Statistik

Zu jeder ordentlichen Reise gehört eine ordentliche Statistik!

  • Wir sind insgesamt 131 Tage unterwegs gewesen. Das sind 4 Monate und 8 Tage. Oder ca. 36% des Jahres 2018. Dabei haben wir ca. 5010 km zurückgelegt, inklusive aller Umwege.
  • Unsere längste Tagesetappe waren 84 km von Rom nach Anzio. Die kürzeste reine Radetappe waren 15 km von Vonyarcvashegy nach Alsópáhok in Ungarn.
  • Wir hatten 5 Platten: Zweimal Catrins Rad hinten, einmal vorne. Beide Mäntel haben wir im Laufe der Tour ausgetauscht, das wäre eigentlich schon vorher notwendig gewesen. Martins Rad hatte einen Platten vorne. Hinten mit dem neuen Schwalbe „Marathon Plus MTB Performance Smart Guard“ gab es keinen einzigen Platten. Peters Rad hinten (Schwalbe Big Apple 20 Zoll, niedlich!) hatte ebenfalls keinen Platten – wieso in Florenz sein aufgebocktes Vorderrad platt war, weiß ich bis heute nicht.
  • Unsere teuerste Unterkunft war die Pension in Albarella mit 100€ pro Nacht. Am billigsten war – abgesehen vom wilden Campen oder der Unterkunft bei Bekannten – der eigentlich geschlossene Camping am Monte Sant’Elia, der uns nichts gekostet hat. Die billigste Unterkunft gegen Geld war Campen im Biergarten Hofgut Bäldleschwaige für 7€ (mit Klo und Dusche!), die billigste feste Unterkunft war das geräumige Appartement in Lamezia Golfo für 24€.
    Der teuerste Campingplatz war „Camping in Town“ in Florenz mit 40,50€ pro Nacht für uns und unser Zelt.
  • Den besten Cafe/Cappuccino haben wir in Florenz im La Sostra dei Ciompi getrunken. Nach dem schlechtesten hatte Martin mehrere Stunden Magengrimmen, aber wir haben verdrängt, wo das war. Könnte am Campingplatz bei Paestum gewesen sein, da gab es jedenfalls eine ziemlich brandige Brühe.
  • Den billigsten Wein im Restaurant gab es in der Pizzeria Luzzi in Rom, 2,50€ für den halben Liter. Und der war völlig ok! Einen echt üblen Greco di Tufo haben wir als relativ teuren Flaschenwein im Restaurant in Neapel getrunken.
  • Unser günstigster Restaurantbesuch war in Lenti, Ungarn. Fisch, Fleisch, Beilagen, Wein, Bier, Softdrinks für ca. 18€. Menge und Qualität waren gut!
  • Die beste Pizza haben wir eindeutig in Neapel gegessen. Aber Pizza war überall in Italien gut.
  • Das billigste Bier gab es in Ungarn. In Bak haben wir es umgerechnet 1,25€ für den halben Liter gesehen. Sowohl in Ungarn als auch in Slowenien gab es eine Vielzahl von preiswerten Craft-Bieren. Am teuersten und zugleich am langweiligsten war das Bier in Italien, abgesehen von der unmittelbaren slowenischen Grenzregion. Dafür hatte Italien die besten und preiswertesten Weine. In der Bier-Wein-Kombinationswertung schnitt Österreich am besten ab.
  • Die flotteste Bedienung konnten wir im Heurigen in Krems bewundern. Noch während die Bedienung unsere Bestellung in ihrem per W-Lan angebundenen Gerät aufnahm, wurden bereits die zuerst bestellten Getränke an unseren Tisch gebracht. Leider kann ich mich nicht mehr an den Namen erinnern.
  • Der gammeligste Grenzübergang war bei Rédics zwischen Ungarn und Slowenien.
  • Die sinnloseste Aktion war unser 16-km-Spurt zur Donaufähre bei Visegrád, um anschließend festzustellen, dass der Königspalast und der Salomonturm am Montag geschlossen hat.
  • Das tollste Museum war das Ars Electronica Center in Linz. Darin hätten wir uns mehrere Tage aufhalten können. Angenehm auch, das die Eintrittskarte den ganzen Tag gültig ist, man kann zwischendurch das Museum verlassen und wiederkehren.
  • Martins überflüssigstes Gepäckstück war die zweite lange Hose. Er kann mich nicht erinnern, sie einmal getragen zu haben. Weiterhin nie genutzt haben wir ein paar Schaschlikspieße – die sollten als Erdnagel-Ersatz dazu dienen, das Zelt zwischen Pflasterfugen oder auf anderen steinharten Böden zu befestigen. Als wir ein einziges Mal den entsprechenden Bedarf hatten, konnten wir die Spieße genausowenig wie die Erdnägel oder Heringe in den Boden rammen.
  • Die unfreundlichsten Verkäufer haben wir in Palermo erlebt.
  • In Neapel herrschste der wildeste Straßenverkehr, kombiniert mit dem schlechtesten Straßenzustand. Obwohl wir uns auch dort auf dem Rad nicht unsicher gefühlt haben – die Italiener sind immer schön um uns drumherumgefahren.
  • Den höchsten Eintrittspreis haben wir im Aquarium in Genua bezahlt. Zwei Erwachsene, ein Kind für 70€. Das gammeligste Aquarium haben wir in Maribor besucht.
  • Unterwegs habe ich 2871 Fotos gemacht und Catrin dazu noch etliche mit ihrem Handy.

Fehlt noch was? Einfach nachfragen!

 

 

Rückreise

Freitag abend/ Samstag, 10.11.2018
Palermo – Genua, 4 km, insgesamt 4982 km
Die Fähre „La Suprema“ ist ein echtes Trumm von Schiff, 211 m lang und 30 m breit.

 

Auf mehrere Decks werden die Autos, Lastwagen und viele Auflieger ohne Zugmaschine verladen. Noch auf dem Parkplatz werden wir von einer Schweizer Familie angesprochen, ob wir nicht vor 5 Wochen auf dem Campingplatz in Pompei gewesen sind? Sie haben Peter wiedererkannt. Sie sind mit dem Wohnwagen unterwegs und unterrichten ihre beiden Kinder unterdessen selbst – in der Schweiz ist das eher möglich als in Deutschland. In Süditalien haben sie ungefähr die gleichen Campingplätze angesteuert wie wir, kein Wunder, das waren die, die noch geöffet haben.
Auf dem Schiff beziehen wir auf dem 8. Deck unsere Kabine mit Fenster nach draußen. Anschließend beobachten wir das Verladen und das Ablegemanöver. Ziemlich pünktlich um 23:20 Uhr verlassen wir den Hafen und nehmen Kurs auf das offene Meer. Die Lichter von Palermo verschwinden langsam im Dunkeln.

Das Meer ist ruhig, auf dem Schiff ist kein Rollen oder Stampfen zu bemerken.
Morgens frühstücken wir aus unseren Vorräten und wollen anschließend einen Cappuccino trinken. Vor unserer Nase wird die Ausgabe geschlossen – Sicherheitsübung! Alle Passagiere werden auf Deck 7 versammelt und müssen den Ansagen auf italienisch und einem unverständlichen Englisch lauschen. Gleichzeitig dröhnen über die Fernsehschirme weitere Sicherheitshinweise in anderen Sprachen. Wir hoffen, der Kahn geht nicht unter, wir hätten im Notfall nämlich keine Ahnung, was zu tun wäre.
Als die Sicherheitsunterweisung beendet ist, lässt sich die Kaffeebar noch geraume Zeit bis zur Öffnung. Als wir dran sind, werden wir wieder weggeschickt: Den online vorgebuchten „Food-Pass“, den wir beim Einchecken schon gegen einen Zettel mit Barcode umgetauscht haben, müssen wir zunächst an der „Rezeption“ gegen einen anderen Zettel mit Barcode umtauschen. Das dauerte abermals etwas Zeit. Ca. 75 Minuten nach unserem ersten Versuch hatten wir dann unser Getränk in der Hand.
Der Rest des Tages verläuft ziemlich langweilig. Das Kino zeigt nur italienische Filme, die Schwimmbäder sind geschlossen, die Hälfte der Bars und Cafes auch. Die Fähre ist längst nicht ausgebucht, überall ist viel Platz. Aber es ist warm und sonnig! Wir sitzen lange an Deck und lesen.

Pünktlich gegen 19:00 Uhr laufen wir in den Hafen von Genua ein. Wir beobachten fasziniert, wie das große Schiff im Hafenbecken dreht und passgenau rückwärts am Fährterminal einparkt.

Dann beladen wir unsere Räder und kommen mit als erstes vom Schiff. Überall stehen große Pfützen, aber aktuell ist es trocken. Wir fahren ein paar Schleifen aus dem Hafengelände heraus und erreichen schnell unsere Unterkunft: Die „Seagull“ ist ein kleines Segelboot im Porto Antico, das als Schlafplatz an Touristen vermietet wird. Aufgrund der Beschreibung auf booking.com haben wir eher mit eine Art Hotelschiff gerechnet. Der sichtlich angetrunkene Bootseigner erwartet uns bereits und weist uns ein. Es ist eng und müffelt. Die Dusche ist im Hafengebäude. Etwas irritierend ist auch der (freundliche) Italiener, der an Bord Fernsehen schaut, raucht und Rotwein trinkt, als gehöre das Boot ihm. Ok, morgen sind wir wieder weg.

Anschließend essen wir in einem gänzlich untouristischen Restaurant zwischen gammeligen Palazzi hervorragend Fisch.
Nachts meinen wir, Schritte über das Deck trappen zu hören. Am nächsten Morgen tauchen aus einer zweiten Kabine im Bug tatsächlich zwei weitere Gäste auf, die genauso überrascht waren, uns zu sehen, wie wir sie.

Sonntag, 11.11.2018
Genua – Mailand, 9 km, insgesamt 4991 km
Wir packen unsere Sachen auf die Räder, lassen sie aber noch im sicherheitsüberwachten Hafengelände stehen und laufen zum nahen Aquarium. Das ist sehenswert – große Becken mit vielen Fischen, Delfine, Robben, Pinguine, ein „Streichelbecken“ mit Rochen und Flundern und hübsch illuminierte Quallen. Und drei Seekühe, die die im Becken schwimmenden Salatblätter, Staudensellerie und Fenchelknollen abweiden!

 

 


Mittags holen wir unsere Räder und fahren die kurze Strecke zum Bahnhof. Wir nehmen einen durchgehenden Regionale nach Mailand. Ein junger Schweizer verlädt ebenfalls sein Rad mit Packtaschen, er ist die letzten drei Wochen auf Sardinien Rad gefahren und jetzt auf dem Heimweg.

Mailand überrascht uns mit Hochhäusern wie Frankfurt. Wir fahren 7 km zur Jugendherberge „Piero Rotta“. Zum ersten und einzigen Mal auf der Tour eine Jugendherberge! Das ursprünglich von uns gebuchte Hostel hat uns freundlicherweise zuvor mitgeteilt, das wir nirgendwo die Räder sicher unterstellen können und uns daher eine kostenlose Stornierung ermöglicht. Und ansonsten finden wir auf diversen Buchungsportalen für Mailand nur recht teure oder recht zentrumsferne Unterkünfte. Die JH ist zwar nicht billig, aber wir können die Räder einschließen lassen. Bei der Ankunft werden wir gewarnt, unsere Räder ja nicht aus den Augen zu lassen, sie würden sofort entwendet werden.
Abends Pizzeria mit flotter Bedienung und gutem, preiswerten Hauswein.

Montag, 12.11.2018
Mailand – Eschborn, 19 km, insgesamt 5010 km
Zum Frühstück in der JH gibt es sogar Brötchen und Butter, fein. Wir fahren zum Dom, um wenigstens ein wenig von Mailand zu sehen. Auf nicht wenigen Straßen gibt es Radspuren und sogar separate Radwege, das ist Premiere in Italien. Der Dom ist ein gotisch/neogotischer Riesenbau, der bei Peter die Assoziation von Stalagmiten in einer Tropfsteinhöhle weckt. Eigentlich ist nicht viel los, aber zuerst muss man ewig Schlange stehen zum Ticketerwerb (das lässt sich durch in der Ecke versteckte Automaten umgehen), dann muss man eine schneckenlangsame Leibesvisitation über sich ergehen lassen.

