Endspurt nach Sizilien

Mittwoch, 24.10.2018
Scalea – Paola, 62 km, 4430 km insgesamt.
Wir folgen der SS18 weiter nach Süden und weichen nach Möglichkeit auf Parallelstraßen aus, weil die SS18 hier viel befahren ist und des öfteren durch Tunnel führt. Bei km 4390 habe ich (Martin) meinen ersten Platten: Verursacher ist ein stabiler Pflanzendorn, der das Vorderrad durchbohrt hat. Das ist schnell geflickt. Die Orte die Küste entlang sind keine reinen Ferienorte mehr und deswegen belebter. Bei Marina de Belvedere kommen wir durch einen Markt, hier wird vor allem Kleidung verkauft. Das Dorf hat eine hübsche Strandpromenade, dekoriert mit bunten Mäuerchen und alten Fahrrädern.


Die Strecke gestaltet sich weitgehend flach. Nur die zwei Male, wo wir zurück auf die SS18 müssen, geht es steil den Berg hoch.

Nach einer letzten Steigung erreichen wir unser bescheidenes Appartement „Villa Rosa“ dicht an der SS18. Wir sitzen draußen und können vom Hügel herab das Meer sehen, bis die Sonne leider viel zu früh untergeht.

Im „Lonly Planet“ ist Paola als Städtchen beschrieben, in dem die Italiener im Trainingsanzug an der Straßenecke stehen. Wir sehen daher von einer Besichtigung ab, planen den weiteren Weg und stellen fest, dass wir eigentlich in 4 Tagen in Messina auf Sizilien sein müssten. Es sind nur noch ein paar Berge zu überwinden. Schauen wir mal.

 

Donnerstag, 25.10.2018
Paola – Lamezia Golfo, 68 km, insgesamt 4498 km
Weiter geht es die SS18, diesmal gibt es kaum Möglichkeiten, auf Parallelstraßen auszuweichen. Immerhin ist die heutige Etappe außer der Anhöhe zu Beginn in Paola ziemlich flach. Auf der Suche nach einem Cafe für die Vormittagspause werden wir im Dörfchen Pezzalonga fündig, ein paar Häuser, eingeklemmt zwischen Bahnlinie und SS18. Nach Campora San Giovanni führt die Straße kilometerweit schnurgrade durchs Land, zusammen mit dem Verkehr eingeklemmt zwischen den Leitplanken fühlen wir uns etwas unwohl. Irgendwann kommt uns tatsächlich ein Reiseradler entgegen und hält für ein Schwätzchen. Frank hat in Nürnberg einen Radladen und ist auf dem Rückweg aus Sizilien.
Unser Appartement „Villagio Lamezia Golfo“ entpuppt sich als gespenstisch leere Appartementanlage neben dem Flughafen Lamezia Terme, auf dem tatsächlich ein paar wenige Verkehrsflugzeuge starten und landen. In der leicht gammeligen Anlage bekommen wir 2 Zimmer mit Bad, Küche und Riesenbalkon für 24€, da haben wir auf einigen Campingplätzen mehr bezahlt.

Nachmittags gehen wir zum nahen, ziemlich leeren Strand und bleiben bis zum wieder einmal schönen Sonnenuntergang am Meer. Neben der untergehenden Sonne im Westen erscheint in der Ferne eine Insel – das müsste Stromboli sein.

 

Freitag, 26.10.2018
Lamezia Golfo – Mileto, 49 km, insgesamt 4547 km
Zum Frühstück finden wir uns in der uns am Vortag genannten „Bar“ auf der Appartementanlage ein, dort ist allerdings alles geschlossen und niemand zu sehen. Wir treiben einen Hausmeister auf, der uns mit Cappuccino, Birnensaft und in Plastik eingeschweißten Hörnchen versorgt.

Dann geht es weiter, immer noch auf der SS18. Auf dem Weg dahin müssen wir eine zugemüllte, abgesperrte Brücke überwinden.

Erstes Zwischenziel ist Pizzo, das Städtchen liegt auf einer Klippe über dem Meer. Hier soll in den 50er Jahren das Tartufo-Eis erfunden worden sein – eine gefüllte Eiskugel in irgendwas gerollt, in diversen Sorten. Am Platz im Stadtzentrum gibt es ein knappes Dutzend Eisdielen, die um Gäste wetteifern. Ok, dann müssen wir wohl Tartufo probieren und unterhalten uns währenddessen mit einem älteren Ehepaar aus Reutlingen, das 30 Tage hier in Süditalien verbringt.


Hinter Pizzo geht es bis Vibo Valenzia hinauf auf über 500 Meter und anschließend wieder ein Stück hinab bis Mileto. Dort haben wir etwas Mühe, unser B&B „Normanno“ zu kontaktieren. Die lt. Booking.com vorhandene Kochgelegenheit gibt es leider nicht, dafür versorgt uns der Vermieter mit gerösteten Pizzabrotresten vom Vortag. Der Ort besteht aus ein paar gitterförmig angeordneten Straßen und bietet quasi nichts Sehenswertes außer einer bemerkenswerten Häufung von älteren, zerkratzten kleinen Fiat-Modellen auf den Straßen. Wir kommen uns als ausländische Touristen etwas seltsam vor. In einer Bar bekommen wir zum Spritz außer den oftmals üblichen Chips und Nüsschen auch noch einen Teller mit frittierten Häppchen und Broten dazu, damit hat sich das Abendessen schon erledigt.

 

Samstag, 27.10.2018
Mileto – Sant’Elia di Palmi, 44 km, insgesamt 4591 km
Die ersten 13 km geht es abwärts, der aufmerksame Leser ahnt es bereits: Die SS18 entlang. In den Tälern hängen morgendliche Nebelfetzen, wir fahren durch Oliven- und Orangenhaine. Wir fahren durch Rosarno und Gioia Tauro, die miteinander um den Preis der hässlichsten Stadt auf unserem Weg wetteifern. Bröckelnder Putz, roher Beton, die Straße ein Flickwerk von Schlaglöchern, Müll und natürlich viel Stadtverkehr.

Nicht zum ersten Mal sehen wir viele dunkelhäutige junge Männer, die entweder an Straßenkreuzungen stehen und auf irgendwas warten oder auf klapprigen Rädern irgendwohin fahren. Vielleicht Flüchtlinge, die sich als Tagelöhner verdingen?
Vor Palmi geht es wieder aufwärts. Wir passieren Palmi und fahren schwitzend auf über 500 Meter hinauf bis auf den Monte Sant’Elia. Dort oben gibt es den Villagio Camping Sant Elia. Zuvor haben wir angerufen und uns vergewissert, das er geöffnet hat. Als wir dort ankommen, werden wir von einem jungen Mann in Empfang genommen, der uns eine Ecke für das Zelt zuweist und auf den Waschraum zeigt. Irritierenderweise wirkt alles tot und leer, hier scheint niemand anders zu sein. Der Waschraum ist zugeräumt und von Spinnweben durchsetzt. Catrin fragt nochmal nach, worauf ein anderer Herr uns erklärt, hier sei geschlossen und wir sollten am besten weiterfahren. Darauf haben wir nicht so recht Lust und nach einigem hin- und her dürfen wir für eine Nacht bleiben. Es gibt Wasser, damit ist die Mindestbedingung fürs Zelten erfüllt. Einige Zeit später zeigt uns der Herr noch ein Klo und eine Dusche, zugänglich, funktionierend und sogar warm. Offensichtlich sahen wir mitleiderweckend genug aus.


Wir laufen zum Aussichtspunkt am Monte Sant Elia und und erblicken Sizilien!

Es gibt sogar ein Restaurant, das geöffnet hat. Wir trinken ein Bier und bleiben die einzigen Gäste. Abends auf dem Campingplatz erwacht das Restaurant dort unerwartet zum Leben. Ab 21:00 Uhr strömen die Gäste, parken vor unserem Zelt und lärmen munter herum.

 

Sonntag, 28.10.2018
Sant’Elia die Palmi – Messina, 46 km, insgesamt 4637 km
Nachts und morgens leichter Regen, auch die Vorhersage für die nächsten Tage ist eher nass.

Wir ignorieren die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit und stehen bei Sonnenaufgang auf. Bezahlen müssen wir nichts, sehr nett. Die nächsten 15 km geht es abwärts. Wir machen Stopp in Scilla, wo schon Odysseus auf seiner Heimkehr die Wahl zwischen Scilla (dem menschenfressenden Seeungeheuer) und Charybdis (dem schifferversenkenden Mahlstrom) hatte.

Mittlerweile bläst uns nicht nur gelegentlicher Regen, sondern auch der Scirocco heftig aus Süd entgegen. Der ist immerhin warm. In Villa San Giovanni verlassen wir endlich ungefähr bei km 510 die SS18 und fahren zum Fähranleger. Unkompliziert erstehen wir Fahrkarten für uns und die Räder (3€ pro Person incl. Rad), reihen uns in die Autoschlange auf die Fähre ein, schieben die Räder in den Bauch der großen Autofähre und schon legt die Fähre ab.

Der recht hohe Seegang macht den Aufenthalt zu einem Erlebnis, teilweise wird das große Schiff von mächtigen Brechern eingenebelt. Sizilien empfängt uns wolkenverhangen.

