Von Umbrien nach Latium

Sonntag, 30.9.2018
Perugia – Assisi, 34 km, insgesamt 3616 km
Morgens werden wir vom Schreien des Esels geweckt und frühstücken mit perfekter Ausicht. Perugia liegt ein paar Kilometer entfernt – auf einem Hügel natürlich. Da die größte Sehenswürdigkeit von Perugia eine Schokoladenfabrik zu sein scheint, die Sonntags geschlossen und eh nur nach wochenlanger Voranmeldung zu besichtigen ist, nehmen wir den direkten Weg nach Assisi. Google führt uns landschaftlich reizlos, aber weitgehend flach direkt an der Autostrada entlang durch Gewerbegebiete. „Weitgehend flach“ bedeutet die eine oder andere giftige Steigung gradewegs über den nächsten Hügel. Assisi ist schon von weitem zu sehen, klar, liegt ja auch auf einem Hügel.

Vorher kommen wir durch Santa Maria degli Angeli mit einer pompösen, neo-barocken Kirche. Hier soll einer der Lieblingsplätze des hl. Franziskus gewesen sein. Vor dem Bau der Kirche, natürlich.

Dann geht es hinauf auf den Hügel, an Assisi vorbei und hinauf auf den Campingplatz Fontemaggio. Viel Platz unter duftenden Pinien, wenig los, es gibt ein Restaurant und einen Mini-Markt. Wir verbringen den Rest des Tages in Ruhe und verschieben die Besichtigung von Assisi auf den nächsten Tag.

Montag, 1.10.2018
Assisi
Morgens ist der Himmel grau und es ist kühl, ein gradezu ungewohntes Wetter. Wir laufen einen Pfad bis Assisi und gehen durch Gässchen und über Treppen vorbei an St. Rufino, über den Stadtplatz mit Santa Maria sopra Minerva (dem ehemaligen römischen Minervatempel) und dem Torre del Popolo

bis zur Franzikus-Basilika. Die zwei Kirchen übereinander sind mit Fresken aus dem Leben von Franziskus und Jesus ausgemalt. Regelmäßig werden die Besucher lautsprecherverstärkt ermahnt, Stille zu halten und nicht zu fotografieren. In einer Krypta unter der Unterkirche ist das Grab von Franziskus, in einer Seitenkapelle seine vielfach geflickte Kutte und andere Devotionalen.

 

Anschließend gehen wir zur Burg hinauf. Mittlerweile regnet es, die Burg liegt in einer Wolke.

Eigentlich soll man von hier einen tollen Blick über die Ebene haben. Wir haben einen tollen Blick auf das heranziehende Gewitter.

Auf dem Rückweg legen wir angesichts des Donnergrollens und des immer stärker prasselnden Regens eine intensive Besichtung von St. Rufino ein. Im Boden sind durch Glasscheiben die Fundamente der ersten Kirche an dieser Stelle zu sehen und auch ein paar römische Reste. Außerdem kann man in der Kirchenbank auch toll Reiseführer lesen. Als der Regen nachlässt, gehen wir zurück und vergraben uns im Zelt. Abends besuchen wir das Restaurant am Campingplatz (Fontemaggio ist auch Hotel und Jugendherberge). Mitten im Raum arbeitet der Koch an einem riesigen Holzkohlegrill.

Wir essen rustikal, Fleisch mit viel Knochen, Kartoffeln aus der Glut und Gemüse. Am Tisch mit uns sitzt eine ältere Dame, die den „Camino“ geht, den Franziskus-Pilgerweg von Montepaola Dovadola nach Assisi. Mit maximalen Höhenmetern schön durch die Berge.
Abends hört der Regen auf und nachts bleibt es trocken.

Dienstag, 2.10.2018
Assisi – Spoleto, 53 km, insgesamt 3669 km
Es ist trocken und zwischen den Wolken blitzt die Sonne durch, hurra. Wir fahren erst steil, dann sanfter den Hang hinunter zwischen Olivenhainen nach Spello. Ebenfalls ein malerisch auf den Hügel geklebtes umbrisches Städtchen.