Nach dem Dombesuch fahren wir zum Bahnhof. Dort haben wir 9 km auf dem Tageskilometerzähler und somit mit dem letzten Kilometer in Italien die 5000 km erreicht! Wir müssen zugeben, dass wir in Palermo mit unserem Radausflug nach Mondello durchaus auch das Ziel „5000 km“ im Blick hatten …
Im Bahnhof müssen wir durch ein „Gate“ auf den Bahnsteig, wo nur Reisende mit Fahrkarten durchgelassen werden. Nach einiger Zeit wird das Gleis für unseren Zug angezeigt. Und tatsächlich hat der Wagen 5 zwei Radhaken und Gepäckablagen. Viel Platz ist da allerdings nicht. Wir hängen die Räder auf, quetschen Peters Rad irgendwie dazwischen und unsere Satteltaschen in die verbliebenen Lücken. Passt!

Glücklich sitzen wir mit Rädern im EC52, der durchgehend in 7 Stunden 36 Minuten nach Frankfurt fährt. Als wir in Basel deutsches Zugpersonal bekommen, erkundet sich der Zugführer interessiert, wie wir denn an die Radreservierung gekommen sind und bestätigt nochmals, dass dieser Zug in Deutschland nicht mit Rädern buchbar ist.

Die Durchquerung der Schweiz erfolgt bei Sonnenschein. Die Landschaft mit teilweise schneebedeckten Gipfeln in der Ferne sieht ein bisschen wie Fototapete aus.
Pünktlich (!) rollt der Zug im Frankfurter Bahnhof ein. Überraschung – dort warten unsere beiden Töchter mit Rädern, um uns in Empfang zu nehmen und nach Hause zu begleiten. Auch eine Kollegin von Catrin ist gekommen.

Wir fahren die endgültig letzten 10 km nach Hause und werden von Luftballons an der Tür und Catrins Schwester überrascht, die einen kleinen Sektempfang vorbereitet hat.
Peter ist überglücklich, sein Zimmer und seine Spielsachen wieder zu sehen.

Tja, damit ist der Reiseblog zu Ende. Ich (Martin) werde noch einen letzten Beitrag „Reisestatistik“ schreiben, die Ausrüstungs-Seiten mit den Erfahrungen der letzten Monate ergänzen und unsere tatsächliche Route veröffentlichen.

Palermo

Dienstag, 6.11.2018
San Nicola L’Arena – Palermo, 32 km, insgesamt 4944 km
Der Verkehr auf der SS113 wird stärker, je mehr wir uns Palermo nähern. Wir kommen wir durch den Ort Casteldaccia, der am Sonntag abend auch in den deutschen Nachichten erschien: Durch die Unwetter schwoll ein Bächlein mächtig an und ließ mehrere Menschen in einem Haus ertrinken. Wir sehen die Schlammreste auf der Straße und freuen uns, dass es jetzt sonnig ist.

Die Beine sind uns etwas schwer, die Vorstellung, dass heute die letzte Radetappe unserer Tour sein soll, stimmt uns gleichzeitig schwermütig und fröhlich. Wir fahren bis zum Ufer am Foro Italico und genießen den Blick auf Palermo, den Hafen und den danebenliegenden Monte Pellegrino.

 

Wir können unser Appartement „Antadia“ früh beziehen, dürfen die Räder in einem ungenutzten, verwahrlosten Raum im Erdgeschoss unterstellen und bekommen sogar den Schlüssel dazu.
Anschließend machen wir uns an die Erkundung der Stadt. Wir finden die Chiesa di San Cataldo mit drei arabisch wirkenden Kuppeln und direkt nebenan Santa Maria dell’Ammiraglio mit goldenen Mosaiken an Wänden und Kuppel.

Obwohl wir uns von Kultur und Kirchen gesättigt fühlen, überraschen uns diese beiden Kirchen sehr, sind sie doch komplett anders als alle anderen Kirchen, die wir auf unserer Tour gesehen haben.

Die Fontana Pretoria belustigt durch eine Reihe mehr oder weniger gut getroffene Tierköpfe.

Dann bummeln wir über den Straßenmarkt, auf dem vormittags wahrscheinlich mehr los ist.

Der Vergleich zwischen Palermo und Neapel drängt sich auf: Allerdings sind die Häuser in Palermo niedriger, die Straßen breiter, das Menschengewirr weniger dicht und der Verkehr weniger tosend und laut. Dafür sind mehr Menschen mit anscheinend nordafrikanischer Herkunft zu sehen.

Mittwoch, 7.11.2018
Palermo
Vormittags fahren wir nach Monreale, um uns den dortigen normannisch-arabisch-byzantinischen Dom anzusehen. Mit dem Bus – wir haben keine Lust, mit dem Fahrrad im Stadtverkehr von Palermo bergauf zu fahren. Der Dom beeindruckt mit seinen mosaikgeschmückten Wänden. Wir klettern ein paar Treppen hinauf, umrunden den Dom außen, haben einen wunderbaren Blick über Palermo bis zum Meer und können von oben in den Kreuzgang blicken.

 

Wieder zurück in Palermo schauen wir uns den „Normannenpalast“ mit der Cappella Palatina an. Innen wieder durchgehend goldfarbener Mosaikschmuck, an den Wänden und auf dem Boden arabisch wirkende geometrische Muster. Die geschnitzte Holzdecke erinnert an Stalaktiten in einer Tropfsteinhöhle. Den Eintritt erschwert uns die Gepäckdurchleuchtung, bei der Catrins Taschenmesser auffällt. Sie muss es erst draußen irgendwo unauffällig deponieren, bevor wir hineingelassen werden. Die übrigen Räume können wir unter der Woche nicht besichtigen, weil dort das sizilianische Regionalparlament tagt.

Am Nachmittag schauen wir uns die Kapuzinergruft an. Ein paar hundert Jahre wurden dort die Toten eher getrocknet als begraben und reihenweise auftrecht an den Wänden entlang aufgestellt. So konnte man seine Verblichenen noch lange besuchen. Der unterschiedliche Erhaltungszustand von Kleidung, Haut und Knochen wirkt etwas makaber. Bevor wir eintreten konnten, hat uns ein deutsches Touristenpärchen vom Besuch mit Peter abgeraten – der Anblick sei wirklich nichts für Kinder. Auch der Kapuzinermönch am Eingang äußert Bedenken. Peter dagegen findet die Begegnung mit den Toten durchaus interessant. An der „Attraktion“ der Gruft schleusen wir Peter allerdings vorbei – ein zweijähriges Mädchen, das im Jahre 1920 gestorben, einbalsamiert und überraschend lebensecht erhalten ist.

 

In Palermo erleben wir eine neue Art der Unfreundlichkeit, ähnlich, wie es in Berlin kultiviert wird. Beim Einkauf wird man recht zögerlich bedient, und im Café ist man eher Bittsteller als Gast. Wir hatten allerdings auch freundliche Bedienungen, z.B. die Dame, bei der wir zu Mittag „Cardoon“ gegessen haben, im Ausbackteig frittierte wilde Artischocke.

Donnerstag, 8.11.2018
Palermo
Vormittags sehen wir uns den Dom an. Von außen ein sizilianisch-typisches wildes Gemisch aus normannischen, arabischen und byzantinischen Stil, von innen eher langweilig.

 

In einer Seitenkapelle liegt Santa Rosalia, die Stadtheilige von Palermo. Der Staufer Friedrich der zweite liegt ebenfalls hier in seinem Sarkophag. Wir klettern aufs Dach und genießen den Ausblick über das sonnige Palermo. Anschließend bummeln wir die Haupteinkaufsmeile Via Maqueda und ihre Verlängerung entlang und landen mittags im eher kleinen Marktviertel Vucciria, wo wir Arancini essen – frittierte, gefüllte Reisbällchen.

Urlaubsmüde besuchen wir den botanischen Garten. Der ist ziemlich verwahrlost. Interessant sind die Mimosen, deren Blätter sich bei Berührung zusammenfalten, die grünen Papageien in den Bäumen und die riesigen Gummibäume mit ihrem gewaltigen Wurzelwerk.

 

Zurück im Appartement stellen wir fest, dass sich jemand unser Bier aus dem Gemeinschaftskühlschrank gegriffen hat. Ja, ja, Sizilien ist ein kriminelles Pflaster. Das war vielleicht das Schutzgeld für die Mafia.
Abends essen wir in einem Restaurant am Piazza Rivolutione Pizza, Pasta und – nicht ganz stilecht – Burger.

Freitag, 9.11.2018
Palermo/ Mondello, 34 km, insgesamt 4978 km
Den letzten Tag wollen wir am Strand verbringen und fahren mit den Rädern nach Mondello, einem kleinen Badeort ein paar Kilometer nordwestlich von Palermo mit einer beeindruckenden Seebrücke.

Es ist sonnig, leidlich warm und wir tun tatsächlich den ganzen Tag nichts außer lesen, im Sand buddeln und im Wasser plantschen.

Wir sind nicht die einzigen, es kommen immer wieder Leute für ein Sonnenbad oder ein paar Schwimmzüge. Getränke gibt es in der Bar gegenüber.

Am Nachmittag wieder zurück nach Palermo, dann kaufen wir ein paar Vorräte für die Fähre und essen nochmal am Piazza Rivolutione. Gegen 20:00 Uhr machen wir uns auf den Weg zur Fähre, die erst um 23:00 Uhr ablegen soll.
Ciao, Sicilia.

 

Neapel

Sonntag, 14.10.2018
Sperlonga – Mondragone, 58 km, insgesamt 4078 km
Wir fahren bei wunderschönem Wetter los. Die Küste präsentiert sich prächtig. Wir durchqueren einige Straßentunnels und machen Fotostopps, da jede neue Bucht, jede Kurve neue hübsche Ein- und Ausblicke liefert.

Gaeta ist weitgehend langweilig. Wir machen eine kurze Strand- und Sandpause und fahren dann weiter die Landstraße entlang. Diese ist dank Sonntag recht verkehrsarm. Die wenigen Autofahrer, die uns sehen, winken uns fröhlich zu. Die Rennradler grüßen freundlich. Erstaunlich,wie viele Menschen von unserem Tross ein Foto oder Filmchen machen. Zum großen Teil aus den fahrenden Autos heraus. Wir haben schon Beifahrer aus dem Fenster mit der Handykamera hängen sehen oder Fahrer, die uns ganz langsam überholten und uns aus dem geöffneten Beifahrerfenster fotografierten. Ein Rennradler, der uns entgegenkommt, wendet auf der Straße, kommt hinter uns her und fragt uns, wo wir herkommen und wo wir hinfahren, bevor er wieder seines Weges fährt. Wahrscheinlich sind wir auf allen Netzwerken Italiens schon Berühmtheiten und wissen es nur nicht …
Im Niemandsland einer menschenleeren (da Saisonende) Stadt winkt uns eine Dame aus der einzigen geöffneten Trattoria freundlich zu. Wir können nicht widerstehen, kehren ein und essen Lasagne und Teigteilchen, obwohl wir doch eigentlich nur einen Cappuccino trinken wollten.

Weiter geht’s die Landstraße entlang. Abends wollen wir irgendwo in Mondragone in einem Bungalowpark übernachten, da alle Campingplätze geschlossen haben. Und davon gibt’s hier an diesem Küstenstrich mehr als genug. Doch 500 m vor dem Bungalowpark steht ein Tor offen mit einem Campingschild. Wir fahren neugierig hinein, und treffen auf ein paar Menschen, die uns freundlich einen Stellplatz zuweisen. Da die Dauercamper auf diesem Platz ihre Hütten schon winterfest gemacht haben, sieht das ganze etwas wie Favela aus. Jedoch die Stellplatzreihe direkt am Strand ist mit ein paar Wohnmobilen (die meisten aus Deutschland…) belegt. Und mittendrin schlagen wir unser Zelt auf. Der Platz ist mit einer dünnen Schicht Sand bestreut, die von einem Netz festgehalten wird. Doch schon in 5 cm Tiefe ist Betongrund. Die Heringe halten kaum, aber das Zelt steht. Das Wetter ist schön, daher braucht es keine weitere Abspannung (haha – siehe Tagebucheintrag morgen).

Wir laufen noch an den Strand, springen ins Meer und genießen einen weiteren schönen Sonnenuntergang. Das ist der Vorteil, dass wir nun an der Westküste sind: Die Sonnenuntergänge sind klasse!