Unsere Reiseführer listen für Messina lediglich den Dom und eine weitere Kirche als Sehenswürdigkeit auf. Alles ist geschlossen, wir haben Mühe, ein geöffnetes Restaurant zu finden. Irgendwie haben wir uns Messina lebendiger vorgestellt, auch am Sonntag. Wir landen in der Trattoria del Popolo, in der wir preiswert speisen, während draußen ein heftiger Schauer niedergeht. Schließlich machen wir uns auf den Weg noch ein paar km Richtung Süden zu unserer Unterkunft „Nunzias house“. Unterwegs kommen wir an einem Lidl vorbei, der tatsächlich geöffnet hat und wo entsprechender Andrang herrscht.

Kaum sind wir drin, fällt das Licht bis auf die Notbeleuchtung aus – Stromausfall. Ärgerlicherweise funktionieren deswegen die Kassen nicht mehr, und das Sicherheitspersonal geleitet alle hinaus. Kaum draußen, geht die Beleuchtung wieder an. Wir kehren zu unseren Einkäufen zurück, die wir strategisch günstig vorne auf einem Kassenband abgelegt haben, und müssen noch einige Zeit warten, bis auch die Kassen rebootet sind.
Von unserem Appartement gehen wir noch ein paar Schritte zum nahen Meerufer – der immer noch starke Wind lässt hohe Brecher an den Strand rauschen und die Gischt stiebt. Viel zu früh wird es dunkel.

Basilikata? – Ein Gewürz, eine Kirchenbauweise oder was?

Freitag, 19.10.2018
Pompei – Salerno, 47 km, insgesamt 4213 km
Heute müssten wir eigentlich die Amalfi-Küste entlangfahren. Wir wagen es aber nicht – Reisende zuvor und auch Catrins Bruder Michael haben uns davon abgeraten. Die Straße sei schmal und kurvig, als Radfahrer – zudem als schwerfältiger Radfahrer mit Tourengepäck und Kind – solle man die Strecke nicht wagen. Dankenswerterweise versorgt uns Michael mit Fotos der Amalfiküste. Folgendes haben wir beispielsweise verpasst:

 

Also fahren wir direkt über die SS18 und parallel führende Straßen Richtung Salerno. Die Strecke führt durch geschlossene Bebauung, alles Orte, die noch zum Großraum Neapel gehören. Dementsprechend dicht ist der Verkehr. In Salerno schauen wir uns den Duomo an, in dem (angeblich) das Grab von St. Matthäus ist. Die große Krypta ist jedenfalls voll von Fresken aus dem Leben Jesu.

Dann wollen wir noch in ein Museum, in dem medizinische Praktiken des Mittelalters dargestellt werden, aber es ist wegen einer epischen Mittagspause von 13:00 bis 17:00 Uhr geschlossen. Also fahren wir noch einige Kilometer weiter am Meer entlang, hier endet die geschlossene Bebauung. Der Camping „Lido di Salerno“ hat geöffnet, viel Platz (bis auf die wenigen deutschen und österreichischen Wohnmobile) und liegt direkt am Strand. Wir plantschen im Meer in der Nachmittagssonne und genießen den Urlaub.

Samstag, 20.10.2018
Salerno – Paestum, 24 km, insgesamt 4237 km
Gradewegs die Küste entlang fahren wir heute nur einen kleinen Hopser nach Paestum. Unsere Tagesetappen werden mittlerweile stark von noch geöffneten Campingplätzen bestimmt. Auf der Suche nach einer Einkaufsgelegenheit zeigt uns Google einen Aldi an der Strecke – den haben wir hier schon lange nicht mehr gesehen. Den Aldi, den wir finden, hat allerdings bis auf den wahrscheinlich zufällig gleichen Namen mit „unserem“ Aldi nichts zu tun.

Vor dem Laden kommen wir mit einem Pilger ins Gespräch (erkennbar an der Jakobsuschel am Rucksack), der seit 9 Monaten zu Fuß unterwegs ist. Erst von Hamburg nach Rom, dann ist er weitergewandert nach Jerusalem, hat sich von einem Frachtschiff nach Neapel mitnehmen lassen und ist jetzt auf dem Weg in den Süden.
Weiter geht die Strecke an dem uns mittlerweile vertrauten Anblick geschlossener Lidos, Strandparkplätzen und diverser Campingplätze vorbei. In Paestum schlagen wir unser Zelt auf dem Camping dei Pini auf, der ganzjährig geöffnet hat. Dann sehen wir uns die griechischen Tempel an. Paestum, ursprünglich Poseidonia, ist eine griechische Gründung aus dem 6. Jhd. vor Christus, bis die Stadt im 3. Jhd. v. Chr. von den Römern erobert wurde, in der Kaiserzeit an Bedeutung verlor und im 5. Jhd. n. Chr. mehr oder weniger verlassen wurde. Die Gegend versank in Sumpf und Urwald. Erst im 18. Jhd. wurden die Reste wiederentdeckt, als eine Straße quer durch das Gelände gefräst wurde. Es stehen noch 3 imposant aussehende griechische Tempel dort. Goethe war auch schon da.

 

Sonntag, 21.10.2018
Paestum – Ascea, 55 km, insgesamt 4292 km
Der virtuelle Track der Eurovelo 7 bzw. Ciclopista del Sol scheint heute streckenweise über die autobahnähnliche Schnellstraße SS18 zu führen, was uns irritiert. Stattdessen fahren wir größtenteils über die SR 267, die wunderschön die Küste entlangführt. Mit einigen Steigungen, aber alle gut zu fahren.

Das Wetter ist ideal, Sonnenschein bei milder Luft. Auch der Verkehr lässt nach einigen Kilometern stark nach, wir wissen nicht, ob das dem Sonntag geschuldet ist. In Pioppi lockt uns ein Cafe mit einem Schild „Bicycle Stop“, dort essen wir eine Kleinigkeit und bestellen – dank unserer mangelhaften Sprachkentnisse aus Versehen – zwei Teller frittierte Sardinen. Hätten wir absichtlich nie gemacht, aber es war lecker!

Für die Nacht und den morgigen Tag ist Regen angesagt, deswegen haben wir uns im etwas abseits liegenden B&B / Restaurante „Il Grappolo“ einquartiert, obwohl wir lt. telefonischer Auskunft auch auf dem Wohnmobilparkplatz „il Mulino“ hätten campen können.
In Ascea gibt es griechische Reste zu besichtigen. Da diese lt. Reiseführer weder mit Tempeln wie in Paestum noch mit Häusern wie in Pompei aufwarten können, bleiben wir wo wir sind. Peter baut aus einer Klappliege eine Burg für seine Lego-Männchen. Wir erforschen die Route für den morgigen Tag. Diese verspricht viele, viele Höhenmeter auf den knapp 60 km bis zum nächsten B&B in Scario. Und das bei angesagtem Regen. Und einer von Google Maps verzeichneten Straßensperrung. Es wird also spannend.
Abends essen wir Pizza im angegliederten Restaurant. Die Küchenfee ist in Wuppertal aufgewachsen und unterhält sich mit uns auf deutsch.

Montag, 22.10.2018
Ascea – Scario, 16 km, insgesamt 4308 km
In der Nacht gibt es ein paar Gewitter und wir freuen uns über ein festes Dach. Morgens dräuen dunkle Wolken, aber es ist noch trocken.

Nach den ersten 8 km hat uns der Regen eingeholt und wir stellen uns unter einem Vordach in Ascea unter. Es schüttet wie aus Kübeln. Die Straße verwandelt sich in einen Fluss, die Autos fahren spritzend durch und aus den Gullideckeln kommen Wasserfontänen.

Irgendwann lässt der Regen nach, aber weitere dunkle Wolken ziehen heran. Wir beschließen eine Planänderung und fahren eine supersteile Straße hinunter zum Bahnhof in Mare di Ascea. Catrin stürzt fast auf der regennassen Fahrbahn, kommt aber glücklicherweise auch heil unten an. Am Bahnhof halten kaum Züge, der nächste Regionalzug Richtung Süden fährt um 14:26 Uhr. Den wollen wir bis Policastro Bussentino nehmen. Bis wir die Fahrkarten am Automaten erstanden haben, hat der Regen aufgehört und die Sonne kommt zwischen den Wolken hervor. Nun ja. Wir laufen durch den Ort bis zur Promenade am Meer – gähnend leer, alles geschlossen und das Meer brandet rauschend an den vollkommen leeren Strand. Peter findet’s prima und fängt gleich mit einem Stock an, im Sand zu wühlen.
Auf dem Rückweg zum Bahnhof noch in einer Pasticceria leckere süße Teilchen geholt (irgendwie muss man sich ja belohnen) und mit einem Cappuccino aus der Bahnhofsbar genossen.
Nun müssen nur noch die Fahrräder mit dem ganzen Gepäck auf Bahnsteig 2 gewuchtet werden. Also, alles abbauen, Treppe runter schleppen, durch den Tunnel (in dem das Wasser steht) tragen, Treppe wieder rauf tragen. Inzwischen sind zwei weitere Reiseradler angekommen. Beide mit E-Bikes (Riese und Müller) und Ortlieb-Satteltaschen ausgestattet. Zu unserer Überraschung entpuppen sich die beiden als Italiener. Allerdings kommen sie aus dem äußersten Nordwesten in der Nähe von Aosta, sind also quasi eher Franzosen. Denn Italiener haben wir bisher nur als Rennradler gesehen. Reiseradeln ist hier absolut unüblich, daher werden wir ja auch immer bestaunt, wenn wir vorbeiradeln.