Wir sehen die Reste eines römischen Aquäduktes, den man kilometerlang entlangwandern kann. Was wir uns verkneifen. Stattdessen halten wir in einem winzigen Cafe, bei dem die zwei Stühlchen vor der Tür zurückgeschoben werden müssen, wenn ein zu breites Auto die schmale Gasse entlang fährt. Und es fahren nicht nur kleine PKW, sonden durchaus auch Lieferwagen und die örtlichen Busse durch die Gasse.

Jedes dieser malerischen Innenstädtchen wäre in Deutschland autofreie Zone, aber in Italien darf immer und überall Auto gefahren werden und die Italiener fahren immer und überall. Kein Schotterweg am Berg und kein noch so kleines Innenstadtgässchen, auf dem uns nicht Autos entgegengekommen wären. Nur Treppen oder Poller können die Italiener bremsen. Wir schieben unsere Räder durch Spello, bis es hinabgeht in die Ebene. Weitgehend flach geht es weiter. Wir stoßen nach einiger Zeit sogar auf eine Radwegbeschilderung Assisi – Spoleto, der wir folgen.
Die Sicht ist wieder besser und noch bis kurz vor Spoleto können wir nach Assisi zurückschauen.
In Spoleto haben wir uns in einem B&B eingemietet, weil es weit und breit keinen Campingpatz zu geben scheint. Ich (Martin) fahre mit Peter noch in die Innenstadt, wir wandern durch die Gassen bis zum Duomo.

Dann kaufen wir ein, das B&B ist eigentlich eine Dreizimmerwohnung mit Küche, in der wir kochen können. Eine weitere Mitbewohnerin ist Grundschullehrerin, arbeitet in der Woche in Spoleto und fährt am Wochenende nach Hause in Messina – ein weiter Weg.

Mittwoch, 3.10.2018
Spoleto – Narni, 46 km, insgesamt 3715 km
Das Frühstück im B&B ist nur ein Cappuccino und ein Puddinghörnchen in der Bar nebenan. Nach ein paar Kilometern führt mein Track wieder in die Berge. Das Sträßchen wird immer schmaler und entsprechend steil, aber das Tal mit Pinien und sonnenbeschienenen Bergen drumherum ist wunderschön.

Auf dem Weg abwärts ist der Track leider nur noch eine Piste aus groben Schotter, der mit unserem Tross entsprechend langsam gefahren werden muss. Beim Sackgassenschild in der Einöde müssen wir lachen und wähnen uns am Ende der Welt. Zum Glück stand das Schild wohl nur zum Spaß da.

Irgendwann landen wir auf der SP67, die sich gut asphaltiert und fast ohne Verkehr durch ein wunderschönes Tal mit schroffen Hängen nach Terni schraubt.

Terni ist eine unansehnliche, mittelgroße Stadt, die wir ohne größere Besichtigungen durchqueren. Vor Narni bleiben wir im Hotel „la Rocca“, weil der Campingplatz bereits geschlossen hat. Narni soll der geografische Mittelpunkt von Italien sein. Außerdem ist es der Namensgeber des phantastischen Landes Narnia, entsprechend beeindruckt muss C.S. Lewis von der Stadt gewesen sein. Wir sehen von einer Besichtigung ab und ich (Martin) nutze die Zeit, den gestern erworbenen Mantel an Catrins Vorderrad und meine Bremsbeläge zu wechseln.

Donnerstag, 4.10.2018
Narni – Stimigliano, 47 km, insgesamt 3762 km
Nach einem für italienische Verhältnisse reichhaltigem Frühstück (neben diversen Sorten Kuchen und Gebäck gibt es sogar ein paar Scheibchen Salami und Käse) fahren wir weiter mit etwas schlechtem Gewissen, weil wir der Stadt Narni keinen Blick gegönnt haben. Über kleine Sträßchen fahren wir bis zur SR313, der wir folgen – mit wenig Verkehr schraubt sich die Straße in die Höhe, wunderschön und etwas anstrengend an Berghängen entlang. Unseren nächsten Stopp haben wir in einem B&B in Stimigliano gebucht, weil wieder kein Campingplatz weit und breit vorhanden, die Unterkunft aber günstig ist. Mit einigen Höhenmetern fahren wir durch den Landstrich Sabina. Die Sabiner waren Nachbarn der Römer und bekannt durch den Raub der Sabinerinnen. Heutzutage fallen sie uns durch interessante Städtepartnerschaften auf.