Montag, 15.10.2018
Montragone – Neapel, 68 km, insgesamt 4136 km
Thema des Tages: Fahrt durch hundert Welten
In der Nacht fängt es an zu winden. Da wir in den von einer dünnen Sandschicht überzogenen Beton-Stellplatz kaum Heringe hereinbekommen haben, ist es nur unserem Körpergewicht und dem einzigen haltenden Hering zu verdanken, dass das Zelt nicht weggeflogen ist. Als wir frühmorgens von dem Sturm aufwachen, flattert uns das Innenzelt um die Ohren und vor dem Fliegengitter ist vor lauter Vorzeltplane unser Gepäck nicht mehr zu sehen. Na gut – dann stehen wir halt mal im Halbdunkeln auf, kramen unsere Sachen zusammen und verpacken das flatternde Zelt. In einem halbwegs windgeschützten Eckchen zwischen den Baracken machen wir ein schnelles Frühstück und sind so schon ungewöhnlich früh unterwegs.
Nun beginnt eine wahrhaft spannende Tour.
Zunächst nehmen wir kleine Feldwege, um die Landstraße zu vermeiden. Denn im Gegensatz zu gestern (Sonntag) ist sie heute am Montag vollgestopft mit Lastwagen. Die Feldwege werden von den dort ansässigen Bewohnern offensichtlich als Müllkippe verwendet. Für uns unverständlich. Wir fahren unmittelbar am wunderschönen Mittelmeer entlang und wähnen uns auf einer Müllhalde. Vor allem vor dem Hintergrund, dass in den Städten der Müll nach Papier, Plastik und Glas getrennt gesammelt wird und auch auf allen Campingplätzen und B&B’s strikte Mülltrennung herrschte. Hier auf dem freien Land scheint all dies nicht zu gelten und Matratzen, Kühlschränke, Altkleider, Wohnzimmereinrichtungen und sonstiger Haushaltsmüll fliegen kreuz und quer durcheinander.

Wir kommen in das Uferstädtchen Pescopagano. Eine neue Welt tut sich hier auf. Diese Stadt scheint sehr ambitioniert auf diversen Reißbrettern entworfen worden zu sein. Jedoch ist sie offensichtlich schon vor dem Erblühen wieder verblüht. Wir sehen lauter leer stehende Häuser, Bauruinen, Schilder „Vendesi“ (zu verkaufen) auf Häusern, Grundstücken und Autos. Nun gut, die Urlaubssaison ist auch hier seit Mitte September vorbei. Doch wir versuchten uns vorzustellen, wie es hier wohl in der Hochsaison aussieht und können es uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass hier dann mehr Leben herrscht. Aus einem der wenigen bewohnten Häusern kommt ein Mann mit einer Plastiktüte heraus. Peters Kommentar: „Guck mal Mama, der wirft jetzt seinen Müll ins Gebüsch.“ Was das Kerlchen auf dieser Tour alles lernt…
Nach dem Queren eines Flüsschens tauchten wir in die nächste Welt. Lauter Orte, die mit „Pineta“ beginnen und nahtlos ineinander übergehen. Kilometerlang fahren wir die Hauptstraße – umgeben von tosendem Verkehr – entlang. Nach rechts immer wieder Abzweige zu diversen Lidos, die alle gleichermaßen uneinladend aussehen. Zwischen Gewerbegebieten, Hotels und Lidos immer wieder leichtbekleidete Frauen, die an der Straße stehen oder sitzen und ihre Dienste anbieten.
Weltenwechsel: Wir erreichen den Ort Pozzuoli. Der Verkehr bleibt übrigens bis Neapel gleichmäßig stark und laut (dafür ist Neapel immerhin berühmt). Hier können wir die Vulkanlandschaft erahnen. Es tun sich Berge auf, die als Wände von Vulkankratern erkennbar sind. Als wir die erste Steigung hinter uns haben, liegt neben uns ein kreisrunder See (aha – Vulkankrater) und der Blick weitet sich Richtung Meer. Die Küste sieht von lauter Vulkantätigkeit in vergangener Zeit zerklüftet aus.

In einer Bar rüsten wir uns für die letzten 15 km nach Neapel hinein. Es geht munter in heftiges Verkehrsgewusel in immer engeren Straßen. Es empfiehlt sich eine sehr selbstbewusste Fahrradfahrweise, sonst kommt man hier nicht mehr wirklich vorwärts. Jedoch: Für einen deutschen Bambino biondo bremsen alle Autofahrer gern. Nur vor den Rollerfahrern muss man sich in Acht nehmen. Wir umrunden das Stadio San Paolo in Fuorigrotta und müssen die letzte Steigung vor Neapel nehmen. Zur Belohnung bekommen wir am Ende eine tolle Sicht über die Innenstadt mit dem Vesuv als Sahnehäubchen oben drauf.

Durch noch engere Straßen (geradezu Gassen) kommen wir in die Innenstadt, lassen uns durch die Flanier- und Einkaufsmeilen „Via Chiala“ und „Via Vittorio Emmanuele“ schwemmen und kommen punktgenau zum vereinbarten Zeitpunkt an unserer Unterkunft am Rande der Altstadt an.
Puh!
Wir wohnen im zweiten Stockwerk eines Altbaus. Leider können wir die Fahrräder nicht unten stehen lassen, dürfen sie aber mit in unser Zimmer nehmen. Also schleppen wir sie neben unserem ganzen anderen Gepäck auch noch die Treppen hoch. Zum Glück ist unser Zimmer riesig (besteht genaugenommen aus drei Zimmern), sodass genug Platz für noch weitere 8 Räder hier wäre.
Beim Auspacken einer von Peters Satteltaschen kommt uns tatsächlich noch eine Nacktschnecke aus Rom entgegen, die als blinder Passagier die letzten Tage mitgereist ist.
Abends lassen wir uns durch die Altstadt treiben, sehen uns das Barockmonster Chiesa Gesu Nuovo an und landen in einer Pizzeria, die uns beweist, dass man in Neapel tasächlich die weltbesten Pizzen essen kann.

 

Dienstag, 16.10.2018
Neapel
Morgens laufen wir zum Castel Nuovo, einer etwas seltsam anmutenden Trutzburg mit 5 Türmen und einem stilistisch unpassenden Marmorportal.

Dann treffen wir Catrins Bruder Michael an der Piazza Dante. Er macht grad Urlaub in Sorrent. Zeitlich passt das prima mit unserer Ankunft hier zusammen. Wir schauen uns den Dom an mit dem Blutreliquiar von San Gennaro, bestaunen in der „Krippengasse“ San Gregorio Armeno die absonderlichsten Dinge des italienischen Geschmacks und und lassen uns dann von Michael mit seinem Leihwagen auf den Capodimonte herauffahren.

 

Mit dem Auto durch den Verkehr in Neapel zu fahren, ist eine ganz eigene Erfahrung. Da bewegen wir uns lieber mit den Rädern durch den Verkehr. Man nimmt einfach weniger Platz ein. Am Nachmittag fährt Michael wieder zu seinem Hotel nach Sorrent und wir nehmen noch an einer Tour durch Neapels Untergrund teil.

Zu römischen Zeiten führte ein langer, unterirdischer Aquädukt nach Neapel. Die Römer haben diverse natürliche Höhlen mit Gängen verbunden. Diese dienten lange, bis zur Choleraepidemie 1885 der Wasserversorgung Neapels. Anschließend verkamen sie zur Müllkippe, bis sie im zweiten Weltkrieg als Schutzbunker wiederentdeckt wurden.

Wir besichtigen noch die Reste des römischen Theaters, die sich unter den Kellern der dichten Wohnbebauung in der Innenstadt finden lassen.
Beim Vergleich von Neapel mit Rom ist mir (Martin) für Rom das Wort „beschaulich“ eingefallen. In Rom selbst wäre ich nie auf die Idee gekommen, Rom beschaulich zu nennen. Aber in Neapel sind die Gassen nur halb so breit wie in Rom, die Häuser wirken höher und es sind viel mehr Menschen unterwegs. Neapel ist laut, dreckig, vermüllt und stinkt. Neapel ist quirlig, lebendig und authentisch, viel weniger touristisch als Rom. In Neapel tobt das Leben in den engen Gassen. Ob mir Neapel „gefällt“, kann ich schlecht beantworten, aber es hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck.

 

 

Mittwoch, 17.10.2018
Neapel
Heute wird ein spannender Tag. Wir fahren zum Vesuv, dem einzigen noch aktiven Vulkan auf dem europäischen Festland. Um die Ecke unserer Unterkunft sammelt uns ein Bus ein. Um die Ecke kommt ein altes, klapperiges Modell, das wohl in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts seine Blütezeit hatte.

Wir steigen ein und lassen uns eine Dreiviertelstunde lang durch ganz Neapel rumpeln, wo an diversen anderen Haltestationen weitere Leute eingesammelt werden. Nach der Haltestelle Herculaneum schraubt sich der Bus den Vesuv hoch. Peter wird es kodderig, hält aber bis oben durch. Ca. 100 Meter unter dem Kraterrand ist ein Busparkplatz, an dem wir aussteigen. Von nun an haben wir 2,5 Stunden Zeit, uns in aller Ruhe den Vesuv anzuschauen und die Vulkanatmosphäre zu genießen. Aber – welch eine Enttäuschung – der Zugang zum Wanderweg an den Krater ist verrammelt.

Auch der Schalter für die Eintrittstickets ist geschlossen. Wir stehen und schauen ratlos. Eine deutsche Touristin klärt uns auf: In den letzten Tagen ist wohl ein Felsrutsch niedergegangen, der nun noch aufgeräumt werden muss, bevor wieder Touristen in das Gebiet dürfen. Wir sehen Bagger am Berg herumfahren und einige gewichtig aussehende Leute, die das Übel begutachten. Nun ist guter Rat teuer. Wir haben 2,5 Stunden herumzubringen an einer etwas unwirtlichen Stelle Italiens. Die einzige Möglichkeit, die sich uns bietet, ist, die Straße den Berg herunterzuwandern, ein paar Landschaftsfotos zu schießen und sich an dem vulkanischen Geröll zu erfreuen. Irgendwann laufen wir mitten in ein Geröllfeld, holen den E-Book-Reader heraus und lesen „Alice im Wunderland“ vor.

Wieder oben essen wir noch unser Picknick auf und dann ist „schon wieder“ Abfahrtszeit. Den Vesuv-Ausflug verbuchen wir unter dem Kapitel Touristen-Abzocke. Denn wir sind sicher, dass alle (Fahrkartenverkäufer und Busfahrer) Bescheid wussten, dass oben auf dem Vesuv heute nicht viel los ist.
Am frühen Nachmittag sind wir wieder in Neapel. Wir steigen am ersten Haltepunkt aus (um nicht noch einmal 45 Minuten lang durch Neapel rumpeln zu müssen) und laufen durch die Altstadt zur Kirche San Lorenzo Maggiore. Dort wurden bei den Aufräumarbeiten nach dem zweiten Weltkrieg unter der Kirche Reste eines römischen Marktes gefunden, die nun besichtigt werden können. Für einen Euro Aufschlag bekommen wir sogar eine englischsprachige Führung. Das hat sich absolut gelohnt und wir können uns lebhaft vorstellen, wie es in der engen Gasse beim Bäcker, in der Wäscherei und in der Textilfärberei zugegangen sein mochte. Peter ist es noch wichtig, auch alle Räume des angrenzenden Museums zu besichtigen. Danach noch die Kirche, zur Abwechselung mal gothisch, mit der Grabstelle Katharinas von Österreich (wer auch immer das war…) bestaunt.

Und wo wir schon beim Geld ausgeben sind, gehen wir noch in die Capella Sansevero, deren vorstechendstes Merkmal die beeindruckenden Marmorfiguren (mal mehr, mal weniger freizügig) und der leicht bedeckte Jesus (auch komplett aus Marmor) sind. Der Jesus ist wirklich beeindruckend. Man meint, man könne das Tuch über Jesus anheben, jedoch ist alles aus Marmor. Zum Gruseln geht es noch in die Krypta unter der Kapelle, wo zwei menschliche Blutadern-Modelle aufgestellt sind. Gunther von Hagens lässt grüßen.