Der Zug fährt ein, unter großem Hallo werden die Räder ins Fahrradabteil gehoben. Der Zug fährt die nächsten 30 km quasi Luftlinie fast immer im Tunnel. Wir steigen nach 3 Stationen schon wieder aus, warten den nächsten Regenguss ab und fahren 5 km zurück zu unserer vorgebuchten Unterkunft in Scario.

Wir beziehen eine ganze Wohnung mit Küche, die kaum mehr als ein Stellplatz beim Campen kostet. Der Ort hat eine hübsche Uferpromenade mit einem kleinen Hafen, die Brandung rauscht an die Mauer und die Küstenkulisse ist teils verhüllt von Wolken, teils angestrahlt von ein wenig Sonne. Touristen hat es um diese Jahreszeit hier nicht mehr.

 

Dienstag, 23.10.2018
Scario – Scalea, 60 km, 4368 km
Hurra, es ist trocken. Später lesen wir, dass gestern in Rom Wolkenbrüche mit Hagelschauer niedergingen. Da sind wir gestern doch recht trocken davongekommen. Wir fahren heute die SS18 „Tirrena Inferiore“ die Steilküste entlang. Von Policastro aus bewundern wir einen schönen Regenbogen hinter uns am Berg, wir bleiben trocken.

Ab Sapri windet sich die schmale Straße wunderschön am Hang entlang. Wir überqueren die Grenze zwischen Kampanien und Basilikata, diese Region war uns vorher kein Begriff. Die Straße ist gut und mit 5 bis 6 Metern breit genug für zwei Spuren. Solange man kein Bus oder LKW ist. Der Verkehr ist kaum nennenswert. Wir kommen gar nicht dazu, uns über die eine oder andere Steigung zu ärgern, weil sich hinter jeder Biegung ein neuer, atemberaubender Blick auf die Küste bietet. Vor einer Kulisse aus Sonne und Wolken zeigen sich die Steilküste und das türkis- bis dunkelblaue Wasser von ihrer besten Seite. Im Reiseführer wird diese Küste bei Maratea gerne mit der Amalfi-Küste verglichen. Im Gegensatz zur Amalfi-Küste konnte uns hier niemand von der Fahrt über diese wunderschöne Strecke abraten, und das war auch gut so.

 

Über Maratea erhebt sich auf einem Berg eine Christusstatue, die der auf dem Corcovado in Rio de Janeiro Konkurrenz macht. In der Kirche daneben ruhen die Gebeine von St. Blasius, der uns vielleicht auch bis ins Tal vor Halskrankheiten schützt. Da hinauf fahren wir mit den Rädern bestimmt nicht.

Bei Castrocucco ist Basilikata schon wieder zu Ende – die Region erstreckt sich zum größten Teil im Landesinneren – und wir erreichen Kalabrien. Die SS18 wird hier zu einer gut ausgebauten, breiten Straße mit mehr Verkehr und weniger landschaftlichem Reiz. Wir fahren etwas küstennäher (und steigungsärmer) über die SP1, bevor wir uns wieder ein paar Serpentinen zur SS18 hinaufschrauben. Mittlerweile hat der aus Nordost wehende Wind, der uns unterwegs schon gut geschoben hat, zu starken Böen aufgefrischt. Die SS18 führt zwischen Atrigna und San Nicola Arcella auf Brücken über einige tief eingeschnittene Schluchten. Vor den Brücken warnen elektrische Warnschilder vor „Vento Forte“. Auf der letzten Brücke heult der Wind unheilverkündend durch die Drahtgitter beidseits der Brücke und packt uns ins mit einer Böe von schräg hinten. Erst muss ich (Martin) mich darauf konzentrieren, nicht gegen die Fahrbahnbegrenzung gedrückt zu werden. Dann nehme ich den Schwung mit und lasse mich vom Wind flott auf 28 km/h beschleunigen. Wir sind froh, als wir die Brücken hinter uns haben und abwärts nach Scalea rollen. Was für ein Glück, dass wir nicht gegen den Wind fahren müssen.
Deutlich früher als angekündigt erreichen wir das Appartement „Casa Kerol“ in Scalea, wo just im gleichen Moment zufällig unser Vermieter auftaucht und uns freundlich in Empfang nimmt. Am Nachmittag laufen wir durch die Altstadt – enge Gässchen mit Treppen drängen sich um einen Hügel. Auf vielen Treppen geht es hinauf- und hinab. Daher auch der Name der Stadt Scalea – das heißt auf italienisch Freitreppe. Was für ein Glück, dass wir nicht aus Versehen ein Zimmer mitten in der Altstadt gebucht haben. Das hätten wir mit den Rädern schlecht erreichen können.

Neapel

Sonntag, 14.10.2018
Sperlonga – Mondragone, 58 km, insgesamt 4078 km
Wir fahren bei wunderschönem Wetter los. Die Küste präsentiert sich prächtig. Wir durchqueren einige Straßentunnels und machen Fotostopps, da jede neue Bucht, jede Kurve neue hübsche Ein- und Ausblicke liefert.

Gaeta ist weitgehend langweilig. Wir machen eine kurze Strand- und Sandpause und fahren dann weiter die Landstraße entlang. Diese ist dank Sonntag recht verkehrsarm. Die wenigen Autofahrer, die uns sehen, winken uns fröhlich zu. Die Rennradler grüßen freundlich. Erstaunlich,wie viele Menschen von unserem Tross ein Foto oder Filmchen machen. Zum großen Teil aus den fahrenden Autos heraus. Wir haben schon Beifahrer aus dem Fenster mit der Handykamera hängen sehen oder Fahrer, die uns ganz langsam überholten und uns aus dem geöffneten Beifahrerfenster fotografierten. Ein Rennradler, der uns entgegenkommt, wendet auf der Straße, kommt hinter uns her und fragt uns, wo wir herkommen und wo wir hinfahren, bevor er wieder seines Weges fährt. Wahrscheinlich sind wir auf allen Netzwerken Italiens schon Berühmtheiten und wissen es nur nicht …
Im Niemandsland einer menschenleeren (da Saisonende) Stadt winkt uns eine Dame aus der einzigen geöffneten Trattoria freundlich zu. Wir können nicht widerstehen, kehren ein und essen Lasagne und Teigteilchen, obwohl wir doch eigentlich nur einen Cappuccino trinken wollten.

Weiter geht’s die Landstraße entlang. Abends wollen wir irgendwo in Mondragone in einem Bungalowpark übernachten, da alle Campingplätze geschlossen haben. Und davon gibt’s hier an diesem Küstenstrich mehr als genug. Doch 500 m vor dem Bungalowpark steht ein Tor offen mit einem Campingschild. Wir fahren neugierig hinein, und treffen auf ein paar Menschen, die uns freundlich einen Stellplatz zuweisen. Da die Dauercamper auf diesem Platz ihre Hütten schon winterfest gemacht haben, sieht das ganze etwas wie Favela aus. Jedoch die Stellplatzreihe direkt am Strand ist mit ein paar Wohnmobilen (die meisten aus Deutschland…) belegt. Und mittendrin schlagen wir unser Zelt auf. Der Platz ist mit einer dünnen Schicht Sand bestreut, die von einem Netz festgehalten wird. Doch schon in 5 cm Tiefe ist Betongrund. Die Heringe halten kaum, aber das Zelt steht. Das Wetter ist schön, daher braucht es keine weitere Abspannung (haha – siehe Tagebucheintrag morgen).

Wir laufen noch an den Strand, springen ins Meer und genießen einen weiteren schönen Sonnenuntergang. Das ist der Vorteil, dass wir nun an der Westküste sind: Die Sonnenuntergänge sind klasse!

Montag, 15.10.2018
Montragone – Neapel, 68 km, insgesamt 4136 km
Thema des Tages: Fahrt durch hundert Welten
In der Nacht fängt es an zu winden. Da wir in den von einer dünnen Sandschicht überzogenen Beton-Stellplatz kaum Heringe hereinbekommen haben, ist es nur unserem Körpergewicht und dem einzigen haltenden Hering zu verdanken, dass das Zelt nicht weggeflogen ist. Als wir frühmorgens von dem Sturm aufwachen, flattert uns das Innenzelt um die Ohren und vor dem Fliegengitter ist vor lauter Vorzeltplane unser Gepäck nicht mehr zu sehen. Na gut – dann stehen wir halt mal im Halbdunkeln auf, kramen unsere Sachen zusammen und verpacken das flatternde Zelt. In einem halbwegs windgeschützten Eckchen zwischen den Baracken machen wir ein schnelles Frühstück und sind so schon ungewöhnlich früh unterwegs.
Nun beginnt eine wahrhaft spannende Tour.
Zunächst nehmen wir kleine Feldwege, um die Landstraße zu vermeiden. Denn im Gegensatz zu gestern (Sonntag) ist sie heute am Montag vollgestopft mit Lastwagen. Die Feldwege werden von den dort ansässigen Bewohnern offensichtlich als Müllkippe verwendet. Für uns unverständlich. Wir fahren unmittelbar am wunderschönen Mittelmeer entlang und wähnen uns auf einer Müllhalde. Vor allem vor dem Hintergrund, dass in den Städten der Müll nach Papier, Plastik und Glas getrennt gesammelt wird und auch auf allen Campingplätzen und B&B’s strikte Mülltrennung herrschte. Hier auf dem freien Land scheint all dies nicht zu gelten und Matratzen, Kühlschränke, Altkleider, Wohnzimmereinrichtungen und sonstiger Haushaltsmüll fliegen kreuz und quer durcheinander.

