November auf Sizilien

Die Sonne scheint bei sehr angenehmen 20 bis 25 Grad. An den Straßenrändern in allen möglichen Farben blühende Büsche und Blumen: Oleander, Hibiskus, Wandelröschen, Schönmalve, Alyssum. Zwischendurch Gemüse- und Obstanbau. Besonders schön die allgegenwärtigen Orangenplantagen, aus denen es wunderbar orange hervorleuchtet. Schmetterlinge taumeln durch die Luft. Auch Bienen und Wespen sieht man hin und wieder. Die Grillen zirpen noch und Eidechsen flitzen über die sonnengewärmten Mauern. In den dicht gewachsenen, grünen Bäumen toben, zwitschern und pfeifen die Vögel als wäre es Nestbau- und Paarungszeit.
Ach, wenn es gerade nicht regnet oder stürmt, ist es wunderbar, im November auf Sizilien zu sein.

Endspurt die Nordküste entlang Richtung Palermo

Donnerstag, 01.11.2018
Catania/Messina – Spadafora, 45 km, insgesamt 4695 km
Bei Nieselregen machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Die Fahrradabteile der italienischen Regionalbahnen sind immer ganz vorne oder ganz hinten. Entsprechend achten wir bei Zugeinfahrt in den Bahnhof darauf, ob vorne das Fahrradabteil ist. Ist es diesmal nicht. Also schieben wir flott die Räder nach hinten. Hmmh, dort gibt es nur ein abgeschlossenes Fahrrabteil. Da kommen wir nicht rein. Ratlos winken wir dem Zugbegleiter zu. Der winkt genervt zurück und bedeutet uns, die Räder irgendwo in den Zug zu wuchten. Das tun wir auch und versperren nun mit unserem Tross einen der Eingänge. Macht nix. Wir sind drin, sitzen trocken und werden nach Messina geschaukelt. Zwischendurch quetschen sich immer wieder mal Menschen durch unseren zugestellten Eingang. Na gut, wer’s sportlich mag. Der Zugbegleiter stellt uns auch dieses Mal pflichtbewusst kostenlose Fahrradkarten aus. Dieses Mal nur zwei: Das Fahrrad des Bambinos gilt noch nicht so richtig.
In Messina dräuen dunkle Wolken, doch es warten noch 35 km Weg auf uns, die wir nach einem kurzen Besuch einer Kaffeebar mutig angehen. Es gibt sogar einen richtigen Radweg neben der Fahrbahn. Auf diesem stehen allerdings riesige Pfützen. Für Regen sind die hiesigen Straßen nicht konzipiert. Außerdem endet der Weg sowieso wie die meisten gutgemeinten Radwege in Italien irgendwo im Nirgendwo.

Zum Glück ist es immer noch warm (ca. 22 Grad), der Regen entsprechend auch. Lt. Straßenschild sind es noch 253 km bis Palermo. Schade eigentlich, so kommen wir gar nicht mehr auf 5000 Radkilometer.


Einmal stellen wir uns unterwegs in einen Carport, ansonsten kommen wir halbwegs glimpflich und trocken in Spadafora in unserem Appartement „Casa Vacanze Spadafora“ an. Das ist eine komplette Wohnung, wir haben genügend Platz, unsere Klamotten zum Trocknen auszubreiten.
Heute ist Allerheiligen – in Italien ein hoher Feier- bzw. Gedenktag – und ab dem Mittag sind alle Straßen und Läden wie ausgestorben. Also können wir nichts kaufen. Das Bier am Abend fällt aus. Zum Glück findet sich noch ein Weinrest in den Satteltaschen.

Freitag, 02.11.2018
Spadafora – San Giorgio/ Gioiosa Marea, 64 km, insgesamt 4759 km
Wir stehen früh auf und kommen früh los. Zum Glück, da gerade der Markt auf der Uferstraße in Spadafora aufgebaut wird. Etwas später und wir hätten es wohl schwerer gehabt, uns dort durchzuwühlen.
Das Wetter soll auch heute noch durchwachsen sein. Entsprechend präsentiert sich heute der Himmel mit dramatischer Bewölkung. Etwas Regenbogen ist dabei und mit ganz viel Fantasie bekommen wir auch mal einen Sonnenstrahl ab.


Nach dem Umrunden einer Raffinerie durchqueren wir den hübschen Ort Milazzo. Danach wieder einmal kilometerweise ausgestorbene Strände. Bei der Kaffeepause kommt ein mächtiger Guss runter. Glück gehabt. Als es wieder trockener wird, fahren wir weiter. Es geht heute auf 200 m hoch. Die fahren wir mittlerweile erstaunlich locker. Oben angekommen kommen wir durch Tindari mit einem Kloster, in dem eine schwarze Madonna steht. Diese lassen wir links liegen, belohnen uns nach der Steigung aber in einer Bar mit fantastischen Panini, die mit Wurst, Schinken, Käse und Gemüse aus dem örtlichen Anbau belegt sind. Lecker! Während des Essens geht wieder ein kleiner Schauer nieder. Schön, dass wir wieder unter einem Dach sitzen.
Bei der Abfahrt fängt es richtig an zu regnen. Im Straßentunnel statten Peter und ich (Catrin) uns mit Regenhosen aus. Ein paar Brücken später müssen wir einen längeren Regenschauer abwarten. Peter findet es prima, da sich unter der Brücke eine riesige Pfütze befindet, in der es sich toll spielen lässt.

Einige hundert Meter nach dieser „Regenpause“ müssen wir frustriert feststellen, dass wir versehentlich in eine Sackgasse geraten sind. Wir müssen 1 km wieder bergauf auf die Hauptstraße fahren, um dann später den richtigen Abzweig zu nehmen.
Am frühen Nachmittag kommen wir im „Chris Appartement“ in San Giorgio an. Großer Wohnraum mit Küchenzeile, zwei Zimmer, viel zu schade, um nur eine Nacht zu verbringen. Das Beleuchtungskonzept ist beeindruckend, der Vermieter muss Elektriker sein.


Der um die Ecke liegende Conad-Supermarkt ist überraschend gut mit Bier ausgestattet. Spontan machen wir nach dem Abendessen eine Bierprobe bei toller Beleuchtung, abseits der üblichen Marken Moretti, Peroni und Nastro Azzurro. War erfolglos, schmeckten langweilig. In Italien trinkt man besser Wein.

 

Samstag, 3.11.2018
San Giorgio – Santo Stefano di Camastra, 70 km, insgesamt 4829 km
Wieder früh los, um das Licht der kurzen Tage auszunutzen. Der Sonnenaufgang ist auf Sizilien ca. 45 Minuten früher, der Sonnenuntergang ist nur wenig später als in Frankfurt. Der bange Blick zum Himmel – es hat viele Wolken, aber es ist trocken.

Wir fahren die SS113 entlang, die entlang der Nordküste Siziliens von Messina nach Palermo führt. Der Verkehr ist angenehm dünn. Auf dem ersten Stück fahren wir spektakulär am Steilufer entlang und müssen auch einen kurzen Tunnel passieren, vorher sogar mit einem Warnschild „Vorsicht Fußgänger und Radfahrer“.

 

Ungefähr 15 km später ereilt uns ein Regenguss. Praktischerweise erreichen wir grade bei Brolo ein Einkaufszentrum, da können wir uns und die Räder unterstellen und bei Cappuccino und Cornetto abwarten. Später kommt tatsächlich ab und zu die Sonne heraus und wärmt wunderbar.

Hin und wieder versuchen wir, Alternativrouten zur SS113 zu fahren. Hier nun ein Beispiel für Martins Aussage: „Laut meiner OSM-Karte ist die Strecke durchgehend asphaltiert.“

Ein paar Kilometer später stoppt ein Auto, der Fahrer erzählt irgendwas von „Presse“, fragt uns kurz nach woher und wohin und fotografiert uns. Da die Verständigung auf italienisch immer noch sehr holprig ist, fragen wir uns, ob wir jetzt in irgendeinem Lokalblatt unter „gemische Nachrichten“ erscheinen.
In Marina di Caronia finden wir ein nettes Restaurant direkt am Meer, um zu pausieren. Der Wirt spricht englisch und serviert uns drei Teller gemischte Pizzastücke, die auf der Speisekarte nicht zu finden sind.

Unser Ziel ist Santo Stefano, ein kleines Städtchen aus dem 17. Jh. mit geometrischem Grundriss. Spezialität des Örtchens scheint bunte Keramik zu sein, wir sehen viel Keramik in den Läden und als Schmuck an den Wänden. Hausnummern, bunte Fliesen, Vasen, öffentliche Aschenbecher, alles aus bunter Keramik. Hübsche Gassen, kein Müll (!).