Am spannendsten daran ist noch die Legende um die Entstehung dieser beiden Modelle: Der Prinz Raimondo di Sangro als der Geldgeber der Kapelle, soll bei seinen alchimistischen Experimenten zwei seiner Diener bei lebendigem Leibe mumifiziert haben. Und vor dem Ergebnis stehen wir heute. Die Erläuterungen auf der Tafel neben den Modellen klingt viel banaler: Es handelt sich um ein mit Wachs ummanteltes Drahtmodel. Schade – so entgruselt es sich dann ganz schnell vor so einem Modell.
Nach einem Spritz in der Bar an unserer Unterkunft laufen wir noch einmal zur Piazza del Gesu, setzen uns dort in ein Restaurant und genießen mehrere Gänge eines italienischen Menüs und trinken dazu lecker Wein. Zu Martins Bedauern gibt es in dem Restaurant keinen Dessertwein.
Die Dunkelheit senkt sich über den Platz, der Zeitschriften- und Fahrkartenverkäufer schließt seinen Kiosk, die neapolitanische Jugend krakeelt laut herum, im benachbarten Fitnessstudio schwitzen die jungen Frauen, im Lastwagen neben dem Restaurant kann Blut gespendet werden und zweimal werden wir Zeuge einer Wachablösung des Militärs auf dem Platz.
Es stimmt: Neapel ist eng, laut, chaotisch, quirlig, dreckig. Wir werden Neapel morgen mit gemischten Gefühlen verlassen und nicht wirklich wissen, wie wir diese Stadt finden.

 

Donnerstag, 18.10.2018
Neapel – Pompei, 30 km, insgesamt 4166 km
Wir wagen uns in den tosenden Verkehr und fahren Richtung Pompei, meistens über die SS18. „Ruhige“ Parallelstraßen gibt es nicht, auch dort stehen wir oft genug zusammen mit den Autos im Stau. Aber die Autofahrer fahren fast immer schön um uns herum. Neapel verschwimmt übergangslos erst mit seinen Nachbarstädten Ercolano (Herkulaneum),Torre del Greco, Torre Annunziata und Pompei. Torre del Greco hat seinen Platz vor der Kirche mit einer gewaltigen Lichtinstallation geschmückt, die wir gerne abends gesehen hätten.

Die Straßen sind schlecht, der Asphalt bröselt oder wir rattern materialermüdend kilometerweit über grobe Pflastersteine. In einem kleinen Radladen unterwegs möchte ich (Martin) einen neuen Tacho kaufen, weil ein Wackelkontakt am Kabel vom Impulsgeber meinen Sigma zunehmend unbrauchbar macht. Leider lassen sich beide Tachos, die der Laden vorrätig hat, nicht zum Funktionieren überreden, so dass wir ohne Tacho weiterfahren. Ein paar Kilometer im nächsten Radladen gibt es dann einen funktionsfähigen Tacho.
Pompei hat in unmittelbarer Nähe zur Ausgrabungsstätte gleich vier Campingplätze zu bieten, anscheinend alle geöffnet. Wir steuern den Camping Spartakus an, klein und übersichtlich, wo wir unter Orangenbäumen unser Zelt aufschlagen.
In die Römerstadt gelangen wir ohne Schlange bei bestem Wetter und laufen die nächsten Stunden staunend durch die römischen Straßen und Häuser. Unsere E-Book-Reiseführer lotsen uns zu den wichtigsten Gebäuden. Es ist beeindruckend, sich eine ganze römische Stadt vorstellen zu können mit normalen Wohnhäusern, Läden, Handwerksbetrieben, Forum, Theater und Tempeln.

 

 

 

 

Am tyrrhenischen Meer

Mittwoch, 10.10.2018
Rom – Anzio, 84 km, insgesamt 3911 km
Wir packen das vom gestrigen Regenguss leicht patschige Zelt ein. Zumindest das ziemlich verdreckte Groundsheet können wir zuvor in der Sonne trocknen. Dann verabschieden wir uns von Rainer und erreichen über die Schnellstraßen Auf- und Abfahrt den Tiber-Radweg. Wir folgen wieder der vertuellen Eurovelo 7 bzw. Ciclopista del Sol, die in der Realität weder ein Radweg ist noch eine Beschilderung hat. Abgesehen vom Stückchen Tiber-Radweg. Auf diesem geht es überraschend zügig in die Innenstadt, die wir Richtung Süden durchqueren müssen. Wir begegnen einigen (Renn-)Radlern, werden mehrfach nach woher und wohin befragt und dienen gerne als Fotomotiv. Durchs Zentrum verläuft der Radweg tief unten am Tiber und man kommt (außer über Treppen) eigentlich weder hin noch wieder davon weg. Außerdem sieht man nichts. Zum Sightseeing also weniger geeignet, für eine zügige Fahrt jedoch ideal.

Nach der Tiberinsel gibt es eine Rampe, dort verlassen wir den Radweg und erreichen vorbei am Circus Maximus die Via Appia Antika. Die ist zunächst von Verkehr umtost, zieht sich dann aber wunderschön durch römische Reste (fast) autofrei kilometerlang Richtung Südosten.

 

 

Das Pflaster ist stellenweise noch original römisch-rumpelig, was das Fortkommen erschwert. Alternativen sind die Trampelpfade zu beiden Seiten, die aber auch eher Singletracks ähneln. Auf den letzten 2 km ist der Weg nur noch für Mountainbikes geeignet, von denen uns auch einige begegnet sind (ohne Gepäck und Kind hintendran!). Die virtuelle Route der Eurovelo 7 ist also noch verbesserungswürdig, auch weil der weitere Trackverlauf über eine durch ein hohes Gittertor gesperrte Privatstraße und später über die SP3 „Via Ardeatina“ führt. Die ist schmal, kaputt und von vielen LKW befahren. Wieder viele Gewerbebiete und gewerbetreibende Damen am Straßenrand.
Unser Ziel ist der Campingplatz Isola Verde ein paar km vor Nettuno. Das ist für uns eine relativ lange Etappe. Immerhin soll der Campingplatz noch geöffnet haben, so ganz eindeutig habe ich (Martin) die Angaben auf der Website nicht verstanden. Um 18:00 Uhr erreichen wir den Platz, der sowas von geschlossen ist. Während ich enttäuscht das Gittertor anstarre, telefoniert uns Catrin ins nächste B&B „Il Vialetto“ in Anzio – nochmal 6 km. Moderne Kommunikations- und Informationsmethoden haben schon was für sich. Wir werden sehr nett aufgenommen und dürfen sogar die Küche nutzen.

Donnerstag, 11.10.2018
Anzio – Sabaudia, 43 km, insgesamt 3954 km
Nach einem plastiklastigen Früstück (plastikumhüllte Hörnchen, Marmeladentöpfchen, Trinkpäckchen) brechen wir in ein trübes Wetter auf. Immerhin ist es trocken. Außerdem warm genug, um nicht zu sehr zu schwitzen. Heute sehen wir endlich wieder mal das Meer. Dieses Mal auf der anderen Seite von Italien. Wir fahren weitgehend am Meer entlang, machen einige Pausen am Strand, die vor allem Peter genießt.

Der Wind bläst eifrig von vorne. Als es bei der letzten Strandpause anfängt zu nieseln, fahren wir weiter und steuern das von Martin schon gestern gebuchte B&B Flora kurz vor Sabaudia an. Wir landen mitten in einer ländlichen Gegend in einem schönen alten Haus und bekommen ein wunderbar eingerichtetes Zimmer, das sich bis in den Dachgiebel hineinzieht. Das Badezimmer ist riesengroß und ebenfalls toll eingerichtet. Es steht sogar ein Sessel drin.
Auch hier dürfen wir die Küche mitbenutzen, bekommen sogar einen eigenen Kühlschrank.

Martin fährt noch mal los, kauft Gemüse für das Abendessen und (Kühl!)Getränke für die weitere Abendgestaltung. Wir kochen in der schönen Küche und sitzen abends noch gemütlich zusammen. Beim leise rauschenden Regen ist es in einer festen Behausung doppelt schön.

 

Freitag, 12.10.2018
Sabaudia – Sperlonga, 66 km, insgesamt 4020 km
Wir erhalten wieder ein reichhaltiges italienisches Frühstück mit süßen Hörnchen aus der Plastiktüte, Zwieback, Marmelade, Plätzchen, Cornflakes und Joghurt. Wir fahren zum Meer, machen die erste Peter-wühlt-gerne-am-Strand-Pause und umrunden bei Mezzomonte einen Berg, der motivationslos an der Küste aufragt.

Später erreichen wir Terracina, wo wir am ziemlich leeren Strand bei Sonnenschein die nächste Sandwühlpause einlegen. Die Stadt wird von einem Hügel überragt, auf dem ein römischer Tempelrest trohnt.

Durch die nächste Bucht fahren wir nach Sperlonga. Weiße Häuser kleben malerisch am Hügel, wir pausieren nochmal am Strand, an dem sich sogar ein Dutzend Urlauber befinden. Wie mag es hier in der Saison aussehen? Am Stadtausgang erreichen wir den Camping Nord Sud, dessen hervorstechende Eigenschaft nach den vielen geschlossenen Campingplätzen zuvor ist, dass er bis Ende Oktober geöffnet hat! Er hat direkten Strandzugang, wo wir gegen 18:30 den leider viel zu frühen Sonnenuntergang bewundern. Wir beschließen, zwei Tage zu bleiben, damit Peter genügend im Sand wühlen kann. Außerdem ist gutes Wetter angesagt.

Samstag, 13.10.2018
Sperlonga
Heute ist Strandtag! Wir laufen am Strand entlang bis zum Städtchen, essen Eis, buddeln im Sand, baden im Meer, lesen, schlafen, holen einige Tage bloggen nach, suchen eine Unterkunft in Neapel, trinken Espresso.
Urlaub halt.

 

 

 

Rom

Samstag, 6.10.2018
Rom
In der Nacht beginnt es zu regnen.
Daher zögern wir morgens aufzustehen und gehen erst spät los. Heute soll es zunächst zum Petersdom gehen.
Wir laufen zur Bahn und finden den Bahnhof „Due Ponti“ versteckt hinter der Hauptverkehrsstraße. Es gibt keinen Fahrkartenschalter. Da stehen wir nun mit unserem dummen Gesicht. Nur mit Hilfe freundlicher Mitcamper, die unser Problem bemerken, schaffen wir es durch die Sperre auf den Bahnsteig. Sie helfen uns mit einer Fahrkarte aus, die sie schlauerweise schon an der Rezeption des Campingplatzes erstanden hatten.
Wir kaufen uns dann auf dem nächsten Bahnhof direkt ein Mehrtagesticket, damit wir nicht noch einmal so ein Problem haben.

Auf dem Petersplatz stehen wir Schlange. Zum Glück kommt inzwischen manchmal die Sonne raus und es regnet nur noch hin und wieder.
Auf Petersplatz nach Spuren aus Dan Brown’s „Illuminati“ geschaut – und gefunden (West Ponente). Wenig spektakulär, aber trotzdem interessant, dass es das Ding wirklich gibt.
Der Petersdom ist immer noch riesig. Wir schauen uns Michelangelos Maria an und natürlich den „Peter“ mit dem blankgerubbelten Fuß.

In die Kuppel sind wir nicht mehr gestiegen, da uns ein akuter Hungeranfall plagte.
Wir fuhren zum Kolosseum und fanden dort tatsächlich Martins Lieblingspizzeria „Luzzi“ vom letzten Rombesuch wieder. Die ist immer noch lecker und immer noch günstig.
Nach dem Essen reihten wir uns in die Kolosseumsschlange ein. Bei der Sicherheitskontrolle entdecken sie Catrins Opinel-Messer und lassen sie nicht durch (am Petersdom haben sie das Messer glücklicherweise nicht entdeckt). Egal, dann kommen wir eben morgen wieder. Da dann erster Sonntag im Monat ist, ist dann der Eintritt auch frei.
Zur Lateranbasilika gelaufen. Dort das Messer auf ein Fenstersims gelegt und problemlos reingekommen. Die zweite Hälfte einer Messe mitbekommen. Der Kreuzgang hatte leider schon zu.

Auf dem Rückweg noch eine halbe Stunde Wartezeit, bis der Zug zum Campingplatz geht. Wir nutzten die Zeit für einen Besuch des Piazza del Popolo mit der Kirche Santa Maria del Popolo. Dort suchten wir die Chigikapelle, die ebenfalls eine Rolle in „Illuminati“ spielt. Nach 10 Minuten gehen die Lichter aus. Der Küster schließt die Kirche. Wir müssen sowieso gehen, um den Zug zu erreichen.