Wir kommen in das Uferstädtchen Pescopagano. Eine neue Welt tut sich hier auf. Diese Stadt scheint sehr ambitioniert auf diversen Reißbrettern entworfen worden zu sein. Jedoch ist sie offensichtlich schon vor dem Erblühen wieder verblüht. Wir sehen lauter leer stehende Häuser, Bauruinen, Schilder „Vendesi“ (zu verkaufen) auf Häusern, Grundstücken und Autos. Nun gut, die Urlaubssaison ist auch hier seit Mitte September vorbei. Doch wir versuchten uns vorzustellen, wie es hier wohl in der Hochsaison aussieht und können es uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass hier dann mehr Leben herrscht. Aus einem der wenigen bewohnten Häusern kommt ein Mann mit einer Plastiktüte heraus. Peters Kommentar: „Guck mal Mama, der wirft jetzt seinen Müll ins Gebüsch.“ Was das Kerlchen auf dieser Tour alles lernt…
Nach dem Queren eines Flüsschens tauchten wir in die nächste Welt. Lauter Orte, die mit „Pineta“ beginnen und nahtlos ineinander übergehen. Kilometerlang fahren wir die Hauptstraße – umgeben von tosendem Verkehr – entlang. Nach rechts immer wieder Abzweige zu diversen Lidos, die alle gleichermaßen uneinladend aussehen. Zwischen Gewerbegebieten, Hotels und Lidos immer wieder leichtbekleidete Frauen, die an der Straße stehen oder sitzen und ihre Dienste anbieten.
Weltenwechsel: Wir erreichen den Ort Pozzuoli. Der Verkehr bleibt übrigens bis Neapel gleichmäßig stark und laut (dafür ist Neapel immerhin berühmt). Hier können wir die Vulkanlandschaft erahnen. Es tun sich Berge auf, die als Wände von Vulkankratern erkennbar sind. Als wir die erste Steigung hinter uns haben, liegt neben uns ein kreisrunder See (aha – Vulkankrater) und der Blick weitet sich Richtung Meer. Die Küste sieht von lauter Vulkantätigkeit in vergangener Zeit zerklüftet aus.

In einer Bar rüsten wir uns für die letzten 15 km nach Neapel hinein. Es geht munter in heftiges Verkehrsgewusel in immer engeren Straßen. Es empfiehlt sich eine sehr selbstbewusste Fahrradfahrweise, sonst kommt man hier nicht mehr wirklich vorwärts. Jedoch: Für einen deutschen Bambino biondo bremsen alle Autofahrer gern. Nur vor den Rollerfahrern muss man sich in Acht nehmen. Wir umrunden das Stadio San Paolo in Fuorigrotta und müssen die letzte Steigung vor Neapel nehmen. Zur Belohnung bekommen wir am Ende eine tolle Sicht über die Innenstadt mit dem Vesuv als Sahnehäubchen oben drauf.

Durch noch engere Straßen (geradezu Gassen) kommen wir in die Innenstadt, lassen uns durch die Flanier- und Einkaufsmeilen „Via Chiala“ und „Via Vittorio Emmanuele“ schwemmen und kommen punktgenau zum vereinbarten Zeitpunkt an unserer Unterkunft am Rande der Altstadt an.
Puh!
Wir wohnen im zweiten Stockwerk eines Altbaus. Leider können wir die Fahrräder nicht unten stehen lassen, dürfen sie aber mit in unser Zimmer nehmen. Also schleppen wir sie neben unserem ganzen anderen Gepäck auch noch die Treppen hoch. Zum Glück ist unser Zimmer riesig (besteht genaugenommen aus drei Zimmern), sodass genug Platz für noch weitere 8 Räder hier wäre.
Beim Auspacken einer von Peters Satteltaschen kommt uns tatsächlich noch eine Nacktschnecke aus Rom entgegen, die als blinder Passagier die letzten Tage mitgereist ist.
Abends lassen wir uns durch die Altstadt treiben, sehen uns das Barockmonster Chiesa Gesu Nuovo an und landen in einer Pizzeria, die uns beweist, dass man in Neapel tasächlich die weltbesten Pizzen essen kann.

 

Dienstag, 16.10.2018
Neapel
Morgens laufen wir zum Castel Nuovo, einer etwas seltsam anmutenden Trutzburg mit 5 Türmen und einem stilistisch unpassenden Marmorportal.

Dann treffen wir Catrins Bruder Michael an der Piazza Dante. Er macht grad Urlaub in Sorrent. Zeitlich passt das prima mit unserer Ankunft hier zusammen. Wir schauen uns den Dom an mit dem Blutreliquiar von San Gennaro, bestaunen in der „Krippengasse“ San Gregorio Armeno die absonderlichsten Dinge des italienischen Geschmacks und und lassen uns dann von Michael mit seinem Leihwagen auf den Capodimonte herauffahren.

 

Mit dem Auto durch den Verkehr in Neapel zu fahren, ist eine ganz eigene Erfahrung. Da bewegen wir uns lieber mit den Rädern durch den Verkehr. Man nimmt einfach weniger Platz ein. Am Nachmittag fährt Michael wieder zu seinem Hotel nach Sorrent und wir nehmen noch an einer Tour durch Neapels Untergrund teil.

Zu römischen Zeiten führte ein langer, unterirdischer Aquädukt nach Neapel. Die Römer haben diverse natürliche Höhlen mit Gängen verbunden. Diese dienten lange, bis zur Choleraepidemie 1885 der Wasserversorgung Neapels. Anschließend verkamen sie zur Müllkippe, bis sie im zweiten Weltkrieg als Schutzbunker wiederentdeckt wurden.

Wir besichtigen noch die Reste des römischen Theaters, die sich unter den Kellern der dichten Wohnbebauung in der Innenstadt finden lassen.
Beim Vergleich von Neapel mit Rom ist mir (Martin) für Rom das Wort „beschaulich“ eingefallen. In Rom selbst wäre ich nie auf die Idee gekommen, Rom beschaulich zu nennen. Aber in Neapel sind die Gassen nur halb so breit wie in Rom, die Häuser wirken höher und es sind viel mehr Menschen unterwegs. Neapel ist laut, dreckig, vermüllt und stinkt. Neapel ist quirlig, lebendig und authentisch, viel weniger touristisch als Rom. In Neapel tobt das Leben in den engen Gassen. Ob mir Neapel „gefällt“, kann ich schlecht beantworten, aber es hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck.

 

 

Mittwoch, 17.10.2018
Neapel
Heute wird ein spannender Tag. Wir fahren zum Vesuv, dem einzigen noch aktiven Vulkan auf dem europäischen Festland. Um die Ecke unserer Unterkunft sammelt uns ein Bus ein. Um die Ecke kommt ein altes, klapperiges Modell, das wohl in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts seine Blütezeit hatte.

Wir steigen ein und lassen uns eine Dreiviertelstunde lang durch ganz Neapel rumpeln, wo an diversen anderen Haltestationen weitere Leute eingesammelt werden. Nach der Haltestelle Herculaneum schraubt sich der Bus den Vesuv hoch. Peter wird es kodderig, hält aber bis oben durch. Ca. 100 Meter unter dem Kraterrand ist ein Busparkplatz, an dem wir aussteigen. Von nun an haben wir 2,5 Stunden Zeit, uns in aller Ruhe den Vesuv anzuschauen und die Vulkanatmosphäre zu genießen. Aber – welch eine Enttäuschung – der Zugang zum Wanderweg an den Krater ist verrammelt.

Auch der Schalter für die Eintrittstickets ist geschlossen. Wir stehen und schauen ratlos. Eine deutsche Touristin klärt uns auf: In den letzten Tagen ist wohl ein Felsrutsch niedergegangen, der nun noch aufgeräumt werden muss, bevor wieder Touristen in das Gebiet dürfen. Wir sehen Bagger am Berg herumfahren und einige gewichtig aussehende Leute, die das Übel begutachten. Nun ist guter Rat teuer. Wir haben 2,5 Stunden herumzubringen an einer etwas unwirtlichen Stelle Italiens. Die einzige Möglichkeit, die sich uns bietet, ist, die Straße den Berg herunterzuwandern, ein paar Landschaftsfotos zu schießen und sich an dem vulkanischen Geröll zu erfreuen. Irgendwann laufen wir mitten in ein Geröllfeld, holen den E-Book-Reader heraus und lesen „Alice im Wunderland“ vor.

Wieder oben essen wir noch unser Picknick auf und dann ist „schon wieder“ Abfahrtszeit. Den Vesuv-Ausflug verbuchen wir unter dem Kapitel Touristen-Abzocke. Denn wir sind sicher, dass alle (Fahrkartenverkäufer und Busfahrer) Bescheid wussten, dass oben auf dem Vesuv heute nicht viel los ist.
Am frühen Nachmittag sind wir wieder in Neapel. Wir steigen am ersten Haltepunkt aus (um nicht noch einmal 45 Minuten lang durch Neapel rumpeln zu müssen) und laufen durch die Altstadt zur Kirche San Lorenzo Maggiore. Dort wurden bei den Aufräumarbeiten nach dem zweiten Weltkrieg unter der Kirche Reste eines römischen Marktes gefunden, die nun besichtigt werden können. Für einen Euro Aufschlag bekommen wir sogar eine englischsprachige Führung. Das hat sich absolut gelohnt und wir können uns lebhaft vorstellen, wie es in der engen Gasse beim Bäcker, in der Wäscherei und in der Textilfärberei zugegangen sein mochte. Peter ist es noch wichtig, auch alle Räume des angrenzenden Museums zu besichtigen. Danach noch die Kirche, zur Abwechselung mal gothisch, mit der Grabstelle Katharinas von Österreich (wer auch immer das war…) bestaunt.