Unser Appartement „House Paradise“ ist diesmal ein ganzes Haus: Drei Stockwerke hoch, aber superschmal. Ein Schlafraum mit winzigem Bad im ersten Stock, ein weiterer Schlafraum im zweiten und die Küche mit noch einem Bad im dritten Stock. Das Erdgeschoss fehlt irgendwie. Und in der Küche sind die Spülbecken aus hiesiger bunter Keramik!


Als wir am späten Nachmittag unser Abendessen einkaufen, werden wir vor dem Weinladen angesprochen, ob wir nicht die mit den Fahrrädern sind. Wir erstehen 1 Liter Nero d’Avola vom Fass für 1,90€, der locker mit vielfach teureren Weinen mithalten kann.
Catrin und Peter besuchen die Vorabendmesse. Keine Orgel, aber ein paar Gemeindemitglieder sorgen für ordentlichen Gesang.

Sonntag, 4.11.2018
Santo Stefano – Cefalú, 43 km, insgesamt 4872 km

Hektisch bimmelt früh morgens von 7:30 bis 8 Uhr im Viertelstundenabstand das Glöckchen der Klosterkirche, die unserem Appartement gegenüberliegt. Gerade am Sonntag soll wohl das geneigte Kirchenvolk daran erinnert werden, den Gottesdienstbesuch nicht zu vergessen. Gut, dass wir schon wach sind, sonst wären wir sehr unsanft aus dem Schlaf gerissen worden.

Das mitgebuchte Frühstück gibt es in der Bar Paradise – „richtig“ gefrühstückt haben wir vorher, Cafe und Cornetto ist uns doch zu wenig. Über die heute angenehm verkehrsarme SS113 fahren wir weiter nach Westen.

Es ist trocken und der Himmel zeigt blaue Flecken, hurra! Bei einer Pause in Finale treffen wir auf einen Trupp Rennradler, die sich nach unseren Zielen erkunden, und Peter bekommt von einer völlig unbekannten Dame Schokolade geschenkt. Un Bambino biondo!
Cefalu schmiegt sich an einen ins Meer ragenden Berg an und ist ziemlich touristisch. Der Dom sieht interessant aus. Wir erleben das Ende einer Messe, die anscheinend der örtliche Bischof zelebriert hat. Orgelspiel und Chorgesang klingen gut.

Am Bahnhof versuchen wir, unsere Rückfahrt zu organisieren. Aber auch hier gibt es keinen besetzten Schalter und die Bar verkauft nur lokale Fahrkahrten. Wir werden an die „Agencia“ verwiesen, ein Reisebüro in der Stadt. Das hat heute zwar zu, aber immerhin weisen Aufkleber auf eine Trenitalia-Agentur hin. Das versuchen wir morgen noch mal.
Wir fahren weiter bis zum Camping Sanfilippo, der geöffnet hat. Außerdem macht der Wetterbericht Hoffnung auf eine trockene Nacht. Der Platz hat einen Zugang zum Meer – Sonne, Felsen, Peter spielt am Strand. Für Anfang November echt fein.

 

Montag, 5.11.2018
Cefalú – San Nicola L’Arena, 40 km, insgesamt 4912 km
Bei bestem Wetter wachen wir auf. Wir können uns Zeit lassen und frühstücken gemütlich, bis die Sonne hinter dem Felsen hervorkommt.
Um 9 Uhr macht Martin sich auf dem Weg zur gestern gefundenen Trenitalia-Agentur, um Fahrkarten für die Rückfahrt zu organisieren. Peter und ich freuen uns, dass wir während dieser Zeit am Meer sitzen und spielen können.

2,5 Stunden später kommt Martin mit der freudigen Nachricht, dass er tatsächlich Fahrkarten incl. Fahrradreservierung für Montag, 12.11. erstehen konnte. Von Mailand ein Direktzug nach Frankfurt. Es ist der EC52, für den uns die Serviceline der Deutschen Bahn jede Radmitnahme geleugnet hat. Prima! So lässt es sich doch viel entspannter dem Ende unserer Reise entgegensehen.
Wir brechen auf, werfen einen letzten Blick auf das bildhübsche Cefalu und fahren dann die an dieser Stelle Siziliens recht langweilige SS113 entlang.


Wir kommen durch Gemüsefelder, die vom Regen der vergangenen Woche komplett überflutet sind. Ein sehr eindrückliches Bild. Nun verstehen wir auch die vielen Fragen unserer Freunde und Verwandten in Deutschland nach unserem Wohlergehen. Hier muss es richtig schlimmes Unwetter gegeben haben.

Zum Glück sind wir drum herum gekommen. Auch auf der ufernahen Straße sehen wir nun Reste einer kürzlichen Überflutung. Puh – Glück gehabt! Aus Catania waren wir schnell genug weg, bevor dort die große Flut kam. Und hierhin sind wir spät genug gekommen, dass wir nur noch die Reste des Unwetters zu sehen bekommen.
In Termini Imerese sehen wir am Hafen eine Fähre der Reederei GNV liegen. Mit so einem Schiffchen werden wir am Freitag und Samstag nach Genua übersetzen.


Knapp hinter Termini Imerese erreichen wir San Nicola L’Arena und beziehen ein Appartement für diese Nacht. Noch ein kurzer Spaziergang zum Hafen und Einkauf in den örtlichen kleinen Lädchen für das Abendessen und schon ist es wieder dunkel und der Abend bricht an.

Frei nach dem Motto: Wollt ihr noch ein paar Chips zum Spritz?

Auf dem Weg heute werden wir zart auf unser nächstes Projekt in Eschborn hingewiesen: Eine neue Matratze fürs Bett muss her. Und wie wir sie nach Hause bekommen, wird uns hier perfekt präsentiert.

Sizilien Ostküste

Montag, 29.10.2018
Messina – Catania, 13 km, insgesamt 4650 km
Zunächst wollen wir Richtung Süden die Touristenziele an der Ostküste Siziliens ansehen. Auf dem Weg haben wir sogar drei Campingplätze gefunden, die geöffnet haben. Allerdings ist für die nächsten Tage immer wieder Regen angesagt. Deswegen werfen wir unsere Planung gleich wieder um, buchen für drei Tage ein Appartement in Catania und fahren mit der Bahn dahin. Also morgens erstmal wieder zurück zum Bahnhof nach Messina. Wir sind früh dran und dürfen deswegen den Berufsverkehr erleben. Kein Vergleich zum gestrigen Sonntag! Beeindruckend sind die Autostaus rund um die Schulen, wo besonders die kleinen Bambini von den besorgten Eltern sicher bis aufs Schulgelände geleitet werden, während die Autos kreuz und quer unmittelbar davor abgestellt werden. Selbstverständlich trägt kein Kind seinen Ranzen selbst. Das erledigen die Eltern. Der Wind weht in starken Böen (diesmal von hinten). Vom Zug aus sehen wir das graue Meer in großen, gischtschäumenden Brechern ans Ufer branden.
Die Radmitnahme im Zug ist auf Sizilien praktischerweise gratis. Allerdings muss uns die Zugbegleiterin dafür noch drei Gratis-Tickets ausstellen …
Catania hat einen Dom St. Agatha, einen Domplatz, auf dem ein Elefant aus schwarzem Lavagestein einen hellen Obelisken trägt, viele andere Plätze, und sieht ansonsten so aus, wie man sich eine sizilianische Stadt vorstellt.

Unser Vermieter (Appartement „Lettoecornetto Casavacanze“) lädt uns erstmal auf einen Espresso ein und befragt uns nach dem woher und wohin. Er versorgt uns mit einem Stadtplan und zeigt uns auf dem Plan die interessanten Punkte. Befreit von den Rädern laufen wir anschließend durch die Stadt, besuchen das Castello mit Museum und trinken einen Aperitivo.

Zwischendurch werden wir immer wieder von den tiefhängenden Wolken beregnet. Eigentlich ist es typisches Novemberwetter: Windig, grau und nass. Was nicht dazu passt, sind die Temperaturen von bestimmt mehr als 20 Grad und unsere dünnen T-Shirts.
Den Ätna haben wir bisher übrigens noch kein einziges Mal gesehen. Nur Wolken.

Dienstag, 30.10.2018
Catania und Syracus
In Catania besuchen wir morgens den Markt. Schweinehälften, Lammteile, Rinderfüße, diverse Innereien, Käse, Wurst, Gemüse und viel aus dem Meer – Muscheln, Tintenfische, Garnelen, Krabben, kleine, große und sehr große Fische. Besonders imposant sind die Schwertfische, die scheibchenweise verkauft werden. Nirgendwo irgendwelche Ökosiegel zu sehen, die arterhaltende Fischerei garantieren sollen. Der Markt ist klein und wirkt einfach nur – normal. Nix Touristen und so’n Gedöns.

Anschließend gehen wir ins griechisch-römische Theater. Mitten zwischen den Häusern sind die Reste des ehemals griechischen Theaters erhalten, wo wir durch überraschend viele Gänge streifen und allerlei kleine Ausstellungen sehen. Die Beschriftungen sind praktischerweise auch auf Englisch.