Im Dunkeln sieht unser Bahnhof „due Ponti“ noch gammeliger und ungemütlicher aus als am Tag. Über große Pfützen springend legen wir den Weg zum Campingplatz an der vielbefahrenen Straße (natürlich ohne Gehweg, dafür aber mit viel Müll und umgestürzten Bäumen) zurück. Fußgänger und Radfahrer sind hier einfach nicht vorgesehen.
Das Zelt und der Boden rundherum sind vom vielen Regen ziemlich durchweicht, alles im Vorzelt klamm. Zum Glück ist innen alles trocken geblieben. Wir kriechen mit leicht feuchten und sehr dreckigen Füßen in die Schlafsäcke.

Sonntag, 7.10.2018
Rom
Heute wollem wir gaaanz früh aufstehen, um vor den Menschenmassen am Kolosseum anzukommen. Leider hält uns der aufs Zelt prasselnde Regen etwas davon ab. Leicht verspätet kommen wir los. Doch als wir uns gegen 10 Uhr in die schon recht lange Schlange am Kolosseum einreihen, scheint die Sonne. Wir merken, dass wir gar nicht in der Schlange zum Kolosseum stehen, sondern dass die Schlange nur zu einem Kartenschalter führt. Da aber auch am Tag mit Gratiseintritt Karten vorgezeigt werden müssen, warten wir geduldig ab und lesen in den uns zur Verfügung stehenden Reiseführern (im E-Book Reader) alles über das Kolosseum und das Forum Romanum. Und als wir endlich im Besitz der Karten sind, ist der Eingang zum Forum auch nicht mehr weit, sodass wir uns erst an dieser Schlange anstellen. Just in diesem Moment kommt John, unser Nachbar vom Campingplatz vorbeigeradelt. Wir freuen uns über diesen Zufall.

Im Forum und auch auf dem Palatin liegen immer noch jede Menge alter Steine herum. Wir finden den Nabel der Welt und schauen von oben herab auf den Circus Maximus, wo heute wohl eine Landwirtschaftsmesse stattfindet.
Raus aus dem Forum Romanum erwartet uns schon die nächste Schlange, die ins Kolosseum hineinführt. Wir stellen uns mal ganz doof und reihen uns „versehentlich“ ziemlich weit vorne ein und kommen daher vergleichsweise schnell rein. Als die Karten kontrolliert werden, sagt die freundliche Frau, dass ich (Catrin) nicht reindarf. Als ich verdutzt schaue, lacht sie mich an, sagt, dass sie mich von gestern wiedererkannt hat (als ich wegen des Opinels weggschickt wurde) und winkt mich durch.

Auch das Kollosseum ist immer noch riesig. Erstaunlich, dass dort mehr Menschen reinpassten als in die Frankfurter Commerbankarena. Und durch unglaublich gutes Wegemanagement konnten die 50000 Menschen innerhalb weniger Minuten an ihre Plätze gelangen. Das klappt heute im Kolosseum nicht mehr. Wir haben an diesem Tag schon gute zwei Stunden Schlange gestanden.
Gruselig, sich vorzustellen, welche Szenen sich hier auf der Arena abspielten. Und gruselig die Vorstellung, welchen Spaß die Römer dabei gehabt hatten und mit welcher Lautstärke sie wohl die „Spiele“ begleiteten.

Nach dem Kolosseum besuchen wir Martins Lieblingspizzeria ein weiteres Mal. Dieses Mal müssen wir auch dort Schlange stehen, aber schon nach 20 Minuten bekommen wir vom aufmerksamen Chef einen Tisch zugewiesen und speisen köstlich.
Am späten Nachmittag kommen wir am Campingplatz an. Peter springt in den Pool.
Tagsüber gab’s noch einige Schauer, ansonsten schien die Sonne und es wird die nächsten zwei Tage auch schön bleiben. Wir räumen das Vorzelt aus, stellen die Taschen zum Trocknen in die Sonne und wischen das nasse Groundsheet ab. Nun lebt es sich doch schon viel angenehmer hier auf dem Campingplatz.
Abends kommt Rainer aus Essen an, der von Kempten aus nach Rom gefahren ist und auch noch Richtung Sizilien weiterfahren will. Aber wie alle anderen Radler, die wir bisher trafen hat er die Reschenpass-Route genommen. Mit der Donau-Ungarn-Slowenien-Strecke haben wir ein Alleinstellungsmerkmal bei allen Fernradlern, die wir treffen.

Montag, 8.10.2018
Rom
Vormittags nehmen wir an einer „Free Walking Tour“ Stadtführung teil. In Rom gibt es mehrere Organisationen, die „free walking tours“ anbieten. Die eine bestand ausdrücklich auf einer ausgedruckten Reservierungsbestätigung, die nächste wollte 2,50€ pro Person als Reservierungsgebühr (wir zahlen nachher sowieso mehr für die Führung, aber irgendwie scheint mir das dem Prinzip der free walking tour zu widersprechen), also nehmen wir den dritten Anbieter. Maria führt uns von der spanischen Treppe über die via del Corso vorbei an der aurelianischen Säule, dem Pantheon und der Piazza Navona bis vor die Engelsbrücke und schwärmt von ihrer Stadt Rom.

Am Nachmittag laufen wir zu Santa Maria della Vittoria, wo Catrin unsere Dan-Brown-Illuminati-Führung vervollständigt. Dort ist die Statue der Verzückung der hl. Theresa zu sehen, von Bernini natürlich. Dann noch den Trevi-Brunnen, vor dem sich wahre Menschenmassen drängeln.

Abends lädt uns John auf ein Bier am Campingplatz ein und wir tauschen Tour- und Routenerlebnisse aus.

Dienstag, 9.10.2018
Rom
Morgens verabschieden wir uns von John, der heute wieder nach Hause fliegt.
Für heute haben wir Karten für die Vatikanischen Museen gekauft, d.h. am Freitag online vorbestellt für den nächsten verfügbaren Zeitslot am Dienstag. Da wir erst den Zeitslot am Mittag gebuch haben, haben wir vormittags noch Zeit, durch Rom zu bummeln und die Fotos zu schießen, für die wir bis jetzt noch keine Zeit hatten. Sprich: Spanische Treppe, Aurelianische Säule, Piazza Navona. Ach, und weil man auf der Piazza Navona so schön Leute gucken kann, kaufen wir uns dort noch ein Eis und verweilen ein wenig.

Über die Engelsbrücke laufen wir zum Petersplatz. Nach einem schnellen Espresso im Stehen (ja wir sind lernfähig und wissen nun, dass auch in den teuersten Ecken der Espresso im Stehen nur 1 Euro kostet), gehen wir zum Eingang der Vatikanischen Museen, laufen an der Schlange vorbei, die keine Eintrittskarten hat und können mit unseren Online-Tickets direkt rein. Peter hopst fröhlich die Treppen hinauf und freut sich, dass wir endlich mal wieder ein Museum besuchen. Wir staunen über all die alten Steinskultpuren, die hier zu bewundern sind, suchen im Mosaik die fantastischsten Fabelwesen und die tollsten Kämpfe, gruseln uns vor den mumifizierten Leichen und sind fasziniert von den italienischen Karten, die 500 Jahre alt sind, auf denen wir aber trotzdem ganz genau unsere Tour durch Italien nachvollziehen können.

 

Als unsere Augen schon anfangen zu tränen und die Füße langsam anfangen zu brennen, kommen die Stanzen Raffaellos. Diese toll ausgemalten Privaträumlichkeiten von Papst Julius II. und Papst Leo X. wären allein schon ein Museum wert.

Und als wir dann nur noch schnell die moderne Abteilung der Museen durcheilen wollen, um flott zur Sixtinischen Kapelle zu kommen (langsam können wir aber wirklich nicht mehr), stolpern wir über Rodins „Der Denker“. Nanu – stehen und hängen hier auch noch modernere Kunstwerke herum, die wir tatsächlich kennen?

Unser Schritt wird langsamer und wir sehen noch Henry Matisse, Paul Klee, Lionel Feininger, Salvador Dali, Max Ernst, Francis Bacon, Max Pechstein und andere namhafte Künstler, vor deren Werken wir dann doch staunend verweilen. Peter ist beeindruckt vom Christophorus-Bild von Otto Dix. Als wir abends in der S-Bahn sitzen, muss ich ihm noch die Geschichte von Christophorus erzählen.

Foto Max Pappert 2010 aus www.stadtbesichtigungen.de

Und dann – endlich – nach weiteren endlos scheinenden Fluren, werden wir in die Sixtische Kapelle geschwemmt. Direkt am Eingang Ordner, die uns sofort weiter schieben. Die Kapelle ist voll! Wir quetschen uns durch die Menschenmassen und schauen staunend nach oben.

Der Raum summt und brummt vom Gemurmel der Menschenmassen. Irgendwann wird es den Ordnern zu laut und es wird lauthals über Lautsprecher ein Gebet angestimmt, um es wieder leiser werden zu lassen. Toller Trick! Den sollte ich auch mal in der Schule anwenden… Wir ergattern einen Sitzplatz an der Rückwand und können fußentlastend die Fresken bestaunen.
Nach der Sixtinischen Kapelle laufen wir noch durch endlos lange Gänge mit tausenderlei bunt gemischter Kunst zum Ausgangsbereich. Dort finden wir die Vatikanische Post und schicken von dort ein paar Postkarten an Familie und Kindergarten. Immerhin haben wir mit dem Vatikanstaat nach Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Slowenien und Italien nun unser siebtes Land auf unserer Tour erreicht!

Von den Vatikanischen Museen (leider hat es schon wieder leicht zu regnen angefangen, und wir haben keine Regenjacken dabei) fahren wir mit dem Bus nach Trastevere. Fein – es ist voll auf der Straße, der Bus schiebt sich quälend langsam vorwärts, wir haben Sitzplätze und die Füße und Beine danken es uns.
In Trastevere geht es beschaulicher zu als im Vatikan-Bezirk. Niedrigere und bunt angemalte Häuser, kleinere Gassen, einladende Bars, Trattorien und Restaurants. Wir steuern eines an und freuen uns auf ein schnelles Essen. Das Essen zieht sich ein wenig in die Länge, da just zu diesem Zeitpunkt ein Regenguss mit Gewitter über Rom niedergeht. Wir denken mit Bedauern wir an unsere Handtücher und frisch gewaschenen T-Shirts, die vor unserem Zelt hängen, freuen uns aber, dass wir selbst gerade im Trockenen sitzen.

Als der Regen vorbei ist, schauen wir uns noch St. Maria in Trastevere und St. Caecilia an. Auch der Besuch in St. Maria dauert wegen Regens länger als geplant. Als wir aus St. Caecilia rauskommen, ist es schon dunkel und wir machen uns auf den Weg zurück zum Campingplatz. Im Bus eine aufgeregt schnatternde 10. Klasse aus Deutschland, die gefühlt hundert Mal fragt, wo sie denn raus muss und wann denn nun endlich die Station „Termini“ kommt. Die zuständigen Lehrer scheinen lieber im Hotel geblieben zu sein.
Am Campingplatz noch kleines Abendessen, Bier und gute Gespräche mit Zeltnachbar Rainer.

 

Von Umbrien nach Latium

Sonntag, 30.9.2018
Perugia – Assisi, 34 km, insgesamt 3616 km
Morgens werden wir vom Schreien des Esels geweckt und frühstücken mit perfekter Ausicht. Perugia liegt ein paar Kilometer entfernt – auf einem Hügel natürlich. Da die größte Sehenswürdigkeit von Perugia eine Schokoladenfabrik zu sein scheint, die Sonntags geschlossen und eh nur nach wochenlanger Voranmeldung zu besichtigen ist, nehmen wir den direkten Weg nach Assisi. Google führt uns landschaftlich reizlos, aber weitgehend flach direkt an der Autostrada entlang durch Gewerbegebiete. „Weitgehend flach“ bedeutet die eine oder andere giftige Steigung gradewegs über den nächsten Hügel. Assisi ist schon von weitem zu sehen, klar, liegt ja auch auf einem Hügel.

Vorher kommen wir durch Santa Maria degli Angeli mit einer pompösen, neo-barocken Kirche. Hier soll einer der Lieblingsplätze des hl. Franziskus gewesen sein. Vor dem Bau der Kirche, natürlich.