Und wo wir schon beim Geld ausgeben sind, gehen wir noch in die Capella Sansevero, deren vorstechendstes Merkmal die beeindruckenden Marmorfiguren (mal mehr, mal weniger freizügig) und der leicht bedeckte Jesus (auch komplett aus Marmor) sind. Der Jesus ist wirklich beeindruckend. Man meint, man könne das Tuch über Jesus anheben, jedoch ist alles aus Marmor. Zum Gruseln geht es noch in die Krypta unter der Kapelle, wo zwei menschliche Blutadern-Modelle aufgestellt sind. Gunther von Hagens lässt grüßen.

Am spannendsten daran ist noch die Legende um die Entstehung dieser beiden Modelle: Der Prinz Raimondo di Sangro als der Geldgeber der Kapelle, soll bei seinen alchimistischen Experimenten zwei seiner Diener bei lebendigem Leibe mumifiziert haben. Und vor dem Ergebnis stehen wir heute. Die Erläuterungen auf der Tafel neben den Modellen klingt viel banaler: Es handelt sich um ein mit Wachs ummanteltes Drahtmodel. Schade – so entgruselt es sich dann ganz schnell vor so einem Modell.
Nach einem Spritz in der Bar an unserer Unterkunft laufen wir noch einmal zur Piazza del Gesu, setzen uns dort in ein Restaurant und genießen mehrere Gänge eines italienischen Menüs und trinken dazu lecker Wein. Zu Martins Bedauern gibt es in dem Restaurant keinen Dessertwein.
Die Dunkelheit senkt sich über den Platz, der Zeitschriften- und Fahrkartenverkäufer schließt seinen Kiosk, die neapolitanische Jugend krakeelt laut herum, im benachbarten Fitnessstudio schwitzen die jungen Frauen, im Lastwagen neben dem Restaurant kann Blut gespendet werden und zweimal werden wir Zeuge einer Wachablösung des Militärs auf dem Platz.
Es stimmt: Neapel ist eng, laut, chaotisch, quirlig, dreckig. Wir werden Neapel morgen mit gemischten Gefühlen verlassen und nicht wirklich wissen, wie wir diese Stadt finden.

 

Donnerstag, 18.10.2018
Neapel – Pompei, 30 km, insgesamt 4166 km
Wir wagen uns in den tosenden Verkehr und fahren Richtung Pompei, meistens über die SS18. „Ruhige“ Parallelstraßen gibt es nicht, auch dort stehen wir oft genug zusammen mit den Autos im Stau. Aber die Autofahrer fahren fast immer schön um uns herum. Neapel verschwimmt übergangslos erst mit seinen Nachbarstädten Ercolano (Herkulaneum),Torre del Greco, Torre Annunziata und Pompei. Torre del Greco hat seinen Platz vor der Kirche mit einer gewaltigen Lichtinstallation geschmückt, die wir gerne abends gesehen hätten.

Die Straßen sind schlecht, der Asphalt bröselt oder wir rattern materialermüdend kilometerweit über grobe Pflastersteine. In einem kleinen Radladen unterwegs möchte ich (Martin) einen neuen Tacho kaufen, weil ein Wackelkontakt am Kabel vom Impulsgeber meinen Sigma zunehmend unbrauchbar macht. Leider lassen sich beide Tachos, die der Laden vorrätig hat, nicht zum Funktionieren überreden, so dass wir ohne Tacho weiterfahren. Ein paar Kilometer im nächsten Radladen gibt es dann einen funktionsfähigen Tacho.
Pompei hat in unmittelbarer Nähe zur Ausgrabungsstätte gleich vier Campingplätze zu bieten, anscheinend alle geöffnet. Wir steuern den Camping Spartakus an, klein und übersichtlich, wo wir unter Orangenbäumen unser Zelt aufschlagen.
In die Römerstadt gelangen wir ohne Schlange bei bestem Wetter und laufen die nächsten Stunden staunend durch die römischen Straßen und Häuser. Unsere E-Book-Reiseführer lotsen uns zu den wichtigsten Gebäuden. Es ist beeindruckend, sich eine ganze römische Stadt vorstellen zu können mit normalen Wohnhäusern, Läden, Handwerksbetrieben, Forum, Theater und Tempeln.

 

 

 

 

Dan Brown, Illuminati und Rom

Hier noch eine Dan Brown Illuminati-Zusammenfassung von Rom.

Achtung: Im Internet gibt es bestimmt viel bessere Zusammenfassungen, aber nur diese hier ist original von uns.

Pantheon, in dem der erste Mord doch nicht stattfindet:

Santa Maria del Popolo, in dem der erste Mord in der Chigi-Kapelle stattfindet:

Petersplatz, die West-Ponente-Plakette am Obelisken, wo der zweite Mord stattfindet:

Santa Maria delle Vittoria, wo der dritte Mord stattfindet:

Piazza Navona, der Vierströme-Brunnen, wo der vierte Mord stattfindet:

Engelsburg, in der der Showdown beginnt:

Am tyrrhenischen Meer

Mittwoch, 10.10.2018
Rom – Anzio, 84 km, insgesamt 3911 km
Wir packen das vom gestrigen Regenguss leicht patschige Zelt ein. Zumindest das ziemlich verdreckte Groundsheet können wir zuvor in der Sonne trocknen. Dann verabschieden wir uns von Rainer und erreichen über die Schnellstraßen Auf- und Abfahrt den Tiber-Radweg. Wir folgen wieder der vertuellen Eurovelo 7 bzw. Ciclopista del Sol, die in der Realität weder ein Radweg ist noch eine Beschilderung hat. Abgesehen vom Stückchen Tiber-Radweg. Auf diesem geht es überraschend zügig in die Innenstadt, die wir Richtung Süden durchqueren müssen. Wir begegnen einigen (Renn-)Radlern, werden mehrfach nach woher und wohin befragt und dienen gerne als Fotomotiv. Durchs Zentrum verläuft der Radweg tief unten am Tiber und man kommt (außer über Treppen) eigentlich weder hin noch wieder davon weg. Außerdem sieht man nichts. Zum Sightseeing also weniger geeignet, für eine zügige Fahrt jedoch ideal.

Nach der Tiberinsel gibt es eine Rampe, dort verlassen wir den Radweg und erreichen vorbei am Circus Maximus die Via Appia Antika. Die ist zunächst von Verkehr umtost, zieht sich dann aber wunderschön durch römische Reste (fast) autofrei kilometerlang Richtung Südosten.

 

 

Das Pflaster ist stellenweise noch original römisch-rumpelig, was das Fortkommen erschwert. Alternativen sind die Trampelpfade zu beiden Seiten, die aber auch eher Singletracks ähneln. Auf den letzten 2 km ist der Weg nur noch für Mountainbikes geeignet, von denen uns auch einige begegnet sind (ohne Gepäck und Kind hintendran!). Die virtuelle Route der Eurovelo 7 ist also noch verbesserungswürdig, auch weil der weitere Trackverlauf über eine durch ein hohes Gittertor gesperrte Privatstraße und später über die SP3 „Via Ardeatina“ führt. Die ist schmal, kaputt und von vielen LKW befahren. Wieder viele Gewerbebiete und gewerbetreibende Damen am Straßenrand.
Unser Ziel ist der Campingplatz Isola Verde ein paar km vor Nettuno. Das ist für uns eine relativ lange Etappe. Immerhin soll der Campingplatz noch geöffnet haben, so ganz eindeutig habe ich (Martin) die Angaben auf der Website nicht verstanden. Um 18:00 Uhr erreichen wir den Platz, der sowas von geschlossen ist. Während ich enttäuscht das Gittertor anstarre, telefoniert uns Catrin ins nächste B&B „Il Vialetto“ in Anzio – nochmal 6 km. Moderne Kommunikations- und Informationsmethoden haben schon was für sich. Wir werden sehr nett aufgenommen und dürfen sogar die Küche nutzen.

Donnerstag, 11.10.2018
Anzio – Sabaudia, 43 km, insgesamt 3954 km
Nach einem plastiklastigen Früstück (plastikumhüllte Hörnchen, Marmeladentöpfchen, Trinkpäckchen) brechen wir in ein trübes Wetter auf. Immerhin ist es trocken. Außerdem warm genug, um nicht zu sehr zu schwitzen. Heute sehen wir endlich wieder mal das Meer. Dieses Mal auf der anderen Seite von Italien. Wir fahren weitgehend am Meer entlang, machen einige Pausen am Strand, die vor allem Peter genießt.

Der Wind bläst eifrig von vorne. Als es bei der letzten Strandpause anfängt zu nieseln, fahren wir weiter und steuern das von Martin schon gestern gebuchte B&B Flora kurz vor Sabaudia an. Wir landen mitten in einer ländlichen Gegend in einem schönen alten Haus und bekommen ein wunderbar eingerichtetes Zimmer, das sich bis in den Dachgiebel hineinzieht. Das Badezimmer ist riesengroß und ebenfalls toll eingerichtet. Es steht sogar ein Sessel drin.
Auch hier dürfen wir die Küche mitbenutzen, bekommen sogar einen eigenen Kühlschrank.