Dann fahren wir mit der Bahn nach Syrakus. Der interessante Teil der Stadt liegt auf einem Inselchen, quasi wie Lindau. Im Gegensatz zu Lindau ist Syrakus eine griechische Gründung. Der Dom Santa Lucia ist ein ehemaliger griechischer Tempel, und man sieht es ihm an: Die dorischen Säulen sind in den Seitenwänden nach wie vor deutlich sichtbar. Die spätere Barockisierung kommt nur mühsam dagegen an.
Später laufen wir zum archäologischen Park – aber die Aussicht auf einen griechischen Steinbruch und noch ein Theater kann uns diesmal nicht verlocken. Deswegen sparen wir uns die Besichtigung. Auf der Rückfahrt im Zug sitzt hinter uns das gleiche Pärchen wie auf der Hinfahrt.


Es ist ein wunderbar sonniger Tag, leider sagt der Wetterbericht für die nächsten Tage erneut viel Regen an.
Abends lesen wir im Web, dass gestern in Italien von den Alpen bis herab nach Neapel heftigste Unwetter gewütet haben. Da sind wir in Catania glimpflich davongekommen.

Mittwoch, 31.10.2018
Catania und Ätna
Wir haben eine Tour auf den Ätna gebucht. Das hätten wir zwar lieber gestern bei gutem Wetter gemacht, aber auf diese Idee waren schon zu viele andere gekommen. Wir werden mit dem Auto morgens an unserer Unterkunft abgeholt. Der Fahrer Christian ist in Paderborn aufgewachsen, spricht dementsprechend gut Deutsch und wird unser Reisebegleiter sein. Unterwegs nehmen wir noch eine Familie mit einem Sohn mit, der nur wenig älter als Peter ist. Fein, da hat er Gesellschaft. Von einem Sammelpunkt fahren eine Reihe von Geländewagen auf den Ätna.

Wir überqueren Lavaströme der vergangenen Ausbrüche, der Ätna spuckt alle paar Jahre Lava aus. Diese fließt schön langsam und muss eher wie eine vorwärtsdrängende, langsame, heiße Steinlawine aussehen. Das erlaubt viel längere Vorwarnzeiten als bei lange ruhenden Vulkanen wie dem Vesuv, der irgendwann explosionsartig ausbricht und die nächsten Siedlungen unter pyroklastischen Strömen begräbt. Die ehemaligen Einwohner von Pompei und Herkulaneum könnten das bestätigen, wenn sie es noch könnten.
An einer Stelle stoppte ein Lavastrom in den 70er Jahren genau vor einem Kapellchen am Weg. Man sieht noch den erkalteten Basalt in der eingedrückten Wand. Ein Wunder!

Mit den Geländewagen fahren wir ein paar Rumpelwege „off road“, um die Tour aufzupeppen. Danach steigen wir in eine natürliche Lavahöhle, die früher im Winter zur Eiserzeugung und -lagerung genutzt wurde. Später wandern wir eine Stunde um den Sartorius-Nebenkrater herum, wo es immerhin den Schlund einer Fumerole zu sehen gibt. Leider regnet es mittlerweile kräftig und hier oben ist es zudem kalt und windig.

Wenig später sind unsere Hosen und Schuhe völlig durchnässt. Auf dem weiteren Weg sehen wir noch, wie ein Lavastrom von 2003 – dem letzten größeren Ausbruch – die damalige Straße begraben hat.

Die Vegetation ist hier tatsächlich herbstlich bunt. Die Birken am Ätna bilden eine eigene Art, wachsen in mehreren verzweigten Stämmen und wirken weißer als die uns bekannten Birken.

Abschluss der Tour ist in einem Restaurant am Fuße des Ätna-Skigebietes. Die Pistenraupen unter den Pinien wirken etwas seltsam.
Nach einer länglichen Rückfahrt mit nasser Hose werden wir am Nachmittag wieder an unserer Unterkunft abgesetzt. Nachdem die Turnschuhe trocken gefönt sind, gehen wir essen: Die Küche von Catania ist u.a. für Pferdefleisch bekannt. Ein ebensolches Kotelett bestelle ich (Martin). Nach unseren bisherigen Restauranterfahrungen erwarten wir bei den kleinen Preisen auch kleine Portionen und bestellen großzügig mit Vorspeise, Beilagen und Salat. Überraschenderweise sind die Portionen groß und wir schaffen längst nicht alles.
In der Nacht rauscht der Regen weiter.

 

Endspurt nach Sizilien

Mittwoch, 24.10.2018
Scalea – Paola, 62 km, 4430 km insgesamt.
Wir folgen der SS18 weiter nach Süden und weichen nach Möglichkeit auf Parallelstraßen aus, weil die SS18 hier viel befahren ist und des öfteren durch Tunnel führt. Bei km 4390 habe ich (Martin) meinen ersten Platten: Verursacher ist ein stabiler Pflanzendorn, der das Vorderrad durchbohrt hat. Das ist schnell geflickt. Die Orte die Küste entlang sind keine reinen Ferienorte mehr und deswegen belebter. Bei Marina de Belvedere kommen wir durch einen Markt, hier wird vor allem Kleidung verkauft. Das Dorf hat eine hübsche Strandpromenade, dekoriert mit bunten Mäuerchen und alten Fahrrädern.


Die Strecke gestaltet sich weitgehend flach. Nur die zwei Male, wo wir zurück auf die SS18 müssen, geht es steil den Berg hoch.

Nach einer letzten Steigung erreichen wir unser bescheidenes Appartement „Villa Rosa“ dicht an der SS18. Wir sitzen draußen und können vom Hügel herab das Meer sehen, bis die Sonne leider viel zu früh untergeht.

Im „Lonly Planet“ ist Paola als Städtchen beschrieben, in dem die Italiener im Trainingsanzug an der Straßenecke stehen. Wir sehen daher von einer Besichtigung ab, planen den weiteren Weg und stellen fest, dass wir eigentlich in 4 Tagen in Messina auf Sizilien sein müssten. Es sind nur noch ein paar Berge zu überwinden. Schauen wir mal.

 

Donnerstag, 25.10.2018
Paola – Lamezia Golfo, 68 km, insgesamt 4498 km
Weiter geht es die SS18, diesmal gibt es kaum Möglichkeiten, auf Parallelstraßen auszuweichen. Immerhin ist die heutige Etappe außer der Anhöhe zu Beginn in Paola ziemlich flach. Auf der Suche nach einem Cafe für die Vormittagspause werden wir im Dörfchen Pezzalonga fündig, ein paar Häuser, eingeklemmt zwischen Bahnlinie und SS18. Nach Campora San Giovanni führt die Straße kilometerweit schnurgrade durchs Land, zusammen mit dem Verkehr eingeklemmt zwischen den Leitplanken fühlen wir uns etwas unwohl. Irgendwann kommt uns tatsächlich ein Reiseradler entgegen und hält für ein Schwätzchen. Frank hat in Nürnberg einen Radladen und ist auf dem Rückweg aus Sizilien.
Unser Appartement „Villagio Lamezia Golfo“ entpuppt sich als gespenstisch leere Appartementanlage neben dem Flughafen Lamezia Terme, auf dem tatsächlich ein paar wenige Verkehrsflugzeuge starten und landen. In der leicht gammeligen Anlage bekommen wir 2 Zimmer mit Bad, Küche und Riesenbalkon für 24€, da haben wir auf einigen Campingplätzen mehr bezahlt.

Nachmittags gehen wir zum nahen, ziemlich leeren Strand und bleiben bis zum wieder einmal schönen Sonnenuntergang am Meer. Neben der untergehenden Sonne im Westen erscheint in der Ferne eine Insel – das müsste Stromboli sein.

 

Freitag, 26.10.2018
Lamezia Golfo – Mileto, 49 km, insgesamt 4547 km
Zum Frühstück finden wir uns in der uns am Vortag genannten „Bar“ auf der Appartementanlage ein, dort ist allerdings alles geschlossen und niemand zu sehen. Wir treiben einen Hausmeister auf, der uns mit Cappuccino, Birnensaft und in Plastik eingeschweißten Hörnchen versorgt.

Dann geht es weiter, immer noch auf der SS18. Auf dem Weg dahin müssen wir eine zugemüllte, abgesperrte Brücke überwinden.

Erstes Zwischenziel ist Pizzo, das Städtchen liegt auf einer Klippe über dem Meer. Hier soll in den 50er Jahren das Tartufo-Eis erfunden worden sein – eine gefüllte Eiskugel in irgendwas gerollt, in diversen Sorten. Am Platz im Stadtzentrum gibt es ein knappes Dutzend Eisdielen, die um Gäste wetteifern. Ok, dann müssen wir wohl Tartufo probieren und unterhalten uns währenddessen mit einem älteren Ehepaar aus Reutlingen, das 30 Tage hier in Süditalien verbringt.