Durch Torri di Sabina wechseln wir auf die SP52 nach Stimigliamo. Unser B&B entpuppt sich als Maisonette-Appartement mit Herd, Kühlschrank, Wohnraum im Erdgeschoss und Schlafzimmer im Obergeschoss. Der Felsen am Hang ist schön in den Bau integriert. Eigentlich viel zu schön, um nur eine Nacht darin zu verbringen.

Allerdings funktioniert das Wifi nicht, was hier etwas schade ist: Bislang hatten wir in Italien immer hervorragende LTE-Verbindung, sitzen in Stimigliamo aber in einem Funkloch. Wir bummeln durch die winzige Altstadt mit engen Gässchen und einem tollen Blick ins Tiber-Tal, auch hier ist die Stadt wieder malerisch an den Hang geklebt.

 

 

Freitag, 5.10.2018
Stimigliano – Rom, 65 km, insgesamt 3827 km
Alle Track-Vorschläge aus dem Internet führen in epischen Schleifen schön auf und ab über die Hügel Richtung Rom. Wir wollen ankommen, deswegen fahren wir über die Hauptverkehrsstraßen SR657, SS313, SS4 und SS15a „Tiburtina“ nach Rom, grob dem Tiber folgend. Leider gibt es keinen Tiber-Fernradeg, den hätten wir schon ab Perugia nehmen können (allerdings unter Umgehung von Assisi). Der Verkehr wird immer dichter, je mehr wir uns Rom nähern. Zweimal müssen wir Verkehrsknoten queren, die definitiv ausschließlich für Autos und nicht für Fahrräder entworfen wurden. Dank unserer vorbereiteten Route mit Google Maps und Velomap/OSM klappt das ganz gut und nur mit gaaanz wenig gegen die Einbahnstraße fahren.
Die Landschaft ist heute weniger reizvoll als in den letzten Tagen, stattdessen viele Gewerbegebiete. A propos Gewerbe: An der Tiburtina stehen alle paar hundert Meter Damen, die ihre Dienste anbieten. Wir kommen als Kundschaft allerdings kaum in Frage. Catrin ist geschockt. Auf den letzten Kilometern von Norden kommend erreichen wir tatsächlich den Tiber-Radweg, dem wir folgen, bis wir zum Campingplatz Flaminio abbiegen.

Wir müssen eine Bahnlinie und eine Autobahn queren, dann führt uns unser vorbereiteter Track bis zu einer Leitplanke an der Autobahnabfahrt. Der Campingplatz ist zwar nur noch 500m entfernt, aber auf diesem Weg unerreichbar. Also zurück, die Auffahrt auf die autobahngleich ausgebaute Straße nehmen und im brausenden Verkehr das Kunststück vollbringen, auf die linke Spur zu wechseln – die rechte verschwindet in der falschen Richtung im Tunnel. Dabei wird Catrin wüst von einem Autofahrer beschimpft, der zum Bremsen genötigt wurde. Catrin schimpft zurück. Gerne hätte ich das fotografisch festgehalten, aber für ein Foto auf der Autobahn anzuhalten, habe ich mich nun doch nicht getraut.
Wir sind in Rom!

Neben uns auf dem Zeltplatz treffen wir John, einen holländischen Einzelradler, den wir schon in Assisi gesehen haben und der uns schon in Florenz bemerkt hat. Erst jetzt wechseln wir ein paar Worte. Er beendet seine Tour hier.

 

3 thoughts on “Von Umbrien nach Latium

  1. Hej,
    in Iasi (Euer Foto vom Partnerstadt-Schild) bin ich regelmäßig auf Dienstreise 😀
    Alles Gute weiterhin!
    Worauf freut Ihr Euch in Deutschland?

  2. Hallo Catrin, Martin und Peter!

    Ich war der holländischen Einzelfahrer 🙂 Es war gut euch zu treffen und Bier zusammen zu trinken. Respekt dass Ihr mit Peter so unterwegs sind! Schöne Fotos und gut geschrieben. Gestern um 00.00 Uhr war Ich wieder zu Hause in Holland uns will jetzt schon wieder zurück. Noch viel spass in Italien und Hals und Beinbruch!
    Viele Grüsse, John Visser http://www.travellingman.nl

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