Martin fährt noch mal los, kauft Gemüse für das Abendessen und (Kühl!)Getränke für die weitere Abendgestaltung. Wir kochen in der schönen Küche und sitzen abends noch gemütlich zusammen. Beim leise rauschenden Regen ist es in einer festen Behausung doppelt schön.

 

Freitag, 12.10.2018
Sabaudia – Sperlonga, 66 km, insgesamt 4020 km
Wir erhalten wieder ein reichhaltiges italienisches Frühstück mit süßen Hörnchen aus der Plastiktüte, Zwieback, Marmelade, Plätzchen, Cornflakes und Joghurt. Wir fahren zum Meer, machen die erste Peter-wühlt-gerne-am-Strand-Pause und umrunden bei Mezzomonte einen Berg, der motivationslos an der Küste aufragt.

Später erreichen wir Terracina, wo wir am ziemlich leeren Strand bei Sonnenschein die nächste Sandwühlpause einlegen. Die Stadt wird von einem Hügel überragt, auf dem ein römischer Tempelrest trohnt.

Durch die nächste Bucht fahren wir nach Sperlonga. Weiße Häuser kleben malerisch am Hügel, wir pausieren nochmal am Strand, an dem sich sogar ein Dutzend Urlauber befinden. Wie mag es hier in der Saison aussehen? Am Stadtausgang erreichen wir den Camping Nord Sud, dessen hervorstechende Eigenschaft nach den vielen geschlossenen Campingplätzen zuvor ist, dass er bis Ende Oktober geöffnet hat! Er hat direkten Strandzugang, wo wir gegen 18:30 den leider viel zu frühen Sonnenuntergang bewundern. Wir beschließen, zwei Tage zu bleiben, damit Peter genügend im Sand wühlen kann. Außerdem ist gutes Wetter angesagt.

Samstag, 13.10.2018
Sperlonga
Heute ist Strandtag! Wir laufen am Strand entlang bis zum Städtchen, essen Eis, buddeln im Sand, baden im Meer, lesen, schlafen, holen einige Tage bloggen nach, suchen eine Unterkunft in Neapel, trinken Espresso.
Urlaub halt.

 

 

 

Rom

Samstag, 6.10.2018
Rom
In der Nacht beginnt es zu regnen.
Daher zögern wir morgens aufzustehen und gehen erst spät los. Heute soll es zunächst zum Petersdom gehen.
Wir laufen zur Bahn und finden den Bahnhof „Due Ponti“ versteckt hinter der Hauptverkehrsstraße. Es gibt keinen Fahrkartenschalter. Da stehen wir nun mit unserem dummen Gesicht. Nur mit Hilfe freundlicher Mitcamper, die unser Problem bemerken, schaffen wir es durch die Sperre auf den Bahnsteig. Sie helfen uns mit einer Fahrkarte aus, die sie schlauerweise schon an der Rezeption des Campingplatzes erstanden hatten.
Wir kaufen uns dann auf dem nächsten Bahnhof direkt ein Mehrtagesticket, damit wir nicht noch einmal so ein Problem haben.

Auf dem Petersplatz stehen wir Schlange. Zum Glück kommt inzwischen manchmal die Sonne raus und es regnet nur noch hin und wieder.
Auf Petersplatz nach Spuren aus Dan Brown’s „Illuminati“ geschaut – und gefunden (West Ponente). Wenig spektakulär, aber trotzdem interessant, dass es das Ding wirklich gibt.
Der Petersdom ist immer noch riesig. Wir schauen uns Michelangelos Maria an und natürlich den „Peter“ mit dem blankgerubbelten Fuß.

In die Kuppel sind wir nicht mehr gestiegen, da uns ein akuter Hungeranfall plagte.
Wir fuhren zum Kolosseum und fanden dort tatsächlich Martins Lieblingspizzeria „Luzzi“ vom letzten Rombesuch wieder. Die ist immer noch lecker und immer noch günstig.
Nach dem Essen reihten wir uns in die Kolosseumsschlange ein. Bei der Sicherheitskontrolle entdecken sie Catrins Opinel-Messer und lassen sie nicht durch (am Petersdom haben sie das Messer glücklicherweise nicht entdeckt). Egal, dann kommen wir eben morgen wieder. Da dann erster Sonntag im Monat ist, ist dann der Eintritt auch frei.
Zur Lateranbasilika gelaufen. Dort das Messer auf ein Fenstersims gelegt und problemlos reingekommen. Die zweite Hälfte einer Messe mitbekommen. Der Kreuzgang hatte leider schon zu.

Auf dem Rückweg noch eine halbe Stunde Wartezeit, bis der Zug zum Campingplatz geht. Wir nutzten die Zeit für einen Besuch des Piazza del Popolo mit der Kirche Santa Maria del Popolo. Dort suchten wir die Chigikapelle, die ebenfalls eine Rolle in „Illuminati“ spielt. Nach 10 Minuten gehen die Lichter aus. Der Küster schließt die Kirche. Wir müssen sowieso gehen, um den Zug zu erreichen.

Im Dunkeln sieht unser Bahnhof „due Ponti“ noch gammeliger und ungemütlicher aus als am Tag. Über große Pfützen springend legen wir den Weg zum Campingplatz an der vielbefahrenen Straße (natürlich ohne Gehweg, dafür aber mit viel Müll und umgestürzten Bäumen) zurück. Fußgänger und Radfahrer sind hier einfach nicht vorgesehen.
Das Zelt und der Boden rundherum sind vom vielen Regen ziemlich durchweicht, alles im Vorzelt klamm. Zum Glück ist innen alles trocken geblieben. Wir kriechen mit leicht feuchten und sehr dreckigen Füßen in die Schlafsäcke.

Sonntag, 7.10.2018
Rom
Heute wollem wir gaaanz früh aufstehen, um vor den Menschenmassen am Kolosseum anzukommen. Leider hält uns der aufs Zelt prasselnde Regen etwas davon ab. Leicht verspätet kommen wir los. Doch als wir uns gegen 10 Uhr in die schon recht lange Schlange am Kolosseum einreihen, scheint die Sonne. Wir merken, dass wir gar nicht in der Schlange zum Kolosseum stehen, sondern dass die Schlange nur zu einem Kartenschalter führt. Da aber auch am Tag mit Gratiseintritt Karten vorgezeigt werden müssen, warten wir geduldig ab und lesen in den uns zur Verfügung stehenden Reiseführern (im E-Book Reader) alles über das Kolosseum und das Forum Romanum. Und als wir endlich im Besitz der Karten sind, ist der Eingang zum Forum auch nicht mehr weit, sodass wir uns erst an dieser Schlange anstellen. Just in diesem Moment kommt John, unser Nachbar vom Campingplatz vorbeigeradelt. Wir freuen uns über diesen Zufall.

Im Forum und auch auf dem Palatin liegen immer noch jede Menge alter Steine herum. Wir finden den Nabel der Welt und schauen von oben herab auf den Circus Maximus, wo heute wohl eine Landwirtschaftsmesse stattfindet.
Raus aus dem Forum Romanum erwartet uns schon die nächste Schlange, die ins Kolosseum hineinführt. Wir stellen uns mal ganz doof und reihen uns „versehentlich“ ziemlich weit vorne ein und kommen daher vergleichsweise schnell rein. Als die Karten kontrolliert werden, sagt die freundliche Frau, dass ich (Catrin) nicht reindarf. Als ich verdutzt schaue, lacht sie mich an, sagt, dass sie mich von gestern wiedererkannt hat (als ich wegen des Opinels weggschickt wurde) und winkt mich durch.

Auch das Kollosseum ist immer noch riesig. Erstaunlich, dass dort mehr Menschen reinpassten als in die Frankfurter Commerbankarena. Und durch unglaublich gutes Wegemanagement konnten die 50000 Menschen innerhalb weniger Minuten an ihre Plätze gelangen. Das klappt heute im Kolosseum nicht mehr. Wir haben an diesem Tag schon gute zwei Stunden Schlange gestanden.
Gruselig, sich vorzustellen, welche Szenen sich hier auf der Arena abspielten. Und gruselig die Vorstellung, welchen Spaß die Römer dabei gehabt hatten und mit welcher Lautstärke sie wohl die „Spiele“ begleiteten.

Nach dem Kolosseum besuchen wir Martins Lieblingspizzeria ein weiteres Mal. Dieses Mal müssen wir auch dort Schlange stehen, aber schon nach 20 Minuten bekommen wir vom aufmerksamen Chef einen Tisch zugewiesen und speisen köstlich.
Am späten Nachmittag kommen wir am Campingplatz an. Peter springt in den Pool.
Tagsüber gab’s noch einige Schauer, ansonsten schien die Sonne und es wird die nächsten zwei Tage auch schön bleiben. Wir räumen das Vorzelt aus, stellen die Taschen zum Trocknen in die Sonne und wischen das nasse Groundsheet ab. Nun lebt es sich doch schon viel angenehmer hier auf dem Campingplatz.
Abends kommt Rainer aus Essen an, der von Kempten aus nach Rom gefahren ist und auch noch Richtung Sizilien weiterfahren will. Aber wie alle anderen Radler, die wir bisher trafen hat er die Reschenpass-Route genommen. Mit der Donau-Ungarn-Slowenien-Strecke haben wir ein Alleinstellungsmerkmal bei allen Fernradlern, die wir treffen.