Hinter Pizzo geht es bis Vibo Valenzia hinauf auf über 500 Meter und anschließend wieder ein Stück hinab bis Mileto. Dort haben wir etwas Mühe, unser B&B „Normanno“ zu kontaktieren. Die lt. Booking.com vorhandene Kochgelegenheit gibt es leider nicht, dafür versorgt uns der Vermieter mit gerösteten Pizzabrotresten vom Vortag. Der Ort besteht aus ein paar gitterförmig angeordneten Straßen und bietet quasi nichts Sehenswertes außer einer bemerkenswerten Häufung von älteren, zerkratzten kleinen Fiat-Modellen auf den Straßen. Wir kommen uns als ausländische Touristen etwas seltsam vor. In einer Bar bekommen wir zum Spritz außer den oftmals üblichen Chips und Nüsschen auch noch einen Teller mit frittierten Häppchen und Broten dazu, damit hat sich das Abendessen schon erledigt.

 

Samstag, 27.10.2018
Mileto – Sant’Elia di Palmi, 44 km, insgesamt 4591 km
Die ersten 13 km geht es abwärts, der aufmerksame Leser ahnt es bereits: Die SS18 entlang. In den Tälern hängen morgendliche Nebelfetzen, wir fahren durch Oliven- und Orangenhaine. Wir fahren durch Rosarno und Gioia Tauro, die miteinander um den Preis der hässlichsten Stadt auf unserem Weg wetteifern. Bröckelnder Putz, roher Beton, die Straße ein Flickwerk von Schlaglöchern, Müll und natürlich viel Stadtverkehr.

Nicht zum ersten Mal sehen wir viele dunkelhäutige junge Männer, die entweder an Straßenkreuzungen stehen und auf irgendwas warten oder auf klapprigen Rädern irgendwohin fahren. Vielleicht Flüchtlinge, die sich als Tagelöhner verdingen?
Vor Palmi geht es wieder aufwärts. Wir passieren Palmi und fahren schwitzend auf über 500 Meter hinauf bis auf den Monte Sant’Elia. Dort oben gibt es den Villagio Camping Sant Elia. Zuvor haben wir angerufen und uns vergewissert, das er geöffnet hat. Als wir dort ankommen, werden wir von einem jungen Mann in Empfang genommen, der uns eine Ecke für das Zelt zuweist und auf den Waschraum zeigt. Irritierenderweise wirkt alles tot und leer, hier scheint niemand anders zu sein. Der Waschraum ist zugeräumt und von Spinnweben durchsetzt. Catrin fragt nochmal nach, worauf ein anderer Herr uns erklärt, hier sei geschlossen und wir sollten am besten weiterfahren. Darauf haben wir nicht so recht Lust und nach einigem hin- und her dürfen wir für eine Nacht bleiben. Es gibt Wasser, damit ist die Mindestbedingung fürs Zelten erfüllt. Einige Zeit später zeigt uns der Herr noch ein Klo und eine Dusche, zugänglich, funktionierend und sogar warm. Offensichtlich sahen wir mitleiderweckend genug aus.


Wir laufen zum Aussichtspunkt am Monte Sant Elia und und erblicken Sizilien!

Es gibt sogar ein Restaurant, das geöffnet hat. Wir trinken ein Bier und bleiben die einzigen Gäste. Abends auf dem Campingplatz erwacht das Restaurant dort unerwartet zum Leben. Ab 21:00 Uhr strömen die Gäste, parken vor unserem Zelt und lärmen munter herum.

 

Sonntag, 28.10.2018
Sant’Elia die Palmi – Messina, 46 km, insgesamt 4637 km
Nachts und morgens leichter Regen, auch die Vorhersage für die nächsten Tage ist eher nass.

Wir ignorieren die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit und stehen bei Sonnenaufgang auf. Bezahlen müssen wir nichts, sehr nett. Die nächsten 15 km geht es abwärts. Wir machen Stopp in Scilla, wo schon Odysseus auf seiner Heimkehr die Wahl zwischen Scilla (dem menschenfressenden Seeungeheuer) und Charybdis (dem schifferversenkenden Mahlstrom) hatte.

Mittlerweile bläst uns nicht nur gelegentlicher Regen, sondern auch der Scirocco heftig aus Süd entgegen. Der ist immerhin warm. In Villa San Giovanni verlassen wir endlich ungefähr bei km 510 die SS18 und fahren zum Fähranleger. Unkompliziert erstehen wir Fahrkarten für uns und die Räder (3€ pro Person incl. Rad), reihen uns in die Autoschlange auf die Fähre ein, schieben die Räder in den Bauch der großen Autofähre und schon legt die Fähre ab.

Der recht hohe Seegang macht den Aufenthalt zu einem Erlebnis, teilweise wird das große Schiff von mächtigen Brechern eingenebelt. Sizilien empfängt uns wolkenverhangen.

Unsere Reiseführer listen für Messina lediglich den Dom und eine weitere Kirche als Sehenswürdigkeit auf. Alles ist geschlossen, wir haben Mühe, ein geöffnetes Restaurant zu finden. Irgendwie haben wir uns Messina lebendiger vorgestellt, auch am Sonntag. Wir landen in der Trattoria del Popolo, in der wir preiswert speisen, während draußen ein heftiger Schauer niedergeht. Schließlich machen wir uns auf den Weg noch ein paar km Richtung Süden zu unserer Unterkunft „Nunzias house“. Unterwegs kommen wir an einem Lidl vorbei, der tatsächlich geöffnet hat und wo entsprechender Andrang herrscht.

Kaum sind wir drin, fällt das Licht bis auf die Notbeleuchtung aus – Stromausfall. Ärgerlicherweise funktionieren deswegen die Kassen nicht mehr, und das Sicherheitspersonal geleitet alle hinaus. Kaum draußen, geht die Beleuchtung wieder an. Wir kehren zu unseren Einkäufen zurück, die wir strategisch günstig vorne auf einem Kassenband abgelegt haben, und müssen noch einige Zeit warten, bis auch die Kassen rebootet sind.
Von unserem Appartement gehen wir noch ein paar Schritte zum nahen Meerufer – der immer noch starke Wind lässt hohe Brecher an den Strand rauschen und die Gischt stiebt. Viel zu früh wird es dunkel.

Basilikata? – Ein Gewürz, eine Kirchenbauweise oder was?

Freitag, 19.10.2018
Pompei – Salerno, 47 km, insgesamt 4213 km
Heute müssten wir eigentlich die Amalfi-Küste entlangfahren. Wir wagen es aber nicht – Reisende zuvor und auch Catrins Bruder Michael haben uns davon abgeraten. Die Straße sei schmal und kurvig, als Radfahrer – zudem als schwerfältiger Radfahrer mit Tourengepäck und Kind – solle man die Strecke nicht wagen. Dankenswerterweise versorgt uns Michael mit Fotos der Amalfiküste. Folgendes haben wir beispielsweise verpasst:

 

Also fahren wir direkt über die SS18 und parallel führende Straßen Richtung Salerno. Die Strecke führt durch geschlossene Bebauung, alles Orte, die noch zum Großraum Neapel gehören. Dementsprechend dicht ist der Verkehr. In Salerno schauen wir uns den Duomo an, in dem (angeblich) das Grab von St. Matthäus ist. Die große Krypta ist jedenfalls voll von Fresken aus dem Leben Jesu.

Dann wollen wir noch in ein Museum, in dem medizinische Praktiken des Mittelalters dargestellt werden, aber es ist wegen einer epischen Mittagspause von 13:00 bis 17:00 Uhr geschlossen. Also fahren wir noch einige Kilometer weiter am Meer entlang, hier endet die geschlossene Bebauung. Der Camping „Lido di Salerno“ hat geöffnet, viel Platz (bis auf die wenigen deutschen und österreichischen Wohnmobile) und liegt direkt am Strand. Wir plantschen im Meer in der Nachmittagssonne und genießen den Urlaub.

Samstag, 20.10.2018
Salerno – Paestum, 24 km, insgesamt 4237 km
Gradewegs die Küste entlang fahren wir heute nur einen kleinen Hopser nach Paestum. Unsere Tagesetappen werden mittlerweile stark von noch geöffneten Campingplätzen bestimmt. Auf der Suche nach einer Einkaufsgelegenheit zeigt uns Google einen Aldi an der Strecke – den haben wir hier schon lange nicht mehr gesehen. Den Aldi, den wir finden, hat allerdings bis auf den wahrscheinlich zufällig gleichen Namen mit „unserem“ Aldi nichts zu tun.

