auf den Straßen. Wir kommen uns als ausländische Touristen etwas seltsam vor. In einer Bar bekommen wir zum Spritz außer den oftmals üblichen Chips und Nüsschen auch noch einen Teller mit frittierten Häppchen und Broten dazu, damit hat sich das Abendessen schon erledigt.

 

Samstag, 27.10.2018
Mileto – Sant’Elia di Palmi, 44 km, insgesamt 4591 km
Die ersten 13 km geht es abwärts, der aufmerksame Leser ahnt es bereits: Die SS18 entlang. In den Tälern hängen morgendliche Nebelfetzen, wir fahren durch Oliven- und Orangenhaine. Wir fahren durch Rosarno und Gioia Tauro, die miteinander um den Preis der hässlichsten Stadt auf unserem Weg wetteifern. Bröckelnder Putz, roher Beton, die Straße ein Flickwerk von Schlaglöchern, Müll und natürlich viel Stadtverkehr.

Nicht zum ersten Mal sehen wir viele dunkelhäutige junge Männer, die entweder an Straßenkreuzungen stehen und auf irgendwas warten oder auf klapprigen Rädern irgendwohin fahren. Vielleicht Flüchtlinge, die sich als Tagelöhner verdingen?
Vor Palmi geht es wieder aufwärts. Wir passieren Palmi und fahren schwitzend auf über 500 Meter hinauf bis auf den Monte Sant’Elia. Dort oben gibt es den Villagio Camping Sant Elia. Zuvor haben wir angerufen und uns vergewissert, das er geöffnet hat. Als wir dort ankommen, werden wir von einem jungen Mann in Empfang genommen, der uns eine Ecke für das Zelt zuweist und auf den Waschraum zeigt. Irritierenderweise wirkt alles tot und leer, hier scheint niemand anders zu sein. Der Waschraum ist zugeräumt und von Spinnweben durchsetzt. Catrin fragt nochmal nach, worauf ein anderer Herr uns erklärt, hier sei geschlossen und wir sollten am besten weiterfahren. Darauf haben wir nicht so recht Lust und nach einigem hin- und her dürfen wir für eine Nacht bleiben. Es gibt Wasser, damit ist die Mindestbedingung fürs Zelten erfüllt. Einige Zeit später zeigt uns der Herr noch ein Klo und eine Dusche, zugänglich, funktionierend und sogar warm. Offensichtlich sahen wir mitleiderweckend genug aus.


Wir laufen zum Aussichtspunkt am Monte Sant Elia und und erblicken Sizilien!

Es gibt sogar ein Restaurant, das geöffnet hat. Wir trinken ein Bier und bleiben die einzigen Gäste. Abends auf dem Campingplatz erwacht das Restaurant dort unerwartet zum Leben. Ab 21:00 Uhr strömen die Gäste, parken vor unserem Zelt und lärmen munter herum.

 

Sonntag, 28.10.2018
Sant’Elia die Palmi – Messina, 46 km, insgesamt 4637 km
Nachts und morgens leichter Regen, auch die Vorhersage für die nächsten Tage ist eher nass.

Wir ignorieren die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit und stehen bei Sonnenaufgang auf. Bezahlen müssen wir nichts, sehr nett. Die nächsten 15 km geht es abwärts. Wir machen Stopp in Scilla, wo schon Odysseus auf seiner Heimkehr die Wahl zwischen Scilla (dem menschenfressenden Seeungeheuer) und Charybdis (dem schifferversenkenden Mahlstrom) hatte.

Mittlerweile bläst uns nicht nur gelegentlicher Regen, sondern auch der Scirocco heftig aus Süd entgegen. Der ist immerhin warm. In Villa San Giovanni verlassen wir endlich ungefähr bei km 510 die SS18 und fahren zum Fähranleger. Unkompliziert erstehen wir Fahrkarten für uns und die Räder (3€ pro Person incl. Rad), reihen uns in die Autoschlange auf die Fähre ein, schieben die Räder in den Bauch der großen Autofähre und schon legt die Fähre ab.

Der recht hohe Seegang macht den Aufenthalt zu einem Erlebnis, teilweise wird das große Schiff von mächtigen Brechern eingenebelt. Sizilien empfängt uns wolkenverhangen.

Unsere Reiseführer listen für Messina lediglich den Dom und eine weitere Kirche als Sehenswürdigkeit auf. Alles ist geschlossen, wir haben Mühe, ein geöffnetes Restaurant zu finden. Irgendwie haben wir uns Messina lebendiger vorgestellt, auch am Sonntag. Wir landen in der Trattoria del Popolo, in der wir preiswert speisen, während draußen ein heftiger Schauer niedergeht. Schließlich machen wir uns auf den Weg noch ein paar km Richtung Süden zu unserer Unterkunft „Nunzias house“. Unterwegs kommen wir an einem Lidl vorbei, der tatsächlich geöffnet hat und wo entsprechender Andrang herrscht.

Kaum sind wir drin, fällt das Licht bis auf die Notbeleuchtung aus – Stromausfall. Ärgerlicherweise funktionieren deswegen die Kassen nicht mehr, und das Sicherheitspersonal geleitet alle hinaus. Kaum draußen, geht die Beleuchtung wieder an. Wir kehren zu unseren Einkäufen zurück, die wir strategisch günstig vorne auf einem Kassenband abgelegt haben, und müssen noch einige Zeit warten, bis auch die Kassen rebootet sind.
Von unserem Appartement gehen wir noch ein paar Schritte zum nahen Meerufer – der immer noch starke Wind lässt hohe Brecher an den Strand rauschen und die Gischt stiebt. Viel zu früh wird es dunkel.

One thought on “Endspurt nach Sizilien

  1. Hallo ihr drei!
    Toll, dass ihr Sizilien erreicht habt. Respekt!!!
    Ich hatte gedacht, die Stiefelspitze soll euer Reiseziel sein. Wie weit soll die Reise denn noch gehen. Palermo? Stromboli? Afrika? Kommt ihr irgendwann auch wieder zurück?
    Viel Spaß noch beim Radeln und hoffentlich trockenes Wetter.

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