Montag, 8.10.2018
Rom
Vormittags nehmen wir an einer „Free Walking Tour“ Stadtführung teil. In Rom gibt es mehrere Organisationen, die „free walking tours“ anbieten. Die eine bestand ausdrücklich auf einer ausgedruckten Reservierungsbestätigung, die nächste wollte 2,50€ pro Person als Reservierungsgebühr (wir zahlen nachher sowieso mehr für die Führung, aber irgendwie scheint mir das dem Prinzip der free walking tour zu widersprechen), also nehmen wir den dritten Anbieter. Maria führt uns von der spanischen Treppe über die via del Corso vorbei an der aurelianischen Säule, dem Pantheon und der Piazza Navona bis vor die Engelsbrücke und schwärmt von ihrer Stadt Rom.

Am Nachmittag laufen wir zu Santa Maria della Vittoria, wo Catrin unsere Dan-Brown-Illuminati-Führung vervollständigt. Dort ist die Statue der Verzückung der hl. Theresa zu sehen, von Bernini natürlich. Dann noch den Trevi-Brunnen, vor dem sich wahre Menschenmassen drängeln.

Abends lädt uns John auf ein Bier am Campingplatz ein und wir tauschen Tour- und Routenerlebnisse aus.

Dienstag, 9.10.2018
Rom
Morgens verabschieden wir uns von John, der heute wieder nach Hause fliegt.
Für heute haben wir Karten für die Vatikanischen Museen gekauft, d.h. am Freitag online vorbestellt für den nächsten verfügbaren Zeitslot am Dienstag. Da wir erst den Zeitslot am Mittag gebuch haben, haben wir vormittags noch Zeit, durch Rom zu bummeln und die Fotos zu schießen, für die wir bis jetzt noch keine Zeit hatten. Sprich: Spanische Treppe, Aurelianische Säule, Piazza Navona. Ach, und weil man auf der Piazza Navona so schön Leute gucken kann, kaufen wir uns dort noch ein Eis und verweilen ein wenig.

Über die Engelsbrücke laufen wir zum Petersplatz. Nach einem schnellen Espresso im Stehen (ja wir sind lernfähig und wissen nun, dass auch in den teuersten Ecken der Espresso im Stehen nur 1 Euro kostet), gehen wir zum Eingang der Vatikanischen Museen, laufen an der Schlange vorbei, die keine Eintrittskarten hat und können mit unseren Online-Tickets direkt rein. Peter hopst fröhlich die Treppen hinauf und freut sich, dass wir endlich mal wieder ein Museum besuchen. Wir staunen über all die alten Steinskultpuren, die hier zu bewundern sind, suchen im Mosaik die fantastischsten Fabelwesen und die tollsten Kämpfe, gruseln uns vor den mumifizierten Leichen und sind fasziniert von den italienischen Karten, die 500 Jahre alt sind, auf denen wir aber trotzdem ganz genau unsere Tour durch Italien nachvollziehen können.

 

Als unsere Augen schon anfangen zu tränen und die Füße langsam anfangen zu brennen, kommen die Stanzen Raffaellos. Diese toll ausgemalten Privaträumlichkeiten von Papst Julius II. und Papst Leo X. wären allein schon ein Museum wert.

Und als wir dann nur noch schnell die moderne Abteilung der Museen durcheilen wollen, um flott zur Sixtinischen Kapelle zu kommen (langsam können wir aber wirklich nicht mehr), stolpern wir über Rodins „Der Denker“. Nanu – stehen und hängen hier auch noch modernere Kunstwerke herum, die wir tatsächlich kennen?

Unser Schritt wird langsamer und wir sehen noch Henry Matisse, Paul Klee, Lionel Feininger, Salvador Dali, Max Ernst, Francis Bacon, Max Pechstein und andere namhafte Künstler, vor deren Werken wir dann doch staunend verweilen. Peter ist beeindruckt vom Christophorus-Bild von Otto Dix. Als wir abends in der S-Bahn sitzen, muss ich ihm noch die Geschichte von Christophorus erzählen.

Foto Max Pappert 2010 aus www.stadtbesichtigungen.de

Und dann – endlich – nach weiteren endlos scheinenden Fluren, werden wir in die Sixtische Kapelle geschwemmt. Direkt am Eingang Ordner, die uns sofort weiter schieben. Die Kapelle ist voll! Wir quetschen uns durch die Menschenmassen und schauen staunend nach oben.

Der Raum summt und brummt vom Gemurmel der Menschenmassen. Irgendwann wird es den Ordnern zu laut und es wird lauthals über Lautsprecher ein Gebet angestimmt, um es wieder leiser werden zu lassen. Toller Trick! Den sollte ich auch mal in der Schule anwenden… Wir ergattern einen Sitzplatz an der Rückwand und können fußentlastend die Fresken bestaunen.
Nach der Sixtinischen Kapelle laufen wir noch durch endlos lange Gänge mit tausenderlei bunt gemischter Kunst zum Ausgangsbereich. Dort finden wir die Vatikanische Post und schicken von dort ein paar Postkarten an Familie und Kindergarten. Immerhin haben wir mit dem Vatikanstaat nach Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Slowenien und Italien nun unser siebtes Land auf unserer Tour erreicht!

Von den Vatikanischen Museen (leider hat es schon wieder leicht zu regnen angefangen, und wir haben keine Regenjacken dabei) fahren wir mit dem Bus nach Trastevere. Fein – es ist voll auf der Straße, der Bus schiebt sich quälend langsam vorwärts, wir haben Sitzplätze und die Füße und Beine danken es uns.
In Trastevere geht es beschaulicher zu als im Vatikan-Bezirk. Niedrigere und bunt angemalte Häuser, kleinere Gassen, einladende Bars, Trattorien und Restaurants. Wir steuern eines an und freuen uns auf ein schnelles Essen. Das Essen zieht sich ein wenig in die Länge, da just zu diesem Zeitpunkt ein Regenguss mit Gewitter über Rom niedergeht. Wir denken mit Bedauern wir an unsere Handtücher und frisch gewaschenen T-Shirts, die vor unserem Zelt hängen, freuen uns aber, dass wir selbst gerade im Trockenen sitzen.

Als der Regen vorbei ist, schauen wir uns noch St. Maria in Trastevere und St. Caecilia an. Auch der Besuch in St. Maria dauert wegen Regens länger als geplant. Als wir aus St. Caecilia rauskommen, ist es schon dunkel und wir machen uns auf den Weg zurück zum Campingplatz. Im Bus eine aufgeregt schnatternde 10. Klasse aus Deutschland, die gefühlt hundert Mal fragt, wo sie denn raus muss und wann denn nun endlich die Station „Termini“ kommt. Die zuständigen Lehrer scheinen lieber im Hotel geblieben zu sein.
Am Campingplatz noch kleines Abendessen, Bier und gute Gespräche mit Zeltnachbar Rainer.

 

Von Umbrien nach Latium

Sonntag, 30.9.2018
Perugia – Assisi, 34 km, insgesamt 3616 km
Morgens werden wir vom Schreien des Esels geweckt und frühstücken mit perfekter Ausicht. Perugia liegt ein paar Kilometer entfernt – auf einem Hügel natürlich. Da die größte Sehenswürdigkeit von Perugia eine Schokoladenfabrik zu sein scheint, die Sonntags geschlossen und eh nur nach wochenlanger Voranmeldung zu besichtigen ist, nehmen wir den direkten Weg nach Assisi. Google führt uns landschaftlich reizlos, aber weitgehend flach direkt an der Autostrada entlang durch Gewerbegebiete. „Weitgehend flach“ bedeutet die eine oder andere giftige Steigung gradewegs über den nächsten Hügel. Assisi ist schon von weitem zu sehen, klar, liegt ja auch auf einem Hügel.

Vorher kommen wir durch Santa Maria degli Angeli mit einer pompösen, neo-barocken Kirche. Hier soll einer der Lieblingsplätze des hl. Franziskus gewesen sein. Vor dem Bau der Kirche, natürlich.

Dann geht es hinauf auf den Hügel, an Assisi vorbei und hinauf auf den Campingplatz Fontemaggio. Viel Platz unter duftenden Pinien, wenig los, es gibt ein Restaurant und einen Mini-Markt. Wir verbringen den Rest des Tages in Ruhe und verschieben die Besichtigung von Assisi auf den nächsten Tag.

Montag, 1.10.2018
Assisi
Morgens ist der Himmel grau und es ist kühl, ein gradezu ungewohntes Wetter. Wir laufen einen Pfad bis Assisi und gehen durch Gässchen und über Treppen vorbei an St. Rufino, über den Stadtplatz mit Santa Maria sopra Minerva (dem ehemaligen römischen Minervatempel) und dem Torre del Popolo

bis zur Franzikus-Basilika. Die zwei Kirchen übereinander sind mit Fresken aus dem Leben von Franziskus und Jesus ausgemalt. Regelmäßig werden die Besucher lautsprecherverstärkt ermahnt, Stille zu halten und nicht zu fotografieren. In einer Krypta unter der Unterkirche ist das Grab von Franziskus, in einer Seitenkapelle seine vielfach geflickte Kutte und andere Devotionalen.