Vor dem Laden kommen wir mit einem Pilger ins Gespräch (erkennbar an der Jakobsuschel am Rucksack), der seit 9 Monaten zu Fuß unterwegs ist. Erst von Hamburg nach Rom, dann ist er weitergewandert nach Jerusalem, hat sich von einem Frachtschiff nach Neapel mitnehmen lassen und ist jetzt auf dem Weg in den Süden.
Weiter geht die Strecke an dem uns mittlerweile vertrauten Anblick geschlossener Lidos, Strandparkplätzen und diverser Campingplätze vorbei. In Paestum schlagen wir unser Zelt auf dem Camping dei Pini auf, der ganzjährig geöffnet hat. Dann sehen wir uns die griechischen Tempel an. Paestum, ursprünglich Poseidonia, ist eine griechische Gründung aus dem 6. Jhd. vor Christus, bis die Stadt im 3. Jhd. v. Chr. von den Römern erobert wurde, in der Kaiserzeit an Bedeutung verlor und im 5. Jhd. n. Chr. mehr oder weniger verlassen wurde. Die Gegend versank in Sumpf und Urwald. Erst im 18. Jhd. wurden die Reste wiederentdeckt, als eine Straße quer durch das Gelände gefräst wurde. Es stehen noch 3 imposant aussehende griechische Tempel dort. Goethe war auch schon da.

 

Sonntag, 21.10.2018
Paestum – Ascea, 55 km, insgesamt 4292 km
Der virtuelle Track der Eurovelo 7 bzw. Ciclopista del Sol scheint heute streckenweise über die autobahnähnliche Schnellstraße SS18 zu führen, was uns irritiert. Stattdessen fahren wir größtenteils über die SR 267, die wunderschön die Küste entlangführt. Mit einigen Steigungen, aber alle gut zu fahren.

Das Wetter ist ideal, Sonnenschein bei milder Luft. Auch der Verkehr lässt nach einigen Kilometern stark nach, wir wissen nicht, ob das dem Sonntag geschuldet ist. In Pioppi lockt uns ein Cafe mit einem Schild „Bicycle Stop“, dort essen wir eine Kleinigkeit und bestellen – dank unserer mangelhaften Sprachkentnisse aus Versehen – zwei Teller frittierte Sardinen. Hätten wir absichtlich nie gemacht, aber es war lecker!

Für die Nacht und den morgigen Tag ist Regen angesagt, deswegen haben wir uns im etwas abseits liegenden B&B / Restaurante „Il Grappolo“ einquartiert, obwohl wir lt. telefonischer Auskunft auch auf dem Wohnmobilparkplatz „il Mulino“ hätten campen können.
In Ascea gibt es griechische Reste zu besichtigen. Da diese lt. Reiseführer weder mit Tempeln wie in Paestum noch mit Häusern wie in Pompei aufwarten können, bleiben wir wo wir sind. Peter baut aus einer Klappliege eine Burg für seine Lego-Männchen. Wir erforschen die Route für den morgigen Tag. Diese verspricht viele, viele Höhenmeter auf den knapp 60 km bis zum nächsten B&B in Scario. Und das bei angesagtem Regen. Und einer von Google Maps verzeichneten Straßensperrung. Es wird also spannend.
Abends essen wir Pizza im angegliederten Restaurant. Die Küchenfee ist in Wuppertal aufgewachsen und unterhält sich mit uns auf deutsch.

Montag, 22.10.2018
Ascea – Scario, 16 km, insgesamt 4308 km
In der Nacht gibt es ein paar Gewitter und wir freuen uns über ein festes Dach. Morgens dräuen dunkle Wolken, aber es ist noch trocken.

Nach den ersten 8 km hat uns der Regen eingeholt und wir stellen uns unter einem Vordach in Ascea unter. Es schüttet wie aus Kübeln. Die Straße verwandelt sich in einen Fluss, die Autos fahren spritzend durch und aus den Gullideckeln kommen Wasserfontänen.

Irgendwann lässt der Regen nach, aber weitere dunkle Wolken ziehen heran. Wir beschließen eine Planänderung und fahren eine supersteile Straße hinunter zum Bahnhof in Mare di Ascea. Catrin stürzt fast auf der regennassen Fahrbahn, kommt aber glücklicherweise auch heil unten an. Am Bahnhof halten kaum Züge, der nächste Regionalzug Richtung Süden fährt um 14:26 Uhr. Den wollen wir bis Policastro Bussentino nehmen. Bis wir die Fahrkarten am Automaten erstanden haben, hat der Regen aufgehört und die Sonne kommt zwischen den Wolken hervor. Nun ja. Wir laufen durch den Ort bis zur Promenade am Meer – gähnend leer, alles geschlossen und das Meer brandet rauschend an den vollkommen leeren Strand. Peter findet’s prima und fängt gleich mit einem Stock an, im Sand zu wühlen.
Auf dem Rückweg zum Bahnhof noch in einer Pasticceria leckere süße Teilchen geholt (irgendwie muss man sich ja belohnen) und mit einem Cappuccino aus der Bahnhofsbar genossen.
Nun müssen nur noch die Fahrräder mit dem ganzen Gepäck auf Bahnsteig 2 gewuchtet werden. Also, alles abbauen, Treppe runter schleppen, durch den Tunnel (in dem das Wasser steht) tragen, Treppe wieder rauf tragen. Inzwischen sind zwei weitere Reiseradler angekommen. Beide mit E-Bikes (Riese und Müller) und Ortlieb-Satteltaschen ausgestattet. Zu unserer Überraschung entpuppen sich die beiden als Italiener. Allerdings kommen sie aus dem äußersten Nordwesten in der Nähe von Aosta, sind also quasi eher Franzosen. Denn Italiener haben wir bisher nur als Rennradler gesehen. Reiseradeln ist hier absolut unüblich, daher werden wir ja auch immer bestaunt, wenn wir vorbeiradeln.


Der Zug fährt ein, unter großem Hallo werden die Räder ins Fahrradabteil gehoben. Der Zug fährt die nächsten 30 km quasi Luftlinie fast immer im Tunnel. Wir steigen nach 3 Stationen schon wieder aus, warten den nächsten Regenguss ab und fahren 5 km zurück zu unserer vorgebuchten Unterkunft in Scario.

Wir beziehen eine ganze Wohnung mit Küche, die kaum mehr als ein Stellplatz beim Campen kostet. Der Ort hat eine hübsche Uferpromenade mit einem kleinen Hafen, die Brandung rauscht an die Mauer und die Küstenkulisse ist teils verhüllt von Wolken, teils angestrahlt von ein wenig Sonne. Touristen hat es um diese Jahreszeit hier nicht mehr.

 

Dienstag, 23.10.2018
Scario – Scalea, 60 km, 4368 km
Hurra, es ist trocken. Später lesen wir, dass gestern in Rom Wolkenbrüche mit Hagelschauer niedergingen. Da sind wir gestern doch recht trocken davongekommen. Wir fahren heute die SS18 „Tirrena Inferiore“ die Steilküste entlang. Von Policastro aus bewundern wir einen schönen Regenbogen hinter uns am Berg, wir bleiben trocken.

Ab Sapri windet sich die schmale Straße wunderschön am Hang entlang. Wir überqueren die Grenze zwischen Kampanien und Basilikata, diese Region war uns vorher kein Begriff. Die Straße ist gut und mit 5 bis 6 Metern breit genug für zwei Spuren. Solange man kein Bus oder LKW ist. Der Verkehr ist kaum nennenswert. Wir kommen gar nicht dazu, uns über die eine oder andere Steigung zu ärgern, weil sich hinter jeder Biegung ein neuer, atemberaubender Blick auf die Küste bietet. Vor einer Kulisse aus Sonne und Wolken zeigen sich die Steilküste und das türkis- bis dunkelblaue Wasser von ihrer besten Seite. Im Reiseführer wird diese Küste bei Maratea gerne mit der Amalfi-Küste verglichen. Im Gegensatz zur Amalfi-Küste konnte uns hier niemand von der Fahrt über diese wunderschöne Strecke abraten, und das war auch gut so.

 

Über Maratea erhebt sich auf einem Berg eine Christusstatue, die der auf dem Corcovado in Rio de Janeiro Konkurrenz macht. In der Kirche daneben ruhen die Gebeine von St. Blasius, der uns vielleicht auch bis ins Tal vor Halskrankheiten schützt. Da hinauf fahren wir mit den Rädern bestimmt nicht.