Dann geht es hinauf auf den Hügel, an Assisi vorbei und hinauf auf den Campingplatz Fontemaggio. Viel Platz unter duftenden Pinien, wenig los, es gibt ein Restaurant und einen Mini-Markt. Wir verbringen den Rest des Tages in Ruhe und verschieben die Besichtigung von Assisi auf den nächsten Tag.

Montag, 1.10.2018
Assisi
Morgens ist der Himmel grau und es ist kühl, ein gradezu ungewohntes Wetter. Wir laufen einen Pfad bis Assisi und gehen durch Gässchen und über Treppen vorbei an St. Rufino, über den Stadtplatz mit Santa Maria sopra Minerva (dem ehemaligen römischen Minervatempel) und dem Torre del Popolo

bis zur Franzikus-Basilika. Die zwei Kirchen übereinander sind mit Fresken aus dem Leben von Franziskus und Jesus ausgemalt. Regelmäßig werden die Besucher lautsprecherverstärkt ermahnt, Stille zu halten und nicht zu fotografieren. In einer Krypta unter der Unterkirche ist das Grab von Franziskus, in einer Seitenkapelle seine vielfach geflickte Kutte und andere Devotionalen.

 

Anschließend gehen wir zur Burg hinauf. Mittlerweile regnet es, die Burg liegt in einer Wolke.

Eigentlich soll man von hier einen tollen Blick über die Ebene haben. Wir haben einen tollen Blick auf das heranziehende Gewitter.

Auf dem Rückweg legen wir angesichts des Donnergrollens und des immer stärker prasselnden Regens eine intensive Besichtung von St. Rufino ein. Im Boden sind durch Glasscheiben die Fundamente der ersten Kirche an dieser Stelle zu sehen und auch ein paar römische Reste. Außerdem kann man in der Kirchenbank auch toll Reiseführer lesen. Als der Regen nachlässt, gehen wir zurück und vergraben uns im Zelt. Abends besuchen wir das Restaurant am Campingplatz (Fontemaggio ist auch Hotel und Jugendherberge). Mitten im Raum arbeitet der Koch an einem riesigen Holzkohlegrill.

Wir essen rustikal, Fleisch mit viel Knochen, Kartoffeln aus der Glut und Gemüse. Am Tisch mit uns sitzt eine ältere Dame, die den „Camino“ geht, den Franziskus-Pilgerweg von Montepaola Dovadola nach Assisi. Mit maximalen Höhenmetern schön durch die Berge.
Abends hört der Regen auf und nachts bleibt es trocken.

Dienstag, 2.10.2018
Assisi – Spoleto, 53 km, insgesamt 3669 km
Es ist trocken und zwischen den Wolken blitzt die Sonne durch, hurra. Wir fahren erst steil, dann sanfter den Hang hinunter zwischen Olivenhainen nach Spello. Ebenfalls ein malerisch auf den Hügel geklebtes umbrisches Städtchen.

Wir sehen die Reste eines römischen Aquäduktes, den man kilometerlang entlangwandern kann. Was wir uns verkneifen. Stattdessen halten wir in einem winzigen Cafe, bei dem die zwei Stühlchen vor der Tür zurückgeschoben werden müssen, wenn ein zu breites Auto die schmale Gasse entlang fährt. Und es fahren nicht nur kleine PKW, sonden durchaus auch Lieferwagen und die örtlichen Busse durch die Gasse.

Jedes dieser malerischen Innenstädtchen wäre in Deutschland autofreie Zone, aber in Italien darf immer und überall Auto gefahren werden und die Italiener fahren immer und überall. Kein Schotterweg am Berg und kein noch so kleines Innenstadtgässchen, auf dem uns nicht Autos entgegengekommen wären. Nur Treppen oder Poller können die Italiener bremsen. Wir schieben unsere Räder durch Spello, bis es hinabgeht in die Ebene. Weitgehend flach geht es weiter. Wir stoßen nach einiger Zeit sogar auf eine Radwegbeschilderung Assisi – Spoleto, der wir folgen.
Die Sicht ist wieder besser und noch bis kurz vor Spoleto können wir nach Assisi zurückschauen.
In Spoleto haben wir uns in einem B&B eingemietet, weil es weit und breit keinen Campingpatz zu geben scheint. Ich (Martin) fahre mit Peter noch in die Innenstadt, wir wandern durch die Gassen bis zum Duomo.

Dann kaufen wir ein, das B&B ist eigentlich eine Dreizimmerwohnung mit Küche, in der wir kochen können. Eine weitere Mitbewohnerin ist Grundschullehrerin, arbeitet in der Woche in Spoleto und fährt am Wochenende nach Hause in Messina – ein weiter Weg.

Mittwoch, 3.10.2018
Spoleto – Narni, 46 km, insgesamt 3715 km
Das Frühstück im B&B ist nur ein Cappuccino und ein Puddinghörnchen in der Bar nebenan. Nach ein paar Kilometern führt mein Track wieder in die Berge. Das Sträßchen wird immer schmaler und entsprechend steil, aber das Tal mit Pinien und sonnenbeschienenen Bergen drumherum ist wunderschön.

Auf dem Weg abwärts ist der Track leider nur noch eine Piste aus groben Schotter, der mit unserem Tross entsprechend langsam gefahren werden muss. Beim Sackgassenschild in der Einöde müssen wir lachen und wähnen uns am Ende der Welt. Zum Glück stand das Schild wohl nur zum Spaß da.

Irgendwann landen wir auf der SP67, die sich gut asphaltiert und fast ohne Verkehr durch ein wunderschönes Tal mit schroffen Hängen nach Terni schraubt.

Terni ist eine unansehnliche, mittelgroße Stadt, die wir ohne größere Besichtigungen durchqueren. Vor Narni bleiben wir im Hotel „la Rocca“, weil der Campingplatz bereits geschlossen hat. Narni soll der geografische Mittelpunkt von Italien sein. Außerdem ist es der Namensgeber des phantastischen Landes Narnia, entsprechend beeindruckt muss C.S. Lewis von der Stadt gewesen sein. Wir sehen von einer Besichtigung ab und ich (Martin) nutze die Zeit, den gestern erworbenen Mantel an Catrins Vorderrad und meine Bremsbeläge zu wechseln.

Donnerstag, 4.10.2018
Narni – Stimigliano, 47 km, insgesamt 3762 km
Nach einem für italienische Verhältnisse reichhaltigem Frühstück (neben diversen Sorten Kuchen und Gebäck gibt es sogar ein paar Scheibchen Salami und Käse) fahren wir weiter mit etwas schlechtem Gewissen, weil wir der Stadt Narni keinen Blick gegönnt haben. Über kleine Sträßchen fahren wir bis zur SR313, der wir folgen – mit wenig Verkehr schraubt sich die Straße in die Höhe, wunderschön und etwas anstrengend an Berghängen entlang. Unseren nächsten Stopp haben wir in einem B&B in Stimigliano gebucht, weil wieder kein Campingplatz weit und breit vorhanden, die Unterkunft aber günstig ist. Mit einigen Höhenmetern fahren wir durch den Landstrich Sabina. Die Sabiner waren Nachbarn der Römer und bekannt durch den Raub der Sabinerinnen. Heutzutage fallen sie uns durch interessante Städtepartnerschaften auf.

Durch Torri di Sabina wechseln wir auf die SP52 nach Stimigliamo. Unser B&B entpuppt sich als Maisonette-Appartement mit Herd, Kühlschrank, Wohnraum im Erdgeschoss und Schlafzimmer im Obergeschoss. Der Felsen am Hang ist schön in den Bau integriert. Eigentlich viel zu schön, um nur eine Nacht darin zu verbringen.

Allerdings funktioniert das Wifi nicht, was hier etwas schade ist: Bislang hatten wir in Italien immer hervorragende LTE-Verbindung, sitzen in Stimigliamo aber in einem Funkloch. Wir bummeln durch die winzige Altstadt mit engen Gässchen und einem tollen Blick ins Tiber-Tal, auch hier ist die Stadt wieder malerisch an den Hang geklebt.

 

 

Freitag, 5.10.2018
Stimigliano – Rom, 65 km, insgesamt 3827 km
Alle Track-Vorschläge aus dem Internet führen in epischen Schleifen schön auf und ab über die Hügel Richtung Rom. Wir wollen ankommen, deswegen fahren wir über die Hauptverkehrsstraßen SR657, SS313, SS4 und SS15a „Tiburtina“ nach Rom, grob dem Tiber folgend. Leider gibt es keinen Tiber-Fernradeg, den hätten wir schon ab Perugia nehmen können (allerdings unter Umgehung von Assisi). Der Verkehr wird immer dichter, je mehr wir uns Rom nähern. Zweimal müssen wir Verkehrsknoten queren, die definitiv ausschließlich für Autos und nicht für Fahrräder entworfen wurden. Dank unserer vorbereiteten Route mit Google Maps und Velomap/OSM klappt das ganz gut und nur mit gaaanz wenig gegen die Einbahnstraße fahren.
Die Landschaft ist heute weniger reizvoll als in den letzten Tagen, stattdessen viele Gewerbegebiete. A propos Gewerbe: An der Tiburtina stehen alle paar hundert Meter Damen, die ihre Dienste anbieten. Wir kommen als Kundschaft allerdings kaum in Frage. Catrin ist geschockt. Auf den letzten Kilometern von Norden kommend erreichen wir tatsächlich den Tiber-Radweg, dem wir folgen, bis wir zum Campingplatz Flaminio abbiegen.

Wir müssen eine Bahnlinie und eine Autobahn queren, dann führt uns unser vorbereiteter Track bis zu einer Leitplanke an der Autobahnabfahrt. Der Campingplatz ist zwar nur noch 500m entfernt, aber auf diesem Weg unerreichbar. Also zurück, die Auffahrt auf die autobahngleich ausgebaute Straße nehmen und im brausenden Verkehr das Kunststück vollbringen, auf die linke Spur zu wechseln – die rechte verschwindet in der falschen Richtung im Tunnel. Dabei wird Catrin wüst von einem Autofahrer beschimpft, der zum Bremsen genötigt wurde. Catrin schimpft zurück. Gerne hätte ich das fotografisch festgehalten, aber für ein Foto auf der Autobahn anzuhalten, habe ich mich nun doch nicht getraut.
Wir sind in Rom!

Neben uns auf dem Zeltplatz treffen wir John, einen holländischen Einzelradler, den wir schon in Assisi gesehen haben und der uns schon in Florenz bemerkt hat. Erst jetzt wechseln wir ein paar Worte. Er beendet seine Tour hier.

 

Von der Toskana nach Umbrien

Donnerstag, 27.9.2018
Figline Valdarno – Arezzo, 63 km, insgesamt 3477 km
Die Temperatur beim Aufwachen dürfte fast im einstelligen Bereich liegen. Es ist recht frisch und das Zelt steht auf dem gefühlt schattigsten Fleck des Campingplatzes. Zum Glück hat wenigstens der Wind aufgehört. Wir halten Ausschau nach einem sonnigen Plätzchen und landen auf einem Auto-Abstellplatz, wo wir unsere Decke ausbreiten, frühstücken und unsere Hände und Finger auftauen lassen.

Relativ spät fahren wir erst los. Unten im Ort zweigt ein Weg direkt am Arno entlang ab zum nächsten 6 km entfernt liegenden Ort. Toll – fast wie „Arno-Radweg“! Leider ist die Arno-Brücke gesperrt wegen einer Baustelle. Mit Duldung der freundlichen Bauarbeiter schieben wir unsere Räder durch die Baustelle, um einen mittellästigen Umweg zu vermeiden.

Danach schrauben wir uns die Berge hoch und runter. Teilweise auf abenteuerlichen steilen Schotterwegen, die als Mountainbike-Trails ausgeschildert sind. Da geht es bergab genauso langsam wie bergauf. Am späten Nachmittag erreichen wir Arezzo, besuchen den Supermarkt (da uns Google netterweise verraten hat, dass der nächste Campingplatz keinen Supermarkt hat) und kaufen außer Wein auch noch Sushi als Vorspeise und Schokolade als Nachspeise fürs Abendessen. Der Campingplatz liegt gnädigerweise fast flach an der Strecke, ist ruhig und einigermaßen leer.