 

Anschließend gehen wir zur Burg hinauf. Mittlerweile regnet es, die Burg liegt in einer Wolke.

Eigentlich soll man von hier einen tollen Blick über die Ebene haben. Wir haben einen tollen Blick auf das heranziehende Gewitter.

Auf dem Rückweg legen wir angesichts des Donnergrollens und des immer stärker prasselnden Regens eine intensive Besichtung von St. Rufino ein. Im Boden sind durch Glasscheiben die Fundamente der ersten Kirche an dieser Stelle zu sehen und auch ein paar römische Reste. Außerdem kann man in der Kirchenbank auch toll Reiseführer lesen. Als der Regen nachlässt, gehen wir zurück und vergraben uns im Zelt. Abends besuchen wir das Restaurant am Campingplatz (Fontemaggio ist auch Hotel und Jugendherberge). Mitten im Raum arbeitet der Koch an einem riesigen Holzkohlegrill.

Wir essen rustikal, Fleisch mit viel Knochen, Kartoffeln aus der Glut und Gemüse. Am Tisch mit uns sitzt eine ältere Dame, die den „Camino“ geht, den Franziskus-Pilgerweg von Montepaola Dovadola nach Assisi. Mit maximalen Höhenmetern schön durch die Berge.
Abends hört der Regen auf und nachts bleibt es trocken.

Dienstag, 2.10.2018
Assisi – Spoleto, 53 km, insgesamt 3669 km
Es ist trocken und zwischen den Wolken blitzt die Sonne durch, hurra. Wir fahren erst steil, dann sanfter den Hang hinunter zwischen Olivenhainen nach Spello. Ebenfalls ein malerisch auf den Hügel geklebtes umbrisches Städtchen.

Wir sehen die Reste eines römischen Aquäduktes, den man kilometerlang entlangwandern kann. Was wir uns verkneifen. Stattdessen halten wir in einem winzigen Cafe, bei dem die zwei Stühlchen vor der Tür zurückgeschoben werden müssen, wenn ein zu breites Auto die schmale Gasse entlang fährt. Und es fahren nicht nur kleine PKW, sonden durchaus auch Lieferwagen und die örtlichen Busse durch die Gasse.

Jedes dieser malerischen Innenstädtchen wäre in Deutschland autofreie Zone, aber in Italien darf immer und überall Auto gefahren werden und die Italiener fahren immer und überall. Kein Schotterweg am Berg und kein noch so kleines Innenstadtgässchen, auf dem uns nicht Autos entgegengekommen wären. Nur Treppen oder Poller können die Italiener bremsen. Wir schieben unsere Räder durch Spello, bis es hinabgeht in die Ebene. Weitgehend flach geht es weiter. Wir stoßen nach einiger Zeit sogar auf eine Radwegbeschilderung Assisi – Spoleto, der wir folgen.
Die Sicht ist wieder besser und noch bis kurz vor Spoleto können wir nach Assisi zurückschauen.
In Spoleto haben wir uns in einem B&B eingemietet, weil es weit und breit keinen Campingpatz zu geben scheint. Ich (Martin) fahre mit Peter noch in die Innenstadt, wir wandern durch die Gassen bis zum Duomo.

Dann kaufen wir ein, das B&B ist eigentlich eine Dreizimmerwohnung mit Küche, in der wir kochen können. Eine weitere Mitbewohnerin ist Grundschullehrerin, arbeitet in der Woche in Spoleto und fährt am Wochenende nach Hause in Messina – ein weiter Weg.

Mittwoch, 3.10.2018
Spoleto – Narni, 46 km, insgesamt 3715 km
Das Frühstück im B&B ist nur ein Cappuccino und ein Puddinghörnchen in der Bar nebenan. Nach ein paar Kilometern führt mein Track wieder in die Berge. Das Sträßchen wird immer schmaler und entsprechend steil, aber das Tal mit Pinien und sonnenbeschienenen Bergen drumherum ist wunderschön.

Auf dem Weg abwärts ist der Track leider nur noch eine Piste aus groben Schotter, der mit unserem Tross entsprechend langsam gefahren werden muss. Beim Sackgassenschild in der Einöde müssen wir lachen und wähnen uns am Ende der Welt. Zum Glück stand das Schild wohl nur zum Spaß da.

Irgendwann landen wir auf der SP67, die sich gut asphaltiert und fast ohne Verkehr durch ein wunderschönes Tal mit schroffen Hängen nach Terni schraubt.

Terni ist eine unansehnliche, mittelgroße Stadt, die wir ohne größere Besichtigungen durchqueren. Vor Narni bleiben wir im Hotel „la Rocca“, weil der Campingplatz bereits geschlossen hat. Narni soll der geografische Mittelpunkt von Italien sein. Außerdem ist es der Namensgeber des phantastischen Landes Narnia, entsprechend beeindruckt muss C.S. Lewis von der Stadt gewesen sein. Wir sehen von einer Besichtigung ab und ich (Martin) nutze die Zeit, den gestern erworbenen Mantel an Catrins Vorderrad und meine Bremsbeläge zu wechseln.

Donnerstag, 4.10.2018
Narni – Stimigliano, 47 km, insgesamt 3762 km
Nach einem für italienische Verhältnisse reichhaltigem Frühstück (neben diversen Sorten Kuchen und Gebäck gibt es sogar ein paar Scheibchen Salami und Käse) fahren wir weiter mit etwas schlechtem Gewissen, weil wir der Stadt Narni keinen Blick gegönnt haben. Über kleine Sträßchen fahren wir bis zur SR313, der wir folgen – mit wenig Verkehr schraubt sich die Straße in die Höhe, wunderschön und etwas anstrengend an Berghängen entlang. Unseren nächsten Stopp haben wir in einem B&B in Stimigliano gebucht, weil wieder kein Campingplatz weit und breit vorhanden, die Unterkunft aber günstig ist. Mit einigen Höhenmetern fahren wir durch den Landstrich Sabina. Die Sabiner waren Nachbarn der Römer und bekannt durch den Raub der Sabinerinnen. Heutzutage fallen sie uns durch interessante Städtepartnerschaften auf.

Durch Torri di Sabina wechseln wir auf die SP52 nach Stimigliamo. Unser B&B entpuppt sich als Maisonette-Appartement mit Herd, Kühlschrank, Wohnraum im Erdgeschoss und Schlafzimmer im Obergeschoss. Der Felsen am Hang ist schön in den Bau integriert. Eigentlich viel zu schön, um nur eine Nacht darin zu verbringen.

Allerdings funktioniert das Wifi nicht, was hier etwas schade ist: Bislang hatten wir in Italien immer hervorragende LTE-Verbindung, sitzen in Stimigliamo aber in einem Funkloch. Wir bummeln durch die winzige Altstadt mit engen Gässchen und einem tollen Blick ins Tiber-Tal, auch hier ist die Stadt wieder malerisch an den Hang geklebt.

 

 

Freitag, 5.10.2018
Stimigliano – Rom, 65 km, insgesamt 3827 km
Alle Track-Vorschläge aus dem Internet führen in epischen Schleifen schön auf und ab über die Hügel Richtung Rom. Wir wollen ankommen, deswegen fahren wir über die Hauptverkehrsstraßen SR657, SS313, SS4 und SS15a „Tiburtina“ nach Rom, grob dem Tiber folgend. Leider gibt es keinen Tiber-Fernradeg, den hätten wir schon ab Perugia nehmen können (allerdings unter Umgehung von Assisi). Der Verkehr wird immer dichter, je mehr wir uns Rom nähern. Zweimal müssen wir Verkehrsknoten queren, die definitiv ausschließlich für Autos und nicht für Fahrräder entworfen wurden. Dank unserer vorbereiteten Route mit Google Maps und Velomap/OSM klappt das ganz gut und nur mit gaaanz wenig gegen die Einbahnstraße fahren.
Die Landschaft ist heute weniger reizvoll als in den letzten Tagen, stattdessen viele Gewerbegebiete. A propos Gewerbe: An der Tiburtina stehen alle paar hundert Meter Damen, die ihre Dienste anbieten. Wir kommen als Kundschaft allerdings kaum in Frage. Catrin ist geschockt. Auf den letzten Kilometern von Norden kommend erreichen wir tatsächlich den Tiber-Radweg, dem wir folgen, bis wir zum Campingplatz Flaminio abbiegen.

Wir müssen eine Bahnlinie und eine Autobahn queren, dann führt uns unser vorbereiteter Track bis zu einer Leitplanke an der Autobahnabfahrt. Der Campingplatz ist zwar nur noch 500m entfernt, aber auf diesem Weg unerreichbar. Also zurück, die Auffahrt auf die autobahngleich ausgebaute Straße nehmen und im brausenden Verkehr das Kunststück vollbringen, auf die linke Spur zu wechseln – die rechte verschwindet in der falschen Richtung im Tunnel. Dabei wird Catrin wüst von einem Autofahrer beschimpft, der zum Bremsen genötigt wurde. Catrin schimpft zurück. Gerne hätte ich das fotografisch festgehalten, aber für ein Foto auf der Autobahn anzuhalten, habe ich mich nun doch nicht getraut.
Wir sind in Rom!

Neben uns auf dem Zeltplatz treffen wir John, einen holländischen Einzelradler, den wir schon in Assisi gesehen haben und der uns schon in Florenz bemerkt hat. Erst jetzt wechseln wir ein paar Worte. Er beendet seine Tour hier.