Bei Castrocucco ist Basilikata schon wieder zu Ende – die Region erstreckt sich zum größten Teil im Landesinneren – und wir erreichen Kalabrien. Die SS18 wird hier zu einer gut ausgebauten, breiten Straße mit mehr Verkehr und weniger landschaftlichem Reiz. Wir fahren etwas küstennäher (und steigungsärmer) über die SP1, bevor wir uns wieder ein paar Serpentinen zur SS18 hinaufschrauben. Mittlerweile hat der aus Nordost wehende Wind, der uns unterwegs schon gut geschoben hat, zu starken Böen aufgefrischt. Die SS18 führt zwischen Atrigna und San Nicola Arcella auf Brücken über einige tief eingeschnittene Schluchten. Vor den Brücken warnen elektrische Warnschilder vor „Vento Forte“. Auf der letzten Brücke heult der Wind unheilverkündend durch die Drahtgitter beidseits der Brücke und packt uns ins mit einer Böe von schräg hinten. Erst muss ich (Martin) mich darauf konzentrieren, nicht gegen die Fahrbahnbegrenzung gedrückt zu werden. Dann nehme ich den Schwung mit und lasse mich vom Wind flott auf 28 km/h beschleunigen. Wir sind froh, als wir die Brücken hinter uns haben und abwärts nach Scalea rollen. Was für ein Glück, dass wir nicht gegen den Wind fahren müssen.
Deutlich früher als angekündigt erreichen wir das Appartement „Casa Kerol“ in Scalea, wo just im gleichen Moment zufällig unser Vermieter auftaucht und uns freundlich in Empfang nimmt. Am Nachmittag laufen wir durch die Altstadt – enge Gässchen mit Treppen drängen sich um einen Hügel. Auf vielen Treppen geht es hinauf- und hinab. Daher auch der Name der Stadt Scalea – das heißt auf italienisch Freitreppe. Was für ein Glück, dass wir nicht aus Versehen ein Zimmer mitten in der Altstadt gebucht haben. Das hätten wir mit den Rädern schlecht erreichen können.

Dan Brown, Illuminati und Rom

Hier noch eine Dan Brown Illuminati-Zusammenfassung von Rom.

Achtung: Im Internet gibt es bestimmt viel bessere Zusammenfassungen, aber nur diese hier ist original von uns.

Pantheon, in dem der erste Mord doch nicht stattfindet:

Santa Maria del Popolo, in dem der erste Mord in der Chigi-Kapelle stattfindet:

Petersplatz, die West-Ponente-Plakette am Obelisken, wo der zweite Mord stattfindet:

Santa Maria delle Vittoria, wo der dritte Mord stattfindet:

Piazza Navona, der Vierströme-Brunnen, wo der vierte Mord stattfindet:

Engelsburg, in der der Showdown beginnt:

Der Apennin

Donnerstag, 20.9.2018
Ravenna
Weil es hier so nett ist, bleiben wir einfach noch einen Tag und machen nichts. Quasi Urlaub. Nun ja, Ketten und Schaltung reinigen, Catrins Mantel wechseln, Bremsbeläge überprüfen, mit Peter spielen, Einkaufen fahren, Tagebuch schreiben und bloggen. Aber auch am Pool liegen, plantschen, Tischkicker, Cappuccino trinken und lesen.

 

 

Am Vorabend ist ein belgisches Radlerpärchen im fortgeschrittenen Alter auf E-Bikes angekommen, die einem Radreiseführer Amsterdam – Rom folgen. Die Route ist interessant, führt aber weder über Florenz noch die Eurovelo 7 (Ciclopista del Sol) entlang. Ordentlich Höhenmeter sind dennoch dabei, da können wir auch über Florenz fahren.
Am Abend kommt Lena auf dem Rad an. Sie ist erst von München bis Trient gewandert, hatte dann eher Lust auf Radfahren, hat sich ein billiges Rad und Satteltaschen gekauft und ist zur Adria gefahren. Die Nacht zuvor war sie auf dem gleichen Campingplatz in Bosco Mesola wie wir. Im Gegensatz zu uns ist sie komplett der beschilderten Radroute nach Ravenna gefolgt, hat die SS309 damit vermieden und nochmals 10 km mehr als wir zurückgelegt. In Sachen Leichtgepäck kann man von ihr noch lernen – Leicht-Zelt, Mini-Kocher mit Mini-Kartusche und superleichtem Trink-Ess-Kochtopf. Wir essen zusammen zu Abend und schwatzen. Dazu eine Flasche Pagadebito vom Haus – eine weiße Rebe, die ich nie zuvor getrunken habe. Ausgeprägtes Rosinenaroma, eher halbtrocken. Gestern war es übrigens ein Trebbiano, der völlig anders schmeckte – trocken, mineralisch, mäßige Säure. Lt. Wikipedia soll Pagadebito und Trebbiano die gleiche Rebe sein, das mag ich nach der Verkostung kaum glauben.

 

 

Freitag, 21.9.2018
Ravenna – Brisighella, 58 km, insgesamt 3231 km
Wir fahren auf kleinen Sträßchen ohne Verkehr Richtung Westen. Hier wird Obst angebaut – Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Kirschen (natürlich längst geerntet), Kiwis (noch zu hart) und Wein, Wein, Wein, der häufig grade gelesen wird. Irgendwann zeigen sich weit entfernt im Dunst die Umrisse von Hügeln, bald ist Schluss mit Flachland. Wir fahren durch Faenza mit einem sehenswerten, arkadengesäumen, großen zentralen Platz. Die Kirche hat leider zu, wahrscheinlich Siesta. Mittlerweile hat zwischen 13 und 16 Uhr immer alles geschlossen, jedenfalls die kleinen Lädchen – und eben die Kirchen.


Nach Brisighella herein fahren wir schon leicht bergauf zwischen zwei Hügelketten entlang. Hier gibt es keinen Campingplatz, aber einen Wohnmobilstellplatz mit Wasserversorgung und Grüngelände drumherum. Wir schauen uns erst das Städtchen an und werden in der Touristeninfo sehr engagiert mit der Geschichte der Gegend bekannt gemacht. Das Gestein hier ist viel kristalliner Gips, der früher abgebaut und auf Eseln transportiert wurde. Sehenswert ist die mittelalterliche Häuserzeile, in der früher die Eselställe in den Untergeschossen waren.

Wir wandern zum Uhrenturm und zur Burg.

Als Beilage zum Abendessen kaufen wir uns Giuggiole, ein ortstypisches Obst. Von der Form her wie Pflaumen (incl. Kern), von der Farbe wie Kastanien, von der Konsistenz komplett mehlig. Geschmack – naja, aber im Abgang schmeckt’s nach Honig.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit schlagen wir unser Zelt am Rande des Stellplatzes auf, wir bleiben ungestört.
Neben uns ein witziger Mensch im Wohnmobil, dessen hüftkranke Frau wir nur von seinen Erzählungen kennenlernten, da sie den ganzen Abend da Wohnmobil nicht verließ. Er kommt wohl gebürtig aus Sachsen, wohnt aber nun irgendwo im Schwarzwald. Das Resultat: Ein sächsisch-badisches Sprachgemisch, das kaum zu verstehen ist. Sein bester Spruch: „Alt werden ist keine Kunst. Man wird es von selbst, wenn man so lange am Leben bleibt.“ Genauso wollen wir es fortan halten.

Samstag, 22.9.2018
Brisighella – San Piero a Sieve, 69 km, insgesamt 3300 km
Da wir „eigentlich“ (und auch uneigentlich) nicht wirklich an diesem Platz zelten dürfen, stehen wir früh auf, haben das Zelt schon um kurz nach sieben zusammengepackt und brechen nach dem Frühstück für unsere Verhältnisse sehr früh auf. Im Rückblick gesehen eine sehr weise Entscheidung. Vor uns liegen 44 km Steigung bis zum Passo della Colla di Casaglia auf 913 m Höhe. Da Brisighella auf knapp 100 m Höhe liegt, müssen also 800 Höhenmeter überwunden werden. Da die Straße auf dem Anstieg manchmal auch bergab geht, haben wir bis auf Passhöhe ca. 900 Höhenmeter überwunden. Wir folgen dafür der SR302. Ein wunderschönes Sträßchen quer durch den Appeninn. Dass der Verkehr sich in engen Grenzen hält, halten wir dem Wochenende zu Gute. Kaum LKW oder Lieferverkehr.

Stattdessen teilen wir uns die Straße mit Motorradfahrern und Rennradlern. Ein tolles Gefühl: Fast alle Rennradler feuern uns an, sprechen uns an, wo wir hinfahren, wo wir herkommen und das Highlight: Auf ca. 20 m relativ steiler Strecke schiebt mich ein Rennradler sogar an. Wir versuchen mit unseren paar Brocken Italienisch-Kenntnissen möglichst intelligent zu wirken. Auch viele Autofahrer hupen uns ermutigend zu und winken. Endlich auf Passhöhe angekommen, schaffen wir es kaum unsere Räder zwischen all den Motorrädern abzustellen. Wir trinken Kaffee und essen Panino. Peter bekommt in der Bar das dickste Marmeladenbrot seines Lebens. Er hat sich’s auch verdient. Klaglos sitzt er Kilometer um Kilometer auf seinem Sättelchen und hilft Papa mal mehr und mal weniger.
Nach dem langen Anstieg eine berauschende Abfahrt. Währenddessen merke ich, dass die Entscheidung, diese Straße von Ost nach West zu fahren die richtige Entscheidung war (nicht dass wir wirklich eine Wahl gehabt hätten…). Aber die nun folgenden 400 Höhenmeter Abstieg sind nach nur 10 km erledigt. Wir rauschen einige Serpentinen hinab und es ist streckenweise echt steil. Dann lieber auf 44 km weitgehend sacht bergauf.
In Borgo San Lorenzo, der ersten größeren Stadt, kauft Martin im Supermarkt für den Abend ein. Ich sitze nur relativ erschossen auf dem Parkplatz und zittere vor den letzten 6 Kilometern. Die Entscheidung, dass heute abend nicht mehr gekocht wird, ist schnell gefällt. Bier, Wein, Salat, Brot, Wurst und Käse sind absolut ausreichend. 6 km später sind wir am Campingplatz. Leider liegt es unglaublich idyllisch am Hang. Wir fluchen leise in uns rein und schieben keuchend die Räder bis zum Zeltplatz. Dafür entlohnt ein wunderschöner Sonnenuntergang mit tollem Abendrot.