Zum Glück ist es tagsüber sehr schön warm geworden, aber nicht zu heiß. Bei gut 20 Grad radelt es sich gut und im Schatten wird es schon fast frisch. Perfektes Radelwetter.
Auch der Abend ist vor dem Zelt temperaturmäßig besser auszuhalten.

Freitag, 28.9.2018
Arezzo – Lago Trasimeno, 60 km, insgesamt 3537 km
Wir fahren die ersten 30 km am Canale Maestro della Chiana entlang. Dabei darf man sich nicht einen Kanal vorstellen wie beispielsweise den Dortmund-Ems-Kanal. Sondern es ist ein dünnes Rinnsal, bei dem sich uns nicht erschloss, warum er geschaffen wurde. Aber toll ist, dass es hier ein erschlossenes Radwegenetz gibt und der Radweg (zwar Schotter, aber immerhin) komplett am Kanal entlang führt. Der Weg ist identisch mit der Eurovelo 7 bzw. Ciclopista del Sol.

Um uns herum Apfelplantagen so weit das Auge reicht. Wir genehmigen uns ein paar Kostproben. Beim nächsten Obstkauf müssen wir ja wissen, was uns schmeckt und was nicht.

Um zum Lago Trasimeno zu kommen, biegen wir irgendwann an einen anderen Kanal ab, wo es ebenfalls eine Radwegebeschilderung gibt. Catrins Vorderrad ist auf einmal ziemlich platt. Aber nach Aufpumpen funktioniert’s noch ganz gut. Wir haben nicht mehr viel Weg vor uns, daher sparen wir uns die Flickerei und fahren weiter. Und dann führt Martins Track durch den denkwürdigen Ort Cortona. Dieser Ort liegt dramatisch schön oben an einem unglaublich steilen Berghang. Die Stadtmauer stammt aus Etruskerzeiten noch Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung. Alles wunderschön und wirklich toll anzuschauen. Aber leider eben auf dem Berg – und das steil! Wir schieben keuchend 2 km unsere Räder den Steilhang hoch, um im Ort weiter steile Gässchen heraufzuschieben. Plötzlich ist alles voller Touristen, die uns mit offenen Mündern anstarren, wie wir mit unseren vollbepackten Rädern wohl hier raufgekommen sind. Das fragt sich Catrin allerdings in den Moment auch.

 


Vor der Abfahrt noch mal Fahrrad aufpumpen. Genauso steil wie es hochging, geht es nun auch wieder runter. Wie schon gestern bemerkt, geht das nicht nicht wesentlich schneller als das Hochfahren. Danach noch seicht durch das Tal Richtung Lago Trasimeno. Leider werden die Aufpump-Etappen immer kürzer. Wir erreichen den Campingplatz am See mit Mühe und Not, der Fahrer lebt, der Schlauch war tot. Zum Stellplatz (wunderschön direkt am See gelegen) schiebt Catrin das Rad. Da wir einigermaßen früh angekommen sind und das Wetter herrlich ist, nutzen wir die Zeit für allerlei nützliche Dinge: Einkaufen, Wäsche waschen (bei leichtem Wind trocknet sie rasend schnell), Reifen flicken (!), Tagebuch schreiben, bloggen, kochen, Peter etwas vorlesen, am See sitzen und den Wasservögeln zuschauen.

Samstag, 29.9.2018
Lago Trasimeno – Perugia, 45 km, insgesamt 3582 km
Wir folgen weiter dem Radweg (!) um den Lago Trasimeno, leider nur Schotterpiste. Irgendwann geht es notwendigerweise weg vom See über die Hügel. Wir stoßen einige Zeit später tatsächlich auf eine Radwegbeschilderung bis Perugia, der wir über Nebenstraßen mit toller Aussicht so lange folgen, bis wir zum Camping „Farmhouse“ einige Kilometer südlich von Perugia abbiegen.

Das ist ein B&B mit Zeltwiese, auf der wir die einzigen sind. Wir stellen unser Zelt in der windigsten Ecke auf und haben einen tollen Blick vom Hügel ins Umland. Martin fährt einkaufen. Der Conad (Lebensmittelladen) in der Nähe hat noch geschlossen: Siesta von 13 bis 17 Uhr. Da wundert es kaum, dass Italiens Wirtschaftswachstum etwas bescheiden ausfällt.

 

Florenz

Sonntag, 23.9.2018
San Piero a Sieve – Florenz, 42 km, insgesamt 3342 km
Nächste Etappe durch den Apennin. Heute muss noch einmal ein 518m hoher Pass überwunden werden. Da wir uns aber noch auf gut 200 m befinden, dürfte das Ganze nicht ganz so happig werden. Außerdem hat Martin eine Strecke ausgesucht, die sanfter ansteigen soll als die Hauptstraße (SR302). Als wir 1,5 km saftig bergauf schieben müssen (bei ca. 18% Steigung) überdenken wir diese Alternative noch einmal. Doch nun ist es zu spät und schon eine knappe Dreiviertelstunde später haben wir auch diesen Knackpunkt geschafft. Der Rest der Strecke ist (als wir die SR302 erreicht haben) tatsächlich einigermaßen flach und vor allem sind wir im Gegensatz zu gestern bereits nach 10 km oben. Nun geht es sanft geschwungen runter. Wir folgen nicht weiter der SR302, sondern der SP54. Diese schmiegt sich sanft an den Hang und braust nicht allzu schnell ins Tal.

 

Die Toskana zeigt sich von ihrer besten Seite und hat sich wunderschön herausgeputzt. Wir gurken relativ langsam die Straße herunter, da jede Kurve neue und bezaubernde Ausblicke liefert. So radeln wir in das Dorf Fiesole hinein. Dort entdeckt Martin in einem Hinterhof eine Bar „Casa del Popolo“ mit einem riesigen Balkon, der einen wunderbaren Ausblick auf die Landschaft bietet. Wir kehren dort ein und verbringen die nächsten zwei Stunden dort und können gar nicht genug von dem Ausblick bekommen.

Weiter durchs Dorf findet auf dem Hauptplatz ein Bio-ökologischer Markt statt. Dort probieren wir uns durch einen Milch und Joghurtstand, erstehen Vollkornbrot und leckere Tomaten.

 

Um die nächste Kurve bietet sich der Blick auf Florenz. Ein großes Häusermeer, das von der Kuppel des Doms dominiert wird.

Martin navigiert uns durch die Straßen durch Florenz zum Campingplatz direkt am Ufer des Arno. Auf dem Weg kommen wir an einem brennenden Auto vorbei. Die Feuerwehr kommt und löscht den Brand. Peter ist tief beeindruckt und erzählt noch abends von dem Erlebnis.
Der Campingplatz „Camping in Town“ ist sehr edel, hat einen tollen Pool, Supermarkt und exzellente sanitäre Anlagen. Dafür nimmt er aber auch einen entsprechenden Preis und dies mit Florenz-Aufschlag. Für das Hostel in Ljublana haben wir nicht wesentlich mehr bezahlt. 40,50€ pro Nacht ist bisheriger Campingplatz-Rekord auf unserer Tour.

Montag, 24.9.2018
Florenz, 16 km, insgesamt 3358 km
Neben uns zelten zwei Neuseeländer. Sie sind auch auf Rädern unterwegs, haben ihre Tour in Rom begonnen und wollen weiter Richtung Norden.
Wir fahren den Arno entlang hinein nach Florenz. Die Gässchen, die Einbahnstraßen und der Verkehr in der Innenstadt sind eine Herausforderung. Schließlich erreichen wir den Treffpunkt der „free walking tour“, die es auch hier gibt, und machen die Stadtführung mit. Wir laufen von Santa Maria Novella zum Dom Santa Maria del Fiore und weiter über die Piazza della di Signoria bis zur Basilica di Santa Croce. Zwischendrin streifen wir den Wohnsitz der Familie Antinori: Dort gibt es tatsächlich eine (kostspielige) Weinbar.

 

Nach der Führung bestellen wir in einem netten Mini-Restaurant mit netter Bedienung die Spezialität von Florenz: Lampredotto (Labmagen) und Trippa (die anderen Mägen der Kuh). Trippa muss allerdings stundenlang kochen, bis es genießbar ist, und war noch nicht fertig. Stattdessen bekam Catrin eine Art Gulasch, was lecker war. Mein Lampredotto war, nun ja, interessant. Peter genießt Lasagne. Wir empfehlen das Restaurant gerne weiter: „Budellino“, Via del Neri 50/r.

Anschließend bummeln wir weiter durch die Innenstadt. Vor dem Dom ist eine viel zu lange Schlange, auch die anderen Kirchen kosten Eintritt (das wäre nicht so schlimm) und man muss ewig warten (das ist super lästig). Wir schauen abends im Internet nach, die Domkuppel ist frühestens in drei Tagen zu besichtigen und auch für die Uffizien kann man nicht „spontan“ am Folgetag eine Karte kaufen. Mit Peter ist die Besichtigung der Renaissance-Schätze sowieso eher unerquicklich.

Das Wetter war für heute eher regnerisch angesagt. Wir schleppen den ganzen Tag unsere Regenjacken durch Florenz, die wir glücklicherweise nicht brauchen. Jedoch wird es nachmittags extrem windig. Wir fühlen uns wie an der Nordsee, nur bei 25 Grad. Sehr angenehm. Lustiger Nebeneffekt: Es fliegen diverse Dinge durch die Straßen: Papierchen, Sonnenhüte und Schaufensterpuppen.
Auf dem Campingplatz ist ein Radlerpärchen aus Tübingen eingetroffen. Sie sind erst knapp drei Wochen unterwegs und haben den direkten Weg über den Reschenpass genommen. Die haben auch kein Kind dabei.
Tagsüber haben wir einen Platten an Peters Vorderrad entdeckt. Wo der herkommt, ist uns ein Rätsel, weil Peters Vorderrad meistens hochgebockt und gar nicht belastet ist. Tatsächlich finde ich ein Loch im Schlauch und flicke es.

Dienstag, 25.9.2018
Florenz, 11 km, insgesamt 3369 km
Diesmal lassen wir unsere Räder ein gutes Stück vor der Innenstadt stehen und laufen weiter. An der Kirche Santa Croce ist keine Schlange, wir nutzen die Gelegenheit.

 

In der Kirche sind die Gräber oder mindestens Gedenktafeln von vielen berühmten Italienern: Rossini, Michelangelo, Macchiavelli, Galileo, aber auch Marconi, dem Entdecker der drahtlosen Nachrichtenübermittlung per Funk. Am Grabmal von Michelangelos Familie wird ein Gemälde restauriert.

 

Wir sehen den Kreuzgang des ehemaligen Klosters, die Sakristei und weitere Kunstwerke im Museum. Innerhalb eines Ganges mit einer Aneinanderreihung von Grabtafeln entdecken wir die Tafel von Bartolomeo Cristofori, dem Erfinder des „Pianofortes“, des modernen Klavieres. Die Tafel ist unscheinbar und kaum zu entziffern, erst Wikipedia bestätigt uns: Ja, der Erfinder des Klaviers wurde tatsächlich hier begraben.

 

Interessant ist auch die Dokumentation des verheerenden Arno-Hochwassers von 1966, das viele Kunstschätze beschädigt hat und deren Restauration bis heute andauert.
Wir trinken einen Cappuccino, der selbst mir als Teetrinker ungewöhnlich gut schmeckt – Tipp: La Sostra dei Ciompi, Piazza dei Ciompi 28, neben der Loggia del Pesce. Später nochmals ins Budellino, wir essen hervorragende Schiacciate, eine Art belegte Brötchen, ziemlich lecker. Die Schlange am Dom ist immer noch zu lang, wir sehen uns stattdessen die Räume der ältesten Apotheke von Florenz an – in der immer noch viel an Touristen verkauft wird

– und den völlig untypischen Bahnhof S.M. Novella im Bauhaus-Stil. Quadratisch, nüchtern. Eher zufällig stolpern wir in die Kirche dei Santi Michele Gaetano, die zur Abwechselung eher barock ist. Der Innenraum ist aus dunklem Marmor, mit Wandteppichen geschmückt.

Schließlich noch die Medici-Führung von Free Walking Tours, die uns von der Grabkapelle der Medici über den Piazza della di Signoria, die Uffizien über die Ponte Veccio bis zum Piazza Pitti führt und in der wir weitere interessante Geschichten über Florenz und die Medici hören.