Sonntag, 23.9.2018
San Piero a Sieve – Florenz, 42 km, insgesamt 3342 km
Nächste Etappe durch den Apennin. Heute muss noch einmal ein 518m hoher Pass überwunden werden.. Da wir uns aber noch auf gut 200 m befinden, dürfte das Ganze nicht ganz so happig werden. Außerdem hat Martin eine Strecke ausgesucht, die sanfter ansteigen soll als die Hauptstraße (SR302). Als wir 1,5 km saftig bergauf schieben müssen (bei ca. 18% Steigung) überdenken wir diese Alternative noch einmal. Doch nun ist es zu spät und schon eine knappe Dreiviertelstunde später haben wir auch diesen Knackpunkt geschafft. Der Rest der Strecke ist (als wir die SR302 erreicht haben) tatsächlich einigermaßen flach und vor allem sind wir im Gegensatz zu gestern bereits nach 10 km oben. Nun geht es sanft geschwungen runter. Wir folgen nicht weiter der SR302, sondern der SP54. Diese schmiegt sich sanft an den Hang und braust nicht allzu schnell ins Tal. Die Toskana zeigt sich von ihrer besten Seite und hat sich wunderschön herausgeputzt. Wir gurken relativ langsam die Straße herunter, da jede Kurve neue und bezaubernde Ausblicke liefert.

So radeln wir in das Dorf Fiesole hinein. Dort entdeckt Martin in einem Hinterhof eine Bar mit einem riesigen Balkon, der einen wunderbaren Ausblick auf die Landschaft bietet. Wir kehren dort ein und verbringen die nächsten zwei Stunden dort und können gar nicht genug von dem Ausblick bekommen.


Weiter durchs Dorf findet auf dem Hauptplatz ein Bio-ökologischer Markt statt. Dort probieren wir uns durch einen Milch und Joghurtstand, erstehen Vollkornbrot und leckere Tomaten.
Um die nächste Kurve bietet sich der Blick auf Florenz. Ein großes Häusermeer, das von der Kuppel des Doms dominiert wird.
Martin navigiert uns durch die Straßen durch Florenz zum Campingplatz direkt am Ufer des Arno. Auf dem Weg kommen wir an einem brennenden Auto vorbei. Die Feuerwehr kommt und löscht den Brand. Peter ist tief beeindruckt und erzählt noch abends von dem Erlebnis.
Der Campingplatz „Camping in Town“ ist sehr edel, hat einen tollen Pool, Supermarkt und exzellente sanitäre Anlagen. Dafür nimmt er aber auch einen entsprechenden Preis und dies mit Florenz-Aufschlag. Für das Hostel in Ljublana haben wir nicht wesentlich mehr bezahlt. 40,50€ pro Nacht ist bisheriger Campingplatz-Rekord auf unserer Tour.

Venedig

Dienstag, 11.9.2018
Venedig
Wir fahren morgens mit der Fähre nach Venedig. Dafür kaufen wir das 72 Stunden Vaporetto-Ticket und können die folgenden drei Tage nach Lust und Laune Bötchen fahren.
Wir nehmen zunächst an einer „Free Walking Tour“ durch das südliche Venedig (Dorsoduro) teil. Wir hören erquickliche Geschichten über einige Palazzi und bekommen Tipps für Eis und Bars. Bis zum Nachmittag lassen wir uns durch Venedig treiben (ja, auch mit Vaporetto). Dann holen wir Caro und Jojo an der Piazza Roma ab. Wir steuern mit ihnen die nächste Bar an und genießen erst mal einen Spritz. Danach essen gehen in einem eher zweifelhaften Ristorante. Zum Nachtisch noch eine Bar gegenüber der Gondelmanufaktur in Dorsoduro, die wir am Morgen kennengelernt haben.
Bis wir wieder am Campingplatz in Punta Sabbioni ankommen, ist es dunkel. Aber das Tarp für die Mädels ist schnell zwischen den Bäumen aufgespannt.

Mittwoch, 12.9.2018
Venedig
Wir erfüllen Johannas Traum und fahren nach Murano zu den Glasbläsern. Die hübschen bunten Häuser von Burano betrachten und fotografieren wir vom Schiff aus. In Murano trinken wir einen Kaffee und sind von den Preisen für eine Glasbläser-Präsentation abgeschreckt. Daher schauen wir nur so weit es geht in die Werkstätten, betrachten ein Kirchlein von innen und setzen dann nach Venedig über.
Mit dem Vaporetto durchqueren wir mit 200 weiteren Menschen den Canal Grande und bestaunen die Fronten der Palazzi. Mittags kaufen wir uns Brot, Käse, Wurst und Oliven und sitzen an einem Kanal und staunen, wie geschickt die Gondoliere die Gondeln um die engen Kurven manövrieren.
Einige hübsche Campi und Bars später fahren wir (schon wieder im Dunkeln) zurück zum Campingplatz und lassen bei Bier und Wein den Tag ausklingen.

Donnerstag, 13.9.2018
Morgens erfüllen wir Caros Wunsch und laufen ans Meer. Der Strand ist erstaunlich groß, weit und leer. Das Wasser schön klar und hat hübsche Wellen. Caro quietscht, als sie die vielen Krabben entdeckt, die sich durchs Wasser bewegen. Johanna zieht es vor, es sich am Strand auf der Decke bequem zu machen und Peter wühlt glücklich im Sand.
Am späten Vormittag geht es wieder nach Venedig. Diesmal nehmen die Mädels ihr Gepäck mit, da sie am frühen Abend wieder nach Frankfurt fliegen. Zunächst kreuz und quer durch Castello und San Marco. Richtung Markusdom werden die Gassen immer enger, dafür aber immer voller. So extrem haben wir es vom Venedigbesuch letztes Jahr nicht in Erinnerung. Auf dem Markusplatz knubbeln sich die Menschenmassen. Vor dem Dom hat sich natürlich schon eine lange Schlange gebildet. Wir entdecken die Schilder, dass man nicht mit Gepäck rein darf und sehen, wie die Aufpasser alle Leute mit Rucksäcken (auch kleine oder Fototaschen) aus der Schlange herauspicken und zur Gepäckaufbewahrung schicken. Umso ärgerlicher, wenn sie schon eine Stunde in der Schlange standen und sich nun neu anstellen dürfen. Wir beschließen, dass es den Dom gewiss noch länger geben wird und dies nicht unser letzter Venedigbesuch sein wird und verschieben die Dombesichtigung auf ein anderes Mal. Lieber noch mal zur Gondelmanufaktur und Spritz trinken. Auf dem Weg noch in Kirchen, die keinen Eintritt kosten. Erstaunlich: In irgendwelchen engen Gässchen steht eine enge Tür offen, man geht hinein und befindet sich in einem überraschend großen Kirchenraum. Alles natürlich vollgestopft mit Kunstschätzen, von denen eine normale Feld-Wald-und-Wiesen-Kirche in Deutschland nur träumen kann. In Venedig gibt es über 200 Kirchen und wir fragen uns, wie die wohl organisiert sind. Wer kümmert sich um die Pflege all dieser Kunstschätze? Wie groß sind die pastoralen Räume oder Großgemeinden? Wie viele Menschen besuchen überhaupt die Gottesdienste und Messen in dieser Masse von Kirchen? Wie viele Pfarrer mag es wohl in Venedig geben?
Über den Campo Santa Margherita incl. Cafe schlendern wir zur Piazza Roma und verabschieden uns von Caro und Jojo. Schade, die Zeit ging viel zu schnell um.
Dafür steigen wir zu dritt in das Vaporetto ein, das über den Canal Grande zum Markusplatz fährt. Da das Vaporetto hier eingesetzt wird, ist es leer, als es ankommt und wir bekommen die Premiumplätze direkt vorne am Bug. Bei untergehender Sonne „gondeln“ wir zum Markusplatz und kommen – natürlich – erst im Dunkeln am Campingplatz an, wo wir im Schein unserer Taschenlampen Obst und Gemüse vom Campingplatzbetreiber zu Abend essen.

Ungarn – Slowakei – oder was?

Freitag, 10.8.2018
Čunovo – Györ, 66 km – gesamt 1721 km
Nach der ziemlich anstrengenden Tour gestern (Gegenwind bei brüllender Hitze) wollte ich maxial 30 km heute fahren.
Füh aufgewacht und direkt aufgestanden, um die Kühle am frühen Morgen noch mitzunehmen. Wirklich früh losgekommen (um 8 Uhr). Doch schnell zeichnet sich ab: Die Tour heute wird nicht so mörderisch wie gestern. Es schiebt sich immer wieder Bewölkung vor die Sonne und der Wind bläst eifrig von hinten, interessanterweise aus Norden.
So rauschen wir schon 3 km nach dem Start nach Ungarn rein. Auch hier ist die Grenze wieder eher lächerlich. Auf einem Blechschild identifizieren wir die ungarische Flagge und die schwarz-weiß angestrichene Schranke sehen wir mal als Grenze an.

Nach dem Foto rollen wir direkt nach Rajká rein. Der erste ungarische Ort. Zum Glück sind die Schilder teils noch in ungarisch und deutsch geschrieben. Am ersten Lädchen halten wir an. Am benachbarten Geldautomaten wird Geld gezogen und dann geht es ins Abenteuer „in Ungarn ohne Sprachkenntnisse einkaufen“. Gut, dass die Leute hier noch zum Großteil Deutsch sprechen können.
Von Rajká aus lassen wir uns am straßenbegleitenden Fahrradweg der Landstraße entlang von Rückenwind nach Mosomagyaróvár pusten. Nach der Etappe gestern „eigentlich“ mein Maximalziel. Jedoch ist es nach der Besichtigung des Altstädtchens erst 11:30 Uhr und die Puste reicht noch für mehr.

Schnell wird klar, dass Györ nun auch nicht mehr so weit ist. Nach einer kurzen Mittagsrast an der alten Burg Ovár in Mosomagyaróvár setzen wir uns also wieder auf die Landstraße und lassen uns weiter Richtung Györ wehen. Es geht durch einige nette, kleine Örtchen, teils eine abenteuerliche Radegeführung, die wir bisher noch nicht kennen:

Rechts oder links herum um die Kapelle???

Am frühen Nachmittag trudeln wir in Györ ein. Direkt am Ortseingang winkt ein Schild mit „Camping“. Wir schwenken dort ein, landen in einem schönen Garten und dürfen dort unser Zelt aufbauen.
Nun haben wir uns aber Zeit am Wasser verdient. Wir schnappen unsere Schwimmsachen und fahren an die Mosoni-Duna, dem Nebenarm der Donau, der die Gegend hier bestimmt. Nach einer kurzen Zeit des Planschens zieht sich der Himmel komplett zu, es fängt an zu grollen und wir packen angesichts des grauen Himmels unsere Sachen lieber wieder ein und fahren zum Zelt. Dort haben wir kaum das erste Bier aufgemacht, dann blitzt und donnert es und es regnet. Im Zelt verbringen wir mit Lego, lesen und Tagebuch schreiben bei Regentreiben den Rest des Abends.

Samstag, 11.8.2018
Györ – Komáron: 58 km – gesamt 1779 km
Es hat die ganze Nacht mal mehr, mal weniger geregnet. Fein, so haben wir einen Grund auszuschlafen. Frühstück im Zelt. Als der Regen weniger wird, fangen wir an zusammenzupacken. Schließlich hört der Regen auf und wir packen das feuchte Zelt ein.
Kurzer Spaziergang durch Györ. Schönes Städtchen. Es scheint ein Barockfest stattzufinden. Lauter barock verkleidete Menschen bevölkern die Stadt. Peter ist von den ganzen Reifröcken begeistert.
Beeindruckend der Erinnerungsbrunnen an den Erfinder des Sodawassers und des Soda-Syphons.

Als wir aus Györ rausfahren, kommen wir bei einem Obi vorbei. Während Martin reinspringt, um eine neue Gaskartusche für den Kocher zu kaufen, lasse ich den Blick durch’s Gewerbegebiet schweifen und kann Werbung für folgende Läden finden:
Obi (na klar, ich stehe ja davor), DM, C&A, Fressnapf, Aldi, Lidl. Spar, Kaufland, sogar einen Praktiker soll’s hier irgendwo geben. Außer Tesco also alles fest in deutscher Hand und sehr vertraut.
Auf der Hälfte des Weges finden wir einen wunderbaren Radwanderer-Rastplatz inmitten eines Dorfes. Überdachte Tische und Bänke, ein Coop für den Mittagssnack und ein Cafe für eine Tasse Kaffee, die mit zum Rastplatz genommen werden kann. Wir treffen einige Radler vom Campingplatz in Györ wieder.
Auf dem Weg nach Komaron finden wir heute wegetechnisch alles, was der Reiseführer hergibt:
– schön asphaltierter (und langweiliger) Weg auf dem Donaudamm,
– entlang der Land- oder Bundesstraße ohne begleitenden Radweg (naja, nach 10 km gewöhnt man sich an die vorbeirauschenden Autos – Peter immer schön in der Mitte)
– schlechter Weg am Bahndamm entlang, garniert mit Schlaglöchern und nach der Regennacht riesigen Pfützen

Ok, das schlimmste Stück mit Pfützen so groß wie Seen lassen wir nach dem hilfreichen Tipp eines ortskundigen Ungarn gern aus und folgen lieber der Landstraße und sausen so nach Komáron rein.
Am Campingplatz dann die positive Überraschung. Auch hier sprudelt eine der über tausend Thermalquellen Ungarns und der Campingplatz hat einen direkten Zugang zum Bad. Prima: Wir haben die Auswahl zwischen diversen Schwimm- und Spaßbecken incl. Rutschen, großen Liegewiesen und einer Poolbar (Drink mit Alkohol knapp 2€, alkohohlfrei 1,20€). So lässt es sich bequem leben und es entschädigt für die profanen selbst gekochten Nudeln am Abend.

Sonntag, 12.8.2018
Komáron – Esztergom: 60 km – 1839 km
Nach dem Aufstehen direkt noch mal ins Bad zum Planschen. Später Aufbruch, dafür hat aber der Tesco trotz Sonntag geöffnet und wir können Proviant für den Tag kaufen.
Über die Brücke wechseln wir mal eben den Staat und landen wieder in der Slowakei.

Hab ich im Blog schon einmal erwähnt, wie klasse ich es finde, dass es die EU gibt und ich heilfroh bin, dass wir so einfach, unbeschwert und friedlich(!) die Grenzen überschreiten können? Passend dazu landen wir in Komárno direkt am Europaplatz, der 1999/2000 errichtet wurde. Die Idee: Die 45 Gebäude des Platzes vertreten die einzelnen Länder Europas. Rundherum noch ein paar Bronzestatuen von ehemaligen, wichtigen Herrschern in Europa. Eine wunderbare Idee. Schade nur, dass es auch hier einige Leerstände in den Ladengeschäften zu verzeichnen gibt. Ich wünsche Komárno alles Gute, dass diese Idee weiter wächst und gedeiht.

Die im Reiseführer angepriesene Festung verschließt sich uns festungsgleich. Man kommt nur mit einer Führung rein, die wir uns heute aber nicht geben wollen. So fahren wir nun auf slowakischer Seite die Donau weiter.
Mittags Rast am Strand der Donau. Peter und ich erfrischen uns im kühlen Wasser und freuen uns an den anderen Menschen, die offensichtlich Spaß am Bad in der Donau haben. Vor allem die Jungs, die ihren aufgeblasenen LKW-Reifen immer wieder die Donau herauftragen und dann johlend an uns vorbeipaddeln, haben es uns angetan.

Die letzten 20 km setzen wir uns auf die Landstraße, um den Weg erheblich abzukürzen und so kommen wir flott nach Štúrovo, gegenüber von Esztergom. Von hier haben wir einen grandiosen Blick auf die Basilika von Esztergom. Den größten Kirchenbau Ungarns. Erstaunlich: wir konnten die grüne Kupferkuppel schon 15 km vor Esztergom sehen. Und als wir in Štúrovo eine denkbar langweilige Straße heruntergurken, kommt plötzlich riesengroß, geradezu wie eine Trutzburg, die Basilika in den Blick. Puh, das ist schon ein berauschender Moment. Die Basilika wird pflichgemäß von Štúrovo aus fotografiert (so steht’s immerhin im Reiseführer).

Und dann queren wir wieder die Donau und rollen wieder nach Ungarn rein:

Am Campingplatz gibt es einen kleinen Pool, den wir noch besuchen und beplanschen und dann geht’s in ein Restaurant in der Nachbarschaft. Immerhin möchten wir stilecht ungarisches Gulasch genießen.

Die Sonne geht höchst malerisch hinter der Donau unter und wir sitzen noch ein wenig am Ufer, um dieses Spektakel live mitzuerleben.