 

Mittwoch, 26.9.2018
Florenz – Figline Valdarno, 45 km, insgesamt 3414 km
Wir brechen auf zu unserem nächsten großen Etappenziel: Rom. Dazwischen liegen gut 300 Kilometer Straßen, Wege, Flüsschen, Berge und Hügel.
Heute radeln wir zunächst das Arnotal entlang. Leider gibt es keinen „Arno-Radweg“. So müssen wir immer wieder fernab vom Arno über Hügelchen und Berge kraxeln. Doch manchmal geht es auch direkt am Arno entlang, gern auch Schotterweg, aber immerhin flach.

Zum Campingplatz in Figline Valdarno geht es die letzten 2 Kilometer rauf in die Berge. Dafür geht es von der Rezeption zu den Stellplätzen steil bergab. Wir freuen uns schon auf das Hochwuchten der Räder morgen.
Der Campingplatz ist edel, mit Swimmingpoollandschaft, Disco, Klettergarten und allem möglichen ausgestattet. Die Rezeption hat ein Kinder-Computer-Spiel-Terminal. Die Bedienung des Touch-Screen gestaltet sich etwas hakelig, aber Peter ist für die nächsten 1,5 Stunden glücklich. Ansonsten nutzen wir außer dem Supermarkt herzlich wenig von der Infrastruktur des Platzes, da das meiste schon geschlossen ist und der Pool zu kalt.
Den ganzen Tag über war es extrem windig. Das hat das Radeln nicht gerade erleichtert. Auch auf die Stimmung drückt der ewige Wind. Abends weht es immer noch. Wir krabbeln gern früh ins Zelt und kuscheln uns in die Schlafsäcke.

 

 

Ravenna

Freitag, 14.9.2018
Punta Sabbioni – Sottomarina, 25 km, insgesamt 2963 km
Um die hässlichen Industrie- und Gewerbegebiete um Mestre herum zu umgehen, nehmen wir heute Richtung Chioggia lieber die Luftlinie, die aus den Inseln Lido de Venedig und Pellestrina besteht. Beides Inseln, die 10 km lang sind, dafür aber nur wenige hundert Meter breit.
Zum größten Teil gibt es dort einen ausgebauten Radweg. Die Eurovelo 8 führt hier auch entlang. Zwischen den Inseln verkehren Fähren. Spannend, dass zwischen Alberoni und Santa Maria del Mare eine Autofähre fährt, auf die auch der Linienbus incl. Passagiere fährt.

Es ist sehr dunstig, so dass wir die anderen Inseln nicht erkennen können. Von Pellestrina nach Chioggia wieder nur eine Personenfähre, die weitgehend leer ist. Mittags in Chioggia ist die Siesta voll im Gange und die Hauptstraße präsentiert sich in gähnender Leere. Ansonsten wirkt die Innenstadt wie Venedig, nur mit Autos. An der Drehbrücke nach Sottomarina ist ziemlich was los. Sie wird weggeschwenkt, dass zwei Schiffe durchfahren könen. Auf der Brücke der „Brücken-Steuermann“ und an den jeweiligen Straßenenden zwei Carabinieri, damit auch ja keiner während dieser Aktion auf die Brücke springt.

Am frühen Nachmittag kommen wir in Sottomarina an, wählen den letzten Campingplatz vor der großen Lagunenausfahrt und wundern uns über den leeren Strand und die zusammengeklappten Schirme. Blecherne Musik aus Lautsprechermasten und der große Spielplatz ohne ein einziges Kind verstärken den gespenstischen Eindruck. Die Nachsaison ist voll im Gange, der Campingplatz liegt auch in den letzten Zügen, hat nur noch eine Woche geöffnet, die Betreiber entsprechend lustlos. Ein paar Sainsoncamper graben ihre Wohnwagen aus und bauen die Vorzelte ab. Die Vorstellung, dass die gigantischen Sonnenschirmbatterien alle voll besetzt sein könnten, finden wir allerdings auch zum Fürchten.
Aber das Meer ist immer noch toll. Peter wühlt wieder im Sand und baut „Venedig“. Viele Sandhäufchen mit Wasser dazwischen.

 

Samstag, 15.9.2018
Sottomarina – Isola Albarella, 48 km, insgesamt 3011 km
In der Nacht stürmt es, ein Gewitter zieht auf und es plästert auf den sandigen Campingplatz. Wir haben unser Zelt glücklicherweise an einem windgeschützten Platz aufgestellt, nur an Peters Seite platschten die Tropfen so auf den Sand, dass alles bis ins Innenzelt hochspritzt und seine Seite ein wenig einfeuchtet. Morgens lässt der Regen nach. Peter kann nochmal am Strand spielen, dann machen wir uns auf den Weg. Auch hier gibt es einen Decathlon, in dem wir Peters zerfallende Sandalen ersetzen. Wir folgen weitgehend der Eurovelo 8. Ein Sträßchen führt etliche Kilometer durch das Podelta. Links Wasser, rechts Wasser mit Inselchen. Ein Paradies für Wasservögel. Gegenüber von Porto Levante soll lt. Google Maps ein Campingplatz sein, den es allerdings auf der Velomap (OSM) nicht gibt. Genaugenommen gibt es da nicht einmal Land, nur Wasser. Als wir dort ankommen, ist von Campingplatz weit und breit nichts zu sehen. Der nächste Platz wäre 33 km über die SS 309, auf der landschaftlich schönen Strecke eher 50 km weiter. Mit Hilfe von Google und nach einigen Telefonaten finden wir eine Frühstückspension auf der Isola Albarella wenige km weiter. Albarella enpuppt sich als ein abgesperrtes Edeldomizil. Man darf die Insel erst nach Anmeldung und Nachweis eines Übernachtungsplatzes betreten. Die Vermieterin hat uns entsprechend telefonisch angekündigt. Für Verwirrung sorgt, dass wir kein KFZ-Kennzeichen angeben können. Dafür wurden wir als „das sind die mit den Fahrrädern“ sofort bei der Anmeldung identifiziert.

Das Inselchen ist sauber wie geleckt, man bewegt sich auf Golfwägelchen voran und der breite Sandstrand ist vom feinsten. Wir haben den Eindruck, in den Kulissen der Truman-Show gelandet zu sein. Auch hier ist nicht mehr viel los nur der Mückengiftversprühwagen arbeitet noch fleißig. Die Vermieterin ist nett und wir wollen einen Strandtag einlegen, deswegen werden wir zwei Nächte bleiben.

 

Sonntag, 16.9.2018
Albarella, 13 km, insgesamt 3024 km
Frühstück gibt es erst ab 9 Uhr, daher lümmeln wir uns endlos lang in den Betten, lesen und hören IPod. Nach dem Frühstück ganz gemächlich an den riesigen Strand. Sand wühlen, Wasser planschen, Schatten suchen, picknicken.

Mittags schwingen wir uns auf die Fahrräder uns machen uns auf zu einer Inselumrundung. Am nördlichsten Zipfel der Insel können wir quasi auf das nächste Eiland (Halbinsel Rosolina Mare) rüberspucken, doch eine Fährverbindung gibt es nicht. Albarella könnte ja von unlegitimierten Menschen überrollt werden.

Nach 10 km kommen wir am Spielplatz mit Vogelvoliere im Zentrum der Insel an. Peter schaut und spielt vergnügt. Danach ins Eiscafe. Wir treffen unsere Zimmernachbarn dort und plaudern angeregt. So geht der Nachmittag vorbei.
Abends noch Pizzeria. Auch dort treffen wir unsere Zimmernachbarn wieder. Die Insel ist also überschaubar.

Montag, 17.9.2018
Albarella – Bosco Mesola, 55 km, insgesamt 3079 km
Wir brechen aus dem „Urlaubsparadies“ auf und setzen mit der Fähre über den Po di Levante nach Porto Levante über. Was sich jetzt so leicht anhört, gestaltet sich etwas kompliziert. Schon vor dem Frühstück kontaktiert unsere freundliche Vermieterin den Fährmann und informiert ihn, dass wir um 10 Uhr kommen werden und er uns übersetzen kann. Als wir um 10 Uhr am Anleger stehen, kommt zunächst ein Schlauchboot an. Wir sind leicht entsetzt. Aber das holt nur jemand anderen ab, der da auch steht. Ansonsten ist da – nichts. Wir rufen wieder den Fährmann an und er sagt: „Uno Momento!“ Kurz später sehen wir, wie eine kleine Fähre sich vom gegenüberliegenden Ufer entfernt und auf uns zufährt. Genaugenommen wirkt sie wie zwei Ruderboote, auf die ein großes Brett mit Reling geschraubt ist, auf dem wir nun stehen und uns rüberfahren lassen. Ein tolles Abenteuer. Vermutlich kam der letzte Fahrgast vor Wochen vorbei.

Wir fahren durch das Podelta. Überall um uns schwimmen, waten, fliegen Vögel. Wahrscheinlich ein großer Artenreichtum. Leider können wir nur Reiher und Kormorane bestimmen. Alles andere sind in unseren Augen nur „Möwen“. Einmal fliegen (glaub ich) 6 Flamingos flach über uns hinweg. Nach 30 km überqueren wir einen wirklich breiten Fluss. Dies ist wohl der Haupt-Po, der „Po di Venezia“. Später überqueren wir noch weitere Po’s.

In Ca‘ Tiepolo Pause in einer Bar. Alles herrlich verschlafen hier. Wir teilen uns die Tischchen mit 3 bis 5 Einheimischen.
In Bosco Mesola ist im Navi ein Campingplatzsymbol verzeichnet. Es entpuppt sich als Stellplatz, der zur Zeit nicht wirklich bewirtschaftet scheint. Aber das Tor steht offen, die sanitären Anlagen und die Steckdosen dort funktionieren. Wir stellen unser Zelt auf und sind zufrieden mit der vorhandenen Infrastruktur. Spät am Nachmittag erscheint tatsächlich jemand und kassiert 10€ für die Nacht. Mücken sind gratis. Wir haben den Platz für uns alleine.

 

Dienstag, 18.9.2018
Bosco Mesola – Ravenna, 76 km, insgesamt 3155 km
Wir finden eine Radwegbeschilderung FE30 nach Ravenna, der wir folgen. Es geht durch Pinienwäldchen an der Küste entlang, teilweise schmale Sandwege.

Dann kommen wir durch diverse Lido-de-irgendwas. Vor vielen Geschäften sind die Rolläden geschlossen, Ferienwohnungen wirken verwaist. Wir haben ein wenig das Gefühl, durch Geisterstädte zu fahren. Bei bestem Sommerwetter ohne Regen scheint kein Mensch mehr an der Adria Urlaub machen zu wollen. Schließlich müssen wir mangels Alternativen ein paar Kilometer auf der SS309 fahren. Das ist recht unangenehm, weil laufend schwere LKW an uns vorüberrauschen. Es scheint sich um eine Hauptverkehrsachse zu handeln.

 

Immerhin gibt es einen schmalen Seitenstreifen. Später können wir wieder an der Küste entlangfahren, vorbei an einigen geschlossenen Campingplätzen und Feriensiedlungen. Nach Ravenna herein kommen wir erst durch ein Industriehafengebiet und weiter durch fette Gewerbegebiete mit entsprechendem Verkehr. Schließlich landen wir auf dem Bio Agritourismo in Classe nahe bei Ravenna (bio-camping.it). Freundliche Begrüßung, schöner kleiner Platz, sogar ein Pool ist da, das frische Gemüse aus dem eigenen Garten wird für kleines Geld verkauft.

Mittwoch, 19.9.2018
Ravenna, 18 km
Ravenna ist berühmt für seine frühchristlichen Kirchen, die mit Mosaiken geschmückt sind. Davon schauen wir uns einige an. Außerdem hat Dante hier seine göttliche Kommödie geschrieben und sein Grab ist hier zu sehen. Lord Byron war übrigens auch hier, aber danach. Wir bestaunen die Mosaiken aus einer Zeit, in der die Germanen noch auf den Bäumen gehaust haben.

 

Zum Abschluss noch zur Basilika Sant Apollinare in Classe in der Nähe von unserem Campingplatz. Der werden im Baedeker immerhin 4 Seiten gewidmet, muss also toll sein. Die Kirche ist aus dem 6. Jhd., der Turm aus dem 11. Ich würde nur gerne wissen, was tatsächlich original aus der Zeit ist und was in späteren Jahrhunderten ersetzt, verändert oder umgebaut